Ausländerbeirat
Apr 011998
 

„Unverbindlich“

Die Geschäftsordnung des Ausländerbeirates ist nur eine halbe Sache

(noa) Seit dreizehn Jahren gibt es in Wilhelmshaven einen Ausländerbeirat – seit dem 18.3. hat er endlich eine Geschäftsordnung. Dass das Sprichwort „Was lange währt, wird endlich gut“ auf diese Satzung nur eingeschränkt zutrifft, darüber berichteten wir schon im letzten GEGENWIND.

Für die, die ihn nicht gelesen haben, in Kürze noch einmal: Die im Ausländerbeirat erarbeitete Ratsvorlage regelte in § 19 (1): „Die Mitglieder des Ausschusses haben das Recht, im Kultur-, Schul- und Sozialausschuss mit beratender Stimme mitzuwirken, soweit das in der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Wilhelmshaven in der jeweils gültigen Fassung geregelt ist. …“Nun, das ist in der Geschäftsordnung des Rates der Stadt Wilhelmshaven eben nicht so geregelt, und sie hätte geändert werden müssen. Dass das durchaus geht, hat die Stadt Osnabrück gezeigt, an deren Satzung sich unser Ausländerbeirat orientiert hat, doch der Rat hat das abgelehnt.
Die Vorstellung der ausländischen MitbürgerInnen ging nur dahin, mit beratender Stimme an diesen drei Ausschüssen mitwirken zu dürfen. Angesichts dessen, dass dieser Wunsch von Menschen geäußert wird, die z.T. schon seit vielen Jahren in dieser Stadt leben, Steuern zahlen und in vielfältiger anderer Weise ihren Beitrag leisten, ist er sehr bescheiden. Entsprechend groß waren die Enttäuschung und der Ärger, die in der Beiratssitzung am 25.2. geäußert wurden.

Alles schön demokratisch

Diese Enttäuschung und dieser Ärger wurden dem OB Eberhard Menzel sehr temperamentvoll vorgetragen. Offensichtlich war er darauf innerlich schon vorbereitet, nicht zuletzt durch unsere Meldung (die er „ganz unmöglich“ fand). Er belehrte den Beirat in Sachen Demokratie: Der Rat ist ein demokratisch gewähltes Gremium, also sind seine Beschlüsse demokratisch, und die Mitglieder des Ausländerbeirates mögen sich doch an der ansonsten sehr schönen Geschäftsordnung freuen.
Keine ChanceOffensichtlich mochte sich aber niemand so richtig freuen. Zwar steht im § 1 unter der Überschrift „Aufgaben“, dass „der Ausländerbeirat … nach Maßgabe dieser Geschäftsordnung an den kommunalpolitischen Entscheidungsprozessen der Stadt“ mitwirkt, doch die einzigen Mitwirkungsmöglichkeiten bestehen darin, gegenüber den Fachausschüssen des Rates Empfehlungen und Stellungnahmen abzugeben (§ 15) und über „Vorlagen der Verwaltung an den Verwaltungsausschuss oder den Rat, Anträge von Ratsmitgliedern und Bürgeranträge, die die besonderen Interessen der Einwohnerinnen und Einwohner nichtdeutscher Herkunft berühren“, vor ihrer Beratung im Rat informiert zu werden, um evtl. eine Stellungnahme dazu abzugeben (§ 16).
„Wir haben durch diese Geschäftsordnung keine Rechte bekommen“, brachte es ein Beiratsmitglied auf den Punkt – das einzige (wenn auch schmale) Recht wäre die beratende Mitgliedschaft in den drei o.g. Fachausschüssen gewesen. Und ein anderes Mitglied wies darauf hin, dass die ausländischen WilhelmshavenerInnen mangels Wahlrecht keinen Einfluss auf die Zusammensetzung des Rates haben und dass dessen Beschlüsse für sie insofern nicht zwangsläufig demokratisch sind.
Als ob er dies nicht gehört hätte, betonte OB Menzel noch einmal das demokratische und „einvernehmliche“ Zustandekommen der Geschäftsordnung und traf die Einschätzung, der § 15 mache den § 19 (1) überflüssig.
Nicht nur die ausländischen Beiratsmitglieder machten deutlich, dass beides nicht zutrifft. CDU-Ratsherr Fehnders, der von Anfang an für seine Fraktion dem Ausländerbeirat angehört, nannte den Ratsbeschluss „unbefriedigend“ und drückte sein Bedauern über die verpasste Gelegenheit aus, den WilhelmshavenerInnen ausländischer Herkunft reelle Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben – was nun herausgekommen ist, weist dem Ausländerbeirat „lediglich unverbindliche beratende Funktion“ zu, wie das Rechtsamt der Stadt festgestellt hat.

