Nuklearer Hafenumschlag
Aug 212012
 

...und kein Ende

 E.ON will das AKW Grohnde mit plutoniumhaltigen Brennelementen aus Sellafield (GB) bestücken.

(jm) 24 Jahre lang ist es aufmerksamen und entschlossenen BürgerInnen in niedersächsischen Hafenstädten gelungen, den Umschlag von plutoniumhaltigen MOX-Brennelementen gewaltfrei zu verhindern. Jetzt werden sie vor eine weitere Bewährungsprobe gestellt.

Aus der unfallträchtigen britischen Wiederaufbereitungsanlage Sellafield (alias Windscale) sollen demnächst 16 plutoniumhaltige MOX-Brennelemente (MOX: Mischoxid, eine Mischung aus Uran- und Plutoniumoxid) zum Atomkraftwerk Grohnde geliefert werden. Da das menschengemachte Plutonium der giftigste Stoff auf Erden und zudem radioaktiv ist, darf es nur in eigens dafür konstruierten Castor-Behältern transportiert werden. Die Anlieferung dieser beladenen 130 Tonnen schweren Spezialbehälter soll per Schiff von England nach Deutschland erfolgen. Bereits in diesem Frühjahr hatte das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) den Transport von 16 MOX-Brennelementen genehmigt. Die Transportgenehmigung läuft Ende dieses Jahres aus. Die ‚Castoren’ sollen mit Sattelschleppern in zwei Transportchargen von einem deutschen Hafen zum mittlerweile 28 Jahre alten AKW Grohnde transportiert werden.

Nachdem die massiven Proteste gegen den Umschlag dieser höllischen Fracht in Emden und Cuxhaven erfolgreich waren und der Bremer Senat den Atomumschlag verboten hat, musste sich die mit den Landtransporten beauftragte ‚Gesellschaft für Nuklear-Service mbH’ (GNS) mit Unterstützung der niedersächsischen Landesregierung bzw. ihrer -behörden nach anderen Häfen und Alternativrouten umschauen. Jetzt meint sie offenbar, dass sie mit Nordenham einen Hafen gefunden hat, wo ihr der Durchbruch gelingt.

Doch kaum ist die Nachricht in der Wesermarsch ’rum, formiert sich auch dort prompt der Widerstand. Inzwischen hat die „Aktion Z“ eine Einladung zum „Infoaustausch und Diskussion um Aktionsformen , Anträge, Veranstaltungen“ verbreitet.

IF

Die Aktion Z rechnet damit, dass in der zweiten Septemberhälfte die erste und im November die zweite Charge mit je acht bzw. je zwei CASTOREN im Midgard-Hafen von Nordenham an Land rollen und von dort zum AKW Grohnde transportiert werden soll.

In der Wesermarsch geht jetzt die Sorge um, dass es nicht bei diesen beiden Atomtransporten über Nordenham durch die Wesermarsch bleiben wird. Schon im Juli hatte man heimlich still und leise „…25 abgebrannte Brennelemente aus dem früheren Forschungsreaktor Geesthacht und Plutonium-Beryllium-Quellen aus der ehemaligen DDR…“ über Nordenham in die USA verschifft. Erst im Nachhinein hätten Landrat, Stadt- und Kreistagsabgeordnete in der Lokalzeitung davon erfahren. (TAZ, 16.08.12) Wohl um kein öffentliches Aufsehen zu erregen, hatten die Landesbehörden dem Vernehmen nach sogar zeitweise auf die Umschlag- und Transportsicherung durch die Polizei verzichtet.
(Für die Verantwortlichen ist bei der Gefahrenabwägung Bürgerprotest offenbar gefährlicher als Plutonium…)
Mit Nordenham meint man wohl, das geeignete Nadelöhr für den künftig verstärkten Umschlag von besonders gefährlichen radioaktiven Stoffen gefunden zu haben, nachdem man in Emden und Cuxhaven kräftig ‚Dunst von Vorne’ bekommen hat.
Für den Emder Hafen sah sich die landeseigene Hafenverwaltung ‚Niedersachsen Ports GmbH & Co.KG’ dazu genötigt, folgendes in die „Besondere Hafenordnung für den Hafen Emden“ aufzunehmen: „Gefahrengüter, die als Atommüll oder Sondermüll einzustufen sind, dürfen in Emder Hafenbereichen weder gelagert, im Transit befördert noch umgeschlagen werden.“

Wobei allerdings anzumerken ist, dass MOX-Brennelemente kein Atommüll sondern ein Wirtschaftgut sind, solange sie für den Einsatz in AKWen deklariert werden. Erst wenn sie aus dem Atomkreislauf herausgenommen werden und als abgebrannte Brennstäbe zur Zwischenlagerung z.B. in Gorleben bestimmt sind, gelten sie als Atommüll. Letztere sollen ab 2014 aus Sellafield nach Deutschland transportiert und nach gegenwärtigem Stand zum Lager für hochradioaktive Stoffe bei Gorleben transportiert werden.

In Cuxhaven ging man einen anderen Weg: Der Rat hat sich zur Beruhigung der BürgerInnen mit dem Hafenbetreiber Rhenus Midgard darauf verständigt, die Abwicklung von Atomumschlag abzulehnen.
Auch Bremen hat bekanntlich seine Häfen für Atomfrachten gesperrt.
Nun schon seit 24 Jahren versucht es die Atomindustrie – trotz Unterstützung durch die jeweilige Landesregierung – erfolglos, ihre Atomfrachten über niedersächsische Häfen abzuwickeln. Auch in Wilhelmshaven hat der Rat der Stadt mehrheitlich (d.h. ohne CDU und FDP) sein Fähnchen in den Wind gehängt und einer Resolution zugestimmt, „…in dem der Transport und Umschlag von radioaktiven Stoffen über die Jadestadt abgelehnt und die Verwaltung aufgefordert wird, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Verhinderung zu nutzen.“ (Beschluss vom 21.10.1988) Diese Resolution ist also mittlerweile 24 Jahre alt und man könnte meinen, dass sie gewirkt hat. Doch die Resolution allein wird sich natürlich im Ernstfalle als heiße Luft erweisen, solange die Verwaltung dem Lieferauftrag des Rates nicht nachkommt.

Dabei zeigen die Beispiele von Emden und Cuxhaven, dass es diese Möglichkeiten gibt! Doch ohne Druck des Rates wird die Verwaltung weiter untätig bleiben.

Und falls der Widerstand in der Wesermarsch zu heftig ausfällt, dann könnte die GNS einen Plan B aus der Schublade ziehen, in dem die Castor-Transporte über Wilhelmshavens Straßen rollen. Und wenn wir Wilhelmshavener dies schweigend durchgehen lassen, dann werden wir über kurz oder lang neben den städtischen Attributen ‚Öl-’ und ‚Containerdrehscheibe’ auch noch mit dem Alleinstellungsmerkmal ‚Atommüll-Drehscheibe’ leben müssen…

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