Katja-Strandung
Aug 232012
 

Gedanken anlässlich der KATJA-Strandung

Ist das Jade-Fahrwasser bereit für den Ansturm der Containerschiffe?

gw20120823_1b1Lange ist nichts passiert in der Jade-Fahrrinne. Doch am 14. Aug. war es mal wieder so weit: Für den mit 80.000 rd. Tonnen Rohöl beladenen Tanker KATJA war auf der Reise vom schottischen Hound Point zur NWO im Jade-Fahrwasserabschnitt „Oldeoogrinne“ erstmal ‚Schicht…’:

 
Foto: Einsatzschiffe eskortieren die „Katja“ nach Wilhelmshaven. Quelle: Havariekommando

In Höhe des Nordzipfels der Insel Minsener Oog fehlte dem Ölgefäß die berühmte Handbreit Wasser unterm Kiel; es lief auf Grund und musste von einer Anzahl von Schleppern wieder zurück in befahrbares Wasser bugsiert werden.

Dies ist schon erstaunlich, denn Schiffe dürfen die Jade-Fahrrinne tideunabhängig (also auch bei Niedrigwasser) bis zu einem Tiefgang von 16,50 Meter befahren. Die KATJA hatte aber nur 13,45 Meter Tiefgang! Mit einer Schiffslänge von 232 Metern und einer Breite von 42 Metern kommt sie zudem bei weitem nicht an das für die Jade-Fahrrinne zugelassene Bemessungsschiff von 350×52 Metern heran. Und erst recht nicht an die Mega-Containerschiffe von Maersk mit 397×56,40 Metern, die bald den JadeWeserPort anlaufen sollen.

Die Ursache dieser Havarie wird noch untersucht. Es schält sich aber heraus, dass es sich um einen Fahrfehler während und/oder nach der Kurvenfahrt in  der ‚Umfahrung Minsener Oog’ gehandelt hat. Dieser Revierabschnitt ist der schwierigste Teil des Jade-Fahrwassers. Auf dieser ‚Slalomstrecke’ ist es schwierig, das Schiff ohne ausreichende Markierungspunkte in der Fahrrinnenmitte zu halten. Außerdem müssen dort Querstromeinflüsse aus der Blauen Balje (zwischen Wangerooge und Minsener Oog) und der Mittelrinne (ein Nebenfahrwasser nördlich von Minsener Oog zur Weser) ausgeglichen werden. Das ging schon mal schief: Am 16.02.1979 lief der auslaufende Supertanker ESSO HAWAII mit einer Restladung von 150.00 Tonnen Rohöl am Ostzipfel der Sandbank ‚Langes Riff’ nördlich von Wangerooge auf Grund. Der die Schiffsführung beratende Bordlotse war nach Passieren der Umfahrung Minsener Oog bedrohlich dicht an den nördlichen Rand der Fahrrinne geraten und hatte ein Backbordmanöver angeordnet. Dieses Manöver fiel so drastisch aus, dass die Drehbewegung nicht mehr abgefangen werden konnte und der Tanker auf der gegenüberliegenden südlichen Seite der 300 Meter breiten Fahrrinne strandete. (Quelle: Seeamt Emden – Seeamtsspruch vom 12.06.1979 )


Durch die Massenträgheit solcher Kolosse kommt es bei Kursänderungsmanövern zu längeren Zeitverzögerungen. Je größer das Schiff, desto träger reagiert es. Vollführt es endlich die Drehbewegung, dann vergeht wieder eine manchmal den Geduldsfaden strapazierende Zeitspanne, bis es auf ein Abfangmanöver zur Kursstabilisierung anspricht. 

 11 Schlepper mit insgesamt 18.000 kW Schleppleistung waren damals erforderlich, um den Tankerriesen wieder freizuschleppen.

 Die Messfahrt mit einem anderen Supertanker hat ergeben, dass in der ‚Umfahrung Minsener Oog’ zweimal die Fahrrinnenböschung tangiert wurde und insgesamt 20 Rudermanöver durchgeführt werden mussten. Die stärkste (mit 30° Ruderlage) übrigens bei Fahrwasserkilometer 33 – nicht weit entfernt vom Strandungsort der KATJA wenige hundert Meter weiter südlich!

