vom August 2012
Unlängst beschloss der Bundesrat, dass die Bundeswehr zukünftig in besonderen Situationen auch im Inland bewaffnete Einsätze durchführen darf, z. B. zum Abschuss unbemannter Drohnen, die im Bundesgebiet umherfliegen. Als weiteres Beispiel wurde in der Berichterstattung (NDR 2, 17.8.) die Entführung eines Tankers genannt, der – ja, tatsächlich: auf Wilhelmshaven zuläuft und von den Terroristen gesprengt werden soll. Äh – schon klar: Wilhelmshaven ist bevorzugtes Ziel terroristischer Anschläge solcher Art. Da müssen sich Rotterdam oder Hamburg gar keine Sorgen machen.
Feierabend!
Dabei braucht es gar keine Spinner mit Bomben, um mit Hilfe eines Tankers eine Katastrophe an der Deutschen Nordseeküste auszulösen: Das schaffte am 14. August beinahe die Besatzung des Tankers “Katja”, der mit einer Ladung von 87.000 Rohöl bei Minsener Oog auf Grund lief. Zum Glück auf Sand, der Rumpf des Doppelhüllentankers blieb unverletzt, und wenige Stunden später erreichte der Havarist mit Hilfe mehrerer Schlepper Wilhelmshaven.
Sozusagen gerade noch mal vorbeigeschrammt am Lauenburger Ton, der hart wie Stein unterm Jadesand lauert. Und am GAU, der das Wattenmeer, Nationalpark, Weltnaturerbe, einzigartiges Ökosystem, unersetzliches Rastgebiet für Millionen Zugvögel und Grundlage der Tourismuswirtschaft, auf Jahre unter schwarzem Öl erstickt hätte.
Also Aufatmen? Ganz und gar nicht. Die Tücken des Fahrwasserknicks beim Minsener Oog sind bekannt. Gerade 300 m Breite bleibt dort zum Navigieren, wenn sich da ein Pott querlegt, war’s das. Die “Katja” hat es schon etwa 90 Mal geschafft, die Kurve zu kriegen, was mehrfache Kursänderungen in kurzer Zeit erfordert. Diesmal geriet sie zu weit nach Steuerbord und fuhr sich fest.
Schon wird wieder diskutiert, was besser werden muss, um so was künftig zu verhindern. Lotsenpflicht bei Revierfahrt! Ham wir schon. Lotse war an Bord, komischerweise aber nicht mehr, als die Wasserschutzpolizei zur Ermittlung an Bord kam. Ganz normal, dass er nach anspruchsvoller Schicht pünktlich Feierabend macht, hieß es. Von normal kann hier aber wohl keine Rede sein. Ein Strafverfahren bekommen die Verantwortlichen nicht.
Zweiter Versuch
Was die „Katja“ nicht geschafft hat, nämlich das Ökosystem Wattenmeer auf lange Zeit zu versauen, gelingt hoffentlich auch nicht der „MSC Flaminia“. Die Ermittlungen um den havarierten Tanker waren nicht mal abgeschlossen, da rückte der ausgebrannte Containerfrachter in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Kein Schwein wollte den auf dem Atlantik in Brand geratenen Unglücksdampfer haben, schließlich erbarmte sich Deutschland. Die Flaminia wird das erste Containerschiff, das den JadeWeserPort anläuft. Pünktlich zur Eröffnung am 21.9.? Vermutlich schon eher, abräumen und dann wieder weg damit. Da wird das Schicksal wirklich auf die Probe gestellt, nachdem man gerade am Wattenmeer-GAU vorbeigeschliddert ist. Bis jetzt weiß man noch nicht mal, welche verschiedenen Giftstoffe da in den Containern geladen waren und welche chemischen Reaktionen durch den Brand und die Löschaktionen entstanden sind. Irgendwo muss der Kahn ja hin, ehe er absäuft, aber internationale Vereinbarungen sollten doch dafür sorgen können, dass es auf dem kürzesten Wege den nächsten geeigneten Hafen anläuft. Mit jedem Tag und jeder Seemeile, die er durch das Meer geschleppt wird, steigt das Risiko.
Dänische Hirnstaupe
Auch die Seehunde im Wattenmeer können nach der glimpflich ausgegangenen Havarie erstmal aufatmen und sich über ihren neuen Rekord freuen: Gerade wurde, nach dem letzten Zählflug dieses Jahres, ein neuer Bevölkerungsrekord von mehr als 8000 der putzigen Meeressäuger allein vor der Niedersächsischen Küste vermeldet. Wattenmeerweit werden sie wohl die 30.000er Marke knacken. Zu verdanken ist das vor allem dem jahrzehntelangen Jagdverbot und auch den Schutzgebieten im deutschen, niederländischen und dänischen Wattenmeer. Vor der Staupe, die, stets ausgehend vomdänischen Kattegat, 1988 und 2002 Tausende Tiere dahinraffte, können Nationalparks und Robbenschutzgebiete nicht schützen, aber selbst davon konnte sich die Robbenpopulation dank ansonsten günstiger Lebensbedingungen stets schnell erholen und weiter wachsen.
Nun dräut den Seehunden eine andere Gefahr aus Dänemark: Dortige Fischer und Jäger möchten wieder Robben schießen. Der Virus befiel dann das Hirn von Vertretern der grünen Zunft in Schleswig-Holstein. Die Argumente: Die Überpopulation der Robben müsse vom Menschen reguliert werden, auch um der Ansteckungsgefahr bei der nächsten Staupe vorzubeugen. Keine Frage: Wer tot ist, kann nicht mehr krank werden. Eine geradezu bezaubernde Logik. Und natürlich fressen Seehunde den Fischern alles vor dem Netz weg. Sagen die Fischer. Rücksichtslose Überfischung? Tonnen von Beifang, die als Abfall wieder von Bord gehen? Nö, schuld ist der Seehund. Zum Glück griff die sommerlochfüllende Hirnstaupe nicht auf niedersächsische Jäger und Fischer über, aus Imagegründen, wie ein Sprecher der Fischerei sagte, könne man sich den Abschussforderungen nicht anschließen, aber zumindest könne ja die Seehundaufzuchtstation künftig drauf verzichten, mutterlose Seehundkinder aufzupäppeln.
Wir freuen uns jetzt schon auf die Reaktion der UNESCO: Seehunde schießen im Weltnaturerbe. Drei Jahre nach der Auszeichnung haben viele offenbar immer noch nicht kapiert, dass Weltnaturerbe mehr bedeutet als ein braun-weißes touristisches Hinweisschild an der A29 aufzustellen. Die Dänen sind gerade erst in der Bewerbungsphase um den Platz im Olymp als Teil des dann trilateralen Weltnaturerbestätte Wattenmeer. Da sollten sie so was wie Seehunde schießen nicht mal DENKEN.
Keine Angst, in Niedersachsen bleiben Robben tabu. Aber ein bisschen hat der dänische Virus doch gestreut: Mitte August hat ein freilaufender Hund auf Wangerooge einen Seehund totgebissen. Laut Zeugenaussage hat Herrchen zugeschaut, den Hund dann wieder angeleint und den Tatort verlassen. Der Typ gehört doch in den Knast, oder?
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