Brandaktuell: Rettet die Südzentrale!
Wilhelmshavenerinnen wollen Bürgerinitiative gründen
(hk) Einem Abriss der Südzentrale steht nach Meinung des Bauausschussvorsitzenden Norbert Schmidt (SPD) nichts mehr entgegen. Mit dieser Verlautbarung trat der SPD-Politiker zwei Tage vor dem Internationalen Museumstag an die Öffentlichkeit. Pikanterweise gab es an eben diesem Museumstag einen Vortrag der Studentin für historisches Kulturgut Corinna Janßen zum Thema Südzentrale.
In dem Vortrag über ein lokales Streitthema ging es um das ehemalige Kraftwerk direkt an der Kaiser-Wilhelm-Brücke. Erläutert wurde nicht nur der geschichtliche Aspekt des heute 93-jährigen Baudenkmals, es wurde auch die heutige Sachlage dazu kritisch dargestellt. Vor allem ging es um die bisher unzureichende Sicherung und Bewahrung eines Gebäudes, welches in dieser Art als einzigartig in Deutschland betrachtet werden muss.
Die Südzentrale wurde 1909 als Kohlekraftwerk von dem Marinebaumeister Fritz Riekert fertiggestellt. Sie sollte sich in ihrem Baustil in das Stadtbild des damaligen Wilhelmshaven einfügen. Somit glich die Südzentrale eher den herrschaftlichen Wohnhäusern der heutigen Südstadt als einer Industrieanlage.
Die Fassade der großen Maschinenhalle erhielt einen für die damalige Zeit typischen, geschwungenen Giebel mit Jugendstilelementen, die Fenster und Türen wurden in einem hellblauen Farbton gefasst, die Stahlträgerkonstruktion bekam einen elfenbeinfarbenen Anstrich.
Ein Vergleichsbau zu diesem Kraftwerk ist in Deutschland nicht mehr zu finden.
Unsere Mitarbeiter haben uns auf ein in seiner Art einzigartiges Industriedenkmal aufmerksam gemacht. Es handelt sich um die 1909 erbaute Südzentrale, das ehemalige Stromkraftwerk. Das architektonisch wertvolle Industriedenkmal entbehrt seit mehr als zehn Jahren einer Nutzung; nun soll es abgerissen werden. Der private Eigentümer beruft sich auf die wirtschaftliche Unzumutbarkeit gemäß § 7 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes. Die Grundsubstanz dieser in Fachwerkkonstruktion aus Eisen errichteten Anlage ist gut erhalten. Daher sehen wir keinen Hinderungsgrund, diese in ein zu errichtendes Wohn- und Gewerbezentrum zu integrieren. Der Stadt böte sich sodann auch die Chance, das neben der Kaiser-Wilhelm-Brücke liegende Industriedenkmal wirkungsvoll stadtgeschichtlich zu vermarkten. Wir erwarten von der Landesregierung, dass sie der Stadt bei der Umnutzung der Südzentrale beratend zur Seite steht.
(Die ROTE MAPPE 2002 des Niedersächsischen Heimatbundes e.V – ein kritischer Jahresbericht zur Situation der Heimatpflege in unserem Lande)
Das 1909 als Kohlekraftwerk errichtete Kraftwerk lieferte noch bis zum Ende des Jahres 1993 Heizenergie aus Dampf für das Marinearsenal. Seit 1987 ist das Gebäude als Baudenkmal der Wirtschafts- und Technikgeschichte eingestuft. 1993 begann dann der „Leidensweg“ dieses einmaligen Baudenkmals. Für knapp 2 Millionen DM wurde das Gebäude an eine Firma in Loxstedt-Dedesdorf veräußert – inzwischen gehört es der BGI mbH in Ibbenbüren. Die Stadt Wilhelmshaven, die das Gebäude zu einem Vorzugspreis hätte erwerben können, war mal wieder pleite und konnte es nicht erwerben.