Geschäftsstelle seit Monaten unbesetzt
Nach der temperamentvollen Debatte um die wenig zufrieden stellende Geschäftsordnung stand ein weiterer explosiver Punkt auf der Tagesordnung, und zwar das Thema „Geschäftsführer“.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Monaten gegen den Geschäftsstellenleiter, weswegen er von seinem Amt abgezogen wurde. Für kurze Zeit erledigte ein anderer städtischer Mitarbeiter die Arbeit. Seit Monaten ist nun Geschäftsstelle des Ausländerbeirates unbesetzt. Wer dort anruft, bekommt keine Antwort, die Post häuft sich, das Zimmer ist versiegelt. „Man kann nicht warten, bis die Ermittlungen gegen den Geschäftsführer abgeschlossen sind – die Geschäftsstelle muss besetzt werden“, so fordert der Ausländerbeirat. Angesichts dessen, dass die im Rat der Stadt beschlossene Geschäftsordnung in §1 (4) festlegt: „Die Kassenführung wird durch die Geschäftsstellenleiterin/den Geschäftsstellenleiter erledigt“, sollte man erwarten, dass die Stadt schnell eine Lösung findet. Es scheint sich bei der Verwaltung jedoch niemand zu finden, der/die diese Aufgabe bis zur Klärung der Vorwürfe gegen den Geschäftsführer wahrnehmen kann. Auch auf dieser Ebene setzt Wilhelmshaven keine auf Integration zielenden Zeichen.

Was ist hier eigentlich los?

Hätten die Sitzung des Ausländerbeirates und die Landtagswahl nicht so kurz hintereinander stattgefunden, dann hätte ich mir wohl keine weiteren Gedanken gemacht. So geht mir einiges immer im Kopf herum.

Viele Leute in Wilhelmshaven waren empört über die Andeutung in Radio Bremen (vgl. „Medienecho auf den Stimmenzuwachs der Republikaner“), unser OB vertrete eine sozialdemokratische Variante von „Ausländer raus“. Wer unseren OB kennt, würde auf eine solche Idee niemals kommen, waren sich z.B. die Teilnehmer der Radio-Jade-Sendung einig. Und bezüglich der Geschäftsordnung des Ausländerbeirates erfahre ich, dass Eberhard Menzel innerhalb der SPD einer der wenigen ist, die den ausländischen WilhelmshavenerInnen gerne etwas mehr Mitwirkungsmöglichkeiten gegeben hätten.

Und doch: Es ist nichts wirklich Fassbares, mit irgendeinem Wortlaut Belegbares, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die „Ausländerfreundlichkeit“ unseres OB etwas überheblich Gönnerhaftes hat.

In der Sitzung des Ausländerbeirates erinnerte Menzel (und nicht nur er, sondern auch andere deutsche Anwesende – wohlgemerkt aber nicht die deutschen Beiratsmitglieder!) mich an einen Lehrer, der seine Kids mitbestimmen lässt, welches Fehlverhalten in der Klasse mit welcher Strafe geahndet wird, bei Wünschen nach einem anderen Unterricht jedoch meint, das gehe nun aber zu weit.

Anette Nowak

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