SPD-Zoff
Apr 011998
 

Zoff in der SPD?

Ein SPD-Ortsverein kritisiert die Repräsentationsverschwendung der Sparkasse

(ub) Dass die Sparkasse der Stadt Wilhelmshaven in den nächsten zwei Jahren rund 60 Millionen DM für die bauliche Erweiterung ihrer Haupt- und Zweigstellen investieren wird, ist beschlossene Sache. Alle im Verwaltungsrat der Sparkasse vertretenen Kommunalpolitker haben zugestimmt. An der sozialdemokratischen Basis jedoch regt sich Widerstand. Nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand werden die geplanten Ausgaben als „Wertvernichtung zu Lasten der Stadt“ und als „Repräsentationsverschwendung“ bezeichnet. Auf Antrag des SPD-Ortsvereins Villenviertel- Tonndeich wird sich der nächste Unterbezirksparteitag der SPD mit der Investitionspolitik der Sparkasse beschäftigen müssen.

Norbert Schmidt, Unterbezirksvorsitzender der SPD und neuer Vorsitzender des Bauausschusses, hat zum Bauvorhaben der Sparkasse deutlich Position bezogen. Schmidt betont, dass die geplanten Millionenausgaben „Arbeitsplätze im Bauhaupt- und Nebengewerbe in dieser Stadt sichern“, und begrüßt ausdrücklich die „Pläne der Sparkasse Wilhelmshaven, in den Umbau und die Sanierung des Hauptgebäudes am Theaterplatz sowie in weitere Neubauten in dieser Stadt erhebliche Mittel zu investieren.“ (WZ vom 03. 03. 98)

Sinnlose Investitionen
Ganz anders sieht das der SPD-Ortsverein Villenviertel-Tonndeich. Dieser Ortsverein fordert in einem Antrag an den nächsten UB-Parteitag Wilhelmshaven u. a. die SPD-Ratsfraktion auf, „die einseitige Politik der Förderung von Stadtbildgestaltung durch Luxus-Sparkassengebäude zurückzuschrauben.“ (Aus dem Antrag) In dem zweiseitigen Antrag zeigen die Genossen/innen des Ortsvereins Villenviertel Tonndeich auf, dass die geplanten Investitionen der Sparkasse nicht nur schon mittelfristig keinen vernünftigen Sinn ergeben. Vielmehr entsteht der Stadt Wilhelmshaven auch ein erheblicher finanzieller Schaden.
Nach Meinung der SPD-GenossInnen werden sich allein schon durch die Einführung neuer Technologien die Betriebsabläufe bei Banken und Sparkassen in wenigen Jahren erheblich verändern. Niemand kann aber jetzt schon definitiv sagen, welche (baulichen) Gegebenheiten diesen veränderten Betriebsabläufen gerecht werden. Es ist vielmehr zu erwarten, dass sich die Betriebsabläufe in den nächsten 5 bis 10 Jahren so massiv verändern, dass hohe Investitionen von heute nur wenige Jahre Bestandskraft haben werden.

„Massive Repräsentation“
Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Villenviertel-Tonndeich und Ex-Ratsherr Hans Hartmann hatte bereits in einem Leserbrief an die WZ – veröffentlicht am 05.02.98 – kritisch zur Investitionspolitik der Sparkasse Stellung bezogen. Hartmann: „Wenn die Hauptstelle am Theaterplatz allein 40 Mio. Ausgaben verursacht, was dem Wert von 100 guten und freistehenden Einfamilienhäusern entspricht, wird auch Laien deutlich, dass hier massiv Repräsentation beabsichtigt ist, weil nur wenig Hauptstellenvergrößerung ansteht und räumliche Änderungen zur Betriebswirtschaftsoptimierung und Bausanierung nie so teuer sind.“ Hans Hartmann sieht daher „die Reduzierung der Ausgaben um 50 bis 75 Prozent“ als „dringend erforderlich“ an.
Nun könnte man meinen, dass es alleine die Angelegenheit der Sparkasse ist, wie sie die jährlichen Gewinne in zweistelliger Millionenhöhe verwendet. Aber, die Sparkasse ist so genanntes Sondereigentum der Stadt Wilhelmshaven. Zwar verzichtet die Stadt nach wie vor auf eine Beteiligung an den Gewinnen der Sparkasse, sie hat aber durch die im Verwaltungsrat der Sparkasse sitzenden Kommunalpolitker entscheidenden Einfluss auch auf die Gewinnentwicklung und damit verbunden auf die am Gewinn orientierten Gewerbeertragssteuerzahlungen der Sparkasse.
Der SPD Ortsverein Villenviertel-Tonndeich zeigt auf, dass die Stadt Wilhelmshaven „jährlich rund 1 Mio. DM Gewerbesteuer zusätzlich verlieren“ wird, wenn die Sparkasse durch die jetzt geplanten Investitionen ihre Gewinne „jährlich um mindestens 5 Mio. DM“ mindert. Mehrere Faktoren sind es, die die zukünftigen Bilanzgewinne und damit verbunden die Steuereinnahmen der Stadt schmälern. Auch die Sparkasse kann ihr Geld nur einmal ausgeben, die für den Umbau getätigten Ausgaben stehen zur Kreditvergabe – eine der Haupteinnahmequellen jeder Bank – nicht mehr zur Verfügung. Umfangreiche Folgekosten zwecks Bestandssicherung treten auf. Erheblich höhere Abschreibungsbeträge in den nächsten Jahren verringern ebenfalls den Bilanzgewinn.