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Messfahrt eines Supertankers durch die Umfahrung Minsener Oog. Die dünnen Linien bezeichnen die Trassenränder der 300 Meter breiten Fahrrinne und der schwarze Steifen dazwischen die während der Durchfahrt des Testschiffes ausgefüllte Wasserfläche (aus „Umweltthema: Nordsee“ Herausgeber: Bürgerinitiative Umweltschutz Wilhelmshaven (BUW) erschienen am 25.10.1984. Quelle: Artikel „Die Jade als Großschiffahrtstraße nach Wilhelmshaven“ aus der Zeitschrift ‚Hansa’ Ausgabe Nr. 19/1981)

 

Zum Glück laufen solche mit 250.000 Tonnen Rohöl beladenen Supertanker mit 20 Metern Tiefgang aus dem Persischen Golf kommend seit ca. 30 Jahren nicht mehr Wilhelmshaven an. Die Rohölimporte kommen jetzt aus Afrika, Südamerika, Russland und der Nordsee, die „nur“  80.000 bis 150.000 Tonnen laden können und erheblich weniger Tiefgang haben. So ist es schon ein Ausnahmefall, wenn einer mit mehr als 16 Metern Tiefgang nach Wilhelmshaven kommt.

Diese komfortable Situation hat die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung jedoch aus Kostengründen dazu veranlasst, die Fahrrinne nur noch „…bedarfsgerecht entsprechend der aktuellen verkehrlichen Anforderungen der Nutzer unterhalten.“ (aus Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4349) Dies gilt nicht nur für die noch durchgängig 18 Meter Sohltiefe in der Fahrrinne sondern auch für deren Trassenbreite: „Anstelle der planfestgestellten maximal zulässigen Sohlbreite der Fahrrinne von 300 m wird entsprechend der aktuellen verkehrlichen Anforderungen der Nutzer durchgängig eine bedarfsgerechte Fahrrinnenbreite von 250 m vorgehalten.“ (aus Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/4349)

Dies hat bis zur aktuellen Strandung der KATJA auch keine schwerwiegenden Folgen gehabt. 250 Meter Trassenbreite reicht demnach im Normalfall für ein 42 Meter breites Schiff mit nur 13,45 Metern Tiefgang aus. Bekannt ist zudem, dass die KATJA schon öfter die Jade-Fahrrinne befahren hat ohne dass hierzu navigatorische Zwischenfälle publik wurden. Ihre Schiffsmaße betreffend liegt die KATJA weit unter denen des o.a. für die Jade-Fahrrinne zugelassenen Bemessungsschiffes.

Geklärt werden müssen also die Umstände, die dazu geführt haben, dass das Rohölgefäß „…sich nach derzeitigem Kenntnisstand ca 1,5 – 2 Schiffsbreiten außerhalb der 300 m breiten Fahrrinne (Trasse) östlich der Buhnenspitze der Buhne B festgefahren hat.“ (aus Mail-Antwort des WSA Wilhelmshaven auf Anfrage des Verfassers)

Dies passierte am 14.08., kurz nachdem der Tanker um 00:40 Uhr von der Umfahrung Minsener Oog in die  Oldeoogrinne eingebogen war. Wenige hundert Meter weiter lief er auf Grund und steckte dann fast sechs Stunden fest, bis es einer Anzahl Schleppern gelang, ihn zurück in die vertiefte Fahrrinne zu ziehen.

Die Ursachenermittlung der Strandung ist noch nicht abgeschlossen. Doch zwei weitere Details hat die WSA bereits mitgeteilt: „Die Katja war ordnungsgemäß mit einem Lotsen besetzt und stand unter Landradarberatung. Es herrschte gute Sicht.“

Untersucht wird wahrscheinlich neben den Stellungnahmen der Beteiligten und den Aussagen eventueller Zeugen, ob

  • es Gegen- oder Überholverkehr gab
  •  sich aus der Bildauswertung des Fahrtverlaufs in den Aufzeichnungen des Landradars auf Minsener Oog Erkenntnisse erschließen lassen
  • die Aufzeichnung des Sprechfunkverkehrs – insbesondere zwischen dem ‚Fahrlotsen’ an Bord der KATJA und dem ‚Radarlotsen’ in der Verkehrszentrale des WSA, der ihn mittels Landradar laufend mit Positionsangaben zu versorgen hat – Ursachenhinweise liefert.

