Hat die WASG noch eine Chance? – eine Frage, die sich viele Funktionäre, Mitglieder, Sympathisanten und Beobachter dieser jungen Partei stellen. Der „normale“ Wähler wird dieses Problem mehrheitlich nicht sehen. Er nimmt die WASG nach dem Wahlerfolg ihres Wahlbündnisses mit der in „Linkspartei“ umbenannten PDS kaum wahr.Wenn Berichte in der bürgerlichen Presse erscheinen, geht es oft nur um die Probleme rund um die bis 2007 geplante Fusion.
Gehen wir einmal ein Jahr zurück: In der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit finden sich sozial Engagierte, Mitglieder aus sozialen Bewegungen, Globalisierungsgegner, Christen, Gewerkschaftler, enttäuschte Grüne und Sozialdemokraten, Vertreter der „linken“ Intellektuellen und unterschiedlicher linker Gruppierungen bis zu politisch bisher wenig Aktiven und zum Teil Betroffenen zu der Parteigründung zusammen. Einigkeit besteht in der Ablehnung der herrschenden neoliberalen Politik, unter anderem der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze. Auch verbinden alle eine pazifistische Grundhaltung, der Wille zu einem basisdemokratischen Organisationsaufbau und ökologische Grundsätze. Ausgeklammert bleiben die sonst in der Linken übliche grundlegende Gesellschaftskritik und eine Aussage über die anzustrebende künftige Gesellschafts- oder Wirtschaftsform. Die PDS ist ihnen keine entsprechende Alternative. Vorrangige Ziele sind eine Oppositionspolitik, die außerparlamentarische Aktivitäten unterstützt, und die Rückkehr zum Sozialstaat.
Kaum gegründet, ohne finanzielle Ausstattung und mit großem Mitgliederzulauf steht die WASG schon wenige Monate später vor der Aufgabe der vorgezogenen Bundestagswahl. Dann kommt Oskar, der, ohne dass er bis dahin an diesem Projekt mitgearbeitet hat, die neue Partei an die Hand nimmt und sie mit einer Urabstimmung nicht nur in ein Wahlbündnis, sondern auch in einen Parteibildungsprozess mit der PDS führt. Die PDS musste nicht viel dazu tun. Es reichte, sich in „Linkspartei“ umzubenennen. Dies geschieht auch auf Druck vieler WASGler und erweist sich m.E. jetzt als Glücksgriff für die PDS. Was waren die Gründe für die PDS, dieses Angebot anzunehmen? Ich möchte Antworten nicht abschließend oder mit dem Anspruch auf Vollständigkeit in Frageform darstellen.
♦ Nützt oder schadet der PDS eine neue Partei zwischen SPD/Grünen und ihr?
♦ Bestand die Gefahr, wieder nicht in Fraktionsstärke in den Bundestag einzuziehen?
♦ Musste sie ihre Programmatik oder Regierungsbeteiligung dafür in Frage stellen?
Drei Probleme hat die WASG durch die Urabstimmung heute in jedem Fall mehr:
Erstens hat sie ohne ein eigenes gefestigtes pragmatisches Profil auch keine Medienöffentlichkeit mehr. Der bisher große Mitgliederzuwachs bleibt jetzt aus. Zweitens hat die Linkspartei ihr nahe stehende Personen in der WASG von der Doppelmitgliedschaft überzeugt. Eigentlich war dies nur als Instrument in der Gründungsphase für Vertreter vieler linker Gruppen gedacht und wurde dann im Wahlkampf zur Sicherung der Wahlteilnahme genutzt. Im schwierigen Parteibildungsprozess scheint dies jedoch absolut kontraproduktiv, fördert es die großen Vorbehalte der meisten WASGler gegenüber die Verhandlungsbereitschaft und notwendigen Änderungsbereitschaft der Linkspartei. Drittens haben sich während und nach der Wahl auch bei der WASG nicht nur glaubwürdige Vertreter engagiert. Einige Karrieristen haben sich in den Vordergrund gedrängt, die ihren politischen Standpunkt nach den Erfolgsaussichten und erzielten Ergebnissen ausrichten und wechseln. Der daraus folgende Richtungskampf oder die Zerreißprobe, die in sozialdemokratischen, sozialistischen und kommunistischen Parteien üblich sind, kann man jetzt in der WASG, z.B. auch in Niedersachsen, beobachten. Alle Mittel, alten Linken bekannte undemokratische und auch moderne wie Massenmails mit beschimpfendem Inhalt, werden genutzt. Viele Mitglieder verlassen nun aus den vorgenannten Gründen und wegen der fehlenden pragmatischen Diskussion frustriert die WASG. Und zu allem Überfluss drängen Bundesvorstand und die meisten führenden Vertreter der WASG auf eine schnelle Fusion, ohne aber den Diskussionsprozess einzuleiten. Die Linkspartei versucht gleichzeitig überall, wo es möglich erscheint, zu nächsten Wahlen unter eigener Flagge anzutreten. Sie will das Heft in der Hand behalten. Wie kann sich die WASG aus diesem Bermuda-Dreieck retten?
Der Ruf nach einem breiten linken Bündnis unter Einbeziehung alle Linken oder sozial engagierten politischen Einzelpersonen oder Gruppierungen erscheint mir, ohne eigenes pragmatisches Profil, eher als Zeichen der Hilflosigkeit. Interessierte Einzelpersonen werden bei der derzeitigen Lage erst den weiteren Verlauf dieses Parteibildungsprozesses abwarten, und andere, z.B. Attac-Aktivisten, wollen wohl kaum ihre ganze Gruppe in die Partei einbringen. Sie wollen/sollten doch wohl mit außerparlamentarischen Aktivitäten die Stimmung im Land ändern und so auf alle Parteien verändernd bzw. fördernd wirken. Erfolgreiche kommunale Wählergemeinschaften/Initiativen sind sicher ein Anfang für ein breites linkes Bündnis. Sie werden nicht von Parteien dominiert, besonders nicht in Wilhelmshaven, Friesland und Wittmund.
Und wir – die Mitglieder der WASG – müssen endlich nicht nur sagen, was wir wollen, sondern diskutieren und postulieren, was wir wollen. Dann hat eine eigenständige WASG eine Zukunft. Und schaffen wir es dann auch noch, mit der Linkspartei eine gemeinsame Partei zu gründen, in der sich viele wiederfinden können, hat auch eine breite Linke eine Zukunft. Ein Kampf untereinander gibt den Rechtsradikalen neue Chancen, und das müssen wir, ob in zwei Parteien oder in einer, in jedem Fall verhindern!
Dirk Metzner, Mederns 19,26434 Wangerland
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