Arbeit – Arbeit – Arbeit
An der SPD-Basis rumort es. Die GenossInnen sind verärgert. Der oben genannte Ortsverein weist in seinem Antrag an den UB-Parteitag darauf hin, dass „in einer armen Stadt… die kommunalpolitisch Verantwortlichen in besonderer Weise darauf zu Achten (haben), dass Geld rentierlich und politisch klug ausgegeben wird.“ Statt prestigeträchtiger Protzbauten wird erwartet, dass die Sparkasse ihr Geld u.a. dazu verwendet, dort, wo „Arbeitsplatzabbau droht“, Betriebe durch Kredite zu stützen.
Im Bankgewerbe selbst ist mit drastischem Stellenabbau in den nächsten Jahren zu rechnen. Lt. einer WZ-Meldung vom 17. 02. 98 prognostiziert das Vorstandsmitglied der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, Gerhard Renner, einen Stellenabbau von „bis zu 200 000 Jobs (…) in den nächsten acht Jahren.“ Der o.g. SPD-Ortsverein fordert „sichere Arbeitsplätze oder Abfindungen im Fall von Entlassungen“ sowie eine „hohe Ausbildungsquote der Sparkasse“.
Im o.g. Antrag wird mit Kritik an den eigenen Ratsvertreter/innen nicht gespart: „Heutige kommunalpolitische Beschlüsse für den Baubereich lassen die Feststellung zu, dass unsere öffentlichen Gebäude, Schulen und Straßen…in 5 Jahren noch schlechter aussehen als heute. Wenn gleichzeitig die kommunalen Sparkassen höchsten Glanz erreichen und Arbeitsplätze abbauen ist das eine Politik, die einer CDU-orientierten Kommunalpolitik sehr nahe steht.“

Sparkasse verkaufen?
Angesichts der prekären Finanzsituation der Stadt Wilhelmshaven sollte nach Meinung der SPD-Genossen eine Beteiligung der Stadt an den Gewinnen der Sparkasse „für die Zukunft kein Tabuthema bleiben, zumal es kaum ärmere Städte als Wilhelmshaven in den alten Bundesländern gibt.“ Deshalb, so der SPD-Ortsverein Villenviertel-Tonndeich, muss der nächste SPD-Unterbezirksparteitag fordern: „Durch Verhandlungen der SPD-Spitze mit allen anderen Mitgliedern des Verwaltungsrates der Sparkasse muss erreicht werden, dass die bisherigen Blockadehaltungen in der Sparkassenpolitik durch ausgewogene Entscheidungen ersetzt werden.“ Im Klartext: Der Verwaltungsrat der Sparkasse besteht aus neun Mitgliedern. Drei sind Bedienstete der Sparkasse. Die Mehrheit der Verwaltungsratmitglieder (6) sind Kommunalpolitker aus dem Rat der Stadt. Wenn die beiden Vertreter der Grünen und der CDU mit den vier Vertretern der Mehrheitsgruppe (SPD/FDP/UWB) an einem Strang ziehen, kann eine Gewinnausschüttung der Sparkasse an die Stadt schnell beschlossene Sache sein.
In Kreisen der SPD wird mittlerweile sogar auch über einen Verkauf der Sparkasse nachgedacht. Das geht zwar so einfach nicht. Zunächst einmal müsste die niedersächsische Landesregierung das Sparkassengesetz entsprechend ändern. „Aber“ – so ein SPD-Genosse gegenüber dem Gegenwind – „es gibt Überlegungen, den Kommunen dadurch Luft zu verschaffen, die Stadt Wilhelmshaven wäre dann vermutlich auf einen Schlag schuldenfrei.“

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