Viel wurde in der Zeit seit der Stilllegung über eine mögliche Weiternutzung diskutiert – das Marinemuseum zeigte Interesse, es gab auch den Vorschlag, das Küstenmuseum dort unterzubringen. Aber auch eine Nutzung als Hotel stand genauso wie die Nutzung als Lagerhalle zur Debatte. Mangelnde Unterstützung und auch die abschreckenden finanziellen Ausmaße verhinderten jegliche Nutzung. Der jetzige Eigentümer wollte die Südzentrale zu einem Wohnhaus umbauen – dem stand plötzlich die hafenwirtschaftliche Nutzung des Geländes entgegen.
Ende 1998 zogen die Bewohner der Betriebswohnung aus und der sichtbare Verfall des Gebäudes vollzog sich in Windeseile. Das Gebäude konnte nicht gegen Vandalismus und die daraus resultierenden Witterungsschäden abgesichert werden.
Zwei Brände in dem Gebäude boten dann auch Raum für entsprechende Verursacherspekulationen. Im Sommer 2001 vernichtete ein durch Brandstiftung ausgelöstes Feuer wichtige Bereiche im Bürotrakt. Anwohner berichten von mindestens fünf Bränden in den letzten Jahren.
So unvollkommen gesichert, wie der Komplex jetzt dasteht, war es auch nur eine Frage der Zeit, wann die ersten Diebstähle stattfinden werden. So wurde ein Teil der Treppenempore abmontiert und ein Fußboden-Mosaik (Reichsadler) wurde fein säuberlich aus dem Beton geschlagen.
Inzwischen ist der Gesamteindruck des Gebäudes so verheerend, dass die Aussage von Norbert Schmidt, dass „die Bürger die Schnauze jetzt voll haben“ durchaus nachvollziehbar ist. Nur jetzt daraus den Schluss zu ziehen, dass das Gebäude der Abrissbirne zum Opfer fallen muss, und dass unser Oberbürgermeister Eberhard Menzel sogar ankündigt, „dass das Gemäuer der ehemaligen Südzentrale unterhalb der KW-Brücke vermutlich abgerissen und zunächst einmal als Parkplatz genutzt werde“ (WZ 11.01.02), das passt zwar zur Wilhelmshavener Politik, wird aber dem historischen Wert der Südzentrale nicht gerecht.
Corinna Janßen dazu in ihrem Vortrag am internationalen Museumstag: „Die Südzentrale steht heute, neben dem ehemaligen KSW-Gebäude, als einziges komplett erhaltenes Industriegebäude der kaiserlichen Marine-Werft in Wilhelmshaven. Mit der Kaiser-Wilhelm-Brücke, dem Wahrzeichen unserer Stadt, bildet es ein einmaliges Ensemble der Industriegestaltung vom Anfang des 20. Jahrhunderts. … Während die etwa gleichaltrige Kaiser-Wilhelm-Brücke ihren 100. Geburtstag wohl zur Eröffnung des JadeWeserPorts feiern wird, werden an Stelle des ehemaligen Kraftwerks ‚Parkplätze’ geplant. … Ein wahrhaft trauriges Ende für eine nun mal einmalige Architektur, die, wäre sie saniert, unserer Stadt ein schönes Stück ‚Historie’ zurückbringen würde.“
Dem Vortrag schloss sich eine rege Diskussion an, die zu der einmütigen Auffassung der Zuhörer führte, dass es sich lohne, für den Erhalt dieses Gebäudes zu kämpfen und dafür eine Bürgerinitiative „Erhaltet die Südzentrale“ zu gründen.
Ob es zu dieser Gründung kommen wird, entscheidet sich in den nächsten Tagen. Wir werden diesen Termin dann auf unserer Internetseite bekannt geben.
Für Nachfragen zum Thema Bürgerinitiative steht Ihnen auch Herr Jürgen Engel, Telefon 04463/55014, zur Verfügung.
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