Zu den Ermittlungen gehört zudem, sich die letzte, vor der KATJA-Strandung durchgeführte, Kontrollvermessung der Wassertiefen in den Fahrwasserabschnitten ‚Umfahrung Minsener Oog’ und ‚Oldeoogrinne’ anzuschauen und auszuwerten. Vielleicht spielen da ja auch mehrere Ursachen zusammen, die zu der Strandung beigetragen haben…

Zu denken gibt jedoch, dass sich die KATJA mit nur 13,45 m Tiefgang nach derzeitigem Kenntnisstand schon „1,5 bis 2 Schiffsbreiten“ – also 40 bis 60 Meter – außerhalb der 300 Meter breiten Fahrrinne festgefahren hat. Der Havariezeitpunkt am 14.08. kann zwischen 00:45 und 01:00 Uhr (das war ca. 3 Stunden vor Niedrigwasser) eingegrenzt werden. (Am 14.08. um 03:48 Uhr war Niedrigwasser am Pegel Wangerooge Ost) In dieser Tidephase liegt die Wassertiefe dort ca. einen Meter über der ‚bedarfsgerechten Solltiefe’ von 18 Metern in der Fahrrinne – also bei 19 Metern.

Aus den vorgenannten Angaben lässt sich ein Böschungswinkel zwischen dem Trassenrand und der Strandungsposition der KATJA von 1:7,3 bei 40 m und 1:10,9 bei 60 m Trassenabstand errechnen. Es geht dort also unverhältnismäßig steil bergan. Und diese Position liegt noch weit – nämlich rund 100 Meter – von der seitlichen Tonnenbegrenzung des insgesamt 600 Meter breiten Fahrwassers entfernt. Welche Wassertiefe mag dort wohl am Fahrwasserrand vorhanden sein?

Im Fahrwasserabschnitt des Strandungsbereichs wird übrigens seit dem 22.08. gebaggert. Die Arbeiten dauerten bei Fertigstellung dieses Artikels am folgenden Tag noch an…

Angesichts des künftig (z.B. durch den JadeWeserPort) steigenden Verkehrsaufkommens an kleineren, als Feeder für Nord- und Ostseehäfen eingesetzten, Küstenschiffen muss die Frage erlaubt sein, bis zu welchem Tiefgang diese die jeweils 150 Meter breiten, sich seitlich an die 18 Meter tiefe Fahrrinne anschließenden Fahrwasserstreifen noch sicher befahren können?!  Dass die Schifffahrt darauf aufmerksam gemacht werden muss, dass im Tonnenstrich (also am Rand) z.B. des Wangerooger Fahrwassers Tiefen von 5,50 Metern gepeilt worden sind (aus Bekanntmachung für Seefahrer 10/10, WAS Wilhelmshaven 14.04.2010), muss durch regelmäßige Unterhaltsbaggerungen verhindert werden. Es kann nicht angehen, dass die künftig wegen des JadeWeserPorts zunehmende Küstenschifffahrt wegen mangelhafter Unterhaltung der Seitenräume des Jade-Fahrwassers auf das Befahren der Trasse angewiesen ist.

Oder anders herum: Wie will man künftig noch ein absolutes Begegnungs- und Überholverbot in der Jade-Fahrrinne ohne Wartezeiten für die Schiffe sicherstellen, wenn neben dem bestehenden Verkehrsaufkommen zusätzlich auch noch Containerschiffe vom Mega-Carrier bis zum Feederschiff auf die vertiefte Fahrrinne angewiesen sind?

Für eine sichere Verkehrsführung auf der Jade wird es unumgänglich sein, die sogenannte ‚Bedarfsorientierte Fahrwasserunterhaltung’ rechtzeitig wieder von 250 Metern auf die planfestgestellte Fahrrinnenbreite von 300 Metern zu erweitern und darüber hinaus eine durchgängige Mindestsolltiefe für die beiden Seitenstreifen des Jade-Fahrwassers vorzuhalten. Daran wird man wohl zur Gewährleistung der Sicherheit und Leichtigkeit des sich bald nach Anzahl und Größendimension steigernden Schiffsverkehrsaufkommens nicht vorbei kommen.

 Jochen Martin


 

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