Landstrom
Sep 082009
 

Ökologischer Zukunftshafen

Der Landstromversorgung von Schiffen am JWP liegen Hindernisse im Weg

(jm) Schlagzeilenträchtig verkündete der Geschäftsführer der JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft Axel Kluth, dass der JadeWeserPort (JWP) in ökologischer Hinsicht ein Zukunftshafen werden solle. Dazu erklärte er anlässlich eines Besuchs des Nds. Umweltministers Hans-Heinrich Sander an der Jade Ende Juli, dass schon beim Bau die Voraussetzungen dafür geschaffen würden, dass Schiffe mit Landstrom versorgt werden könnten und nicht mehr ihre Maschinen laufen lassen müssten.

Ob es sich bei den besagten Voraussetzungen um mehr handelt als um die rechtzeitige Verlegung von Leerrohren auf dem Hafengroden, bevor der aufgespülte Sand unter einer Asphalt- bzw. Betondecke verschwindet, bleibt dabei offen. So ist z.B. nicht bekannt, ob Herr Kluth von Herrn Sander schon mal damit beauftragt worden ist, zu sondieren, welche Anschlusstechnik für die Einspeisungen in die unterschiedlich ausgelegten Stromnetze der Schiffe am geeignetsten ist und wie man die künftigen Umschlagunternehmen und Schiffsreeder dazu bringen kann, den Landstrom auch anzunehmen. Solchen Bemühungen könnte man entnehmen, wie ernst es der Landesregierung mit ihrer als „Ökologischer Zukunftshafen“ titulierten Option tatsächlich ist. Inzwischen kann niemand mehr die Augen davor verschließen, dass die Schifffahrt durch ihr Wachstum sowie den Einsatz hochgiftiger Brennstoffe inzwischen zum größten Umweltverschmutzer in Europas Küstengewässern aufgestiegen ist. Die Freiheit der Meere und die Flaggenimmunität erlauben es den Reedern immer noch, schwimmende Müllverbrennungsanlagen zu den Häfen zu schicken. Und falls sich die Vorhaben und Prognosen für die Zukunft des „einzigen deutschen Tiefwasserhafens“ bewahrheiten sollten, wird sich solcherart Schiffsverkehr auf der Jade allein schon durch die Containerschiffe verzweieinhalbfachen. Hinzu kommen Flüssiggastanker für die NWO, mehr Kohlefrachter für die Niedersachsenbrücke, weitere Öltanker für die WRG. Außerdem hat die E.ON-Ruhrgastochter DFTG eine Genehmigung für eine Umschlaganlage für Flüssiggastanker. Bereits Mitte Dezember letzten Jahres hatten sich 10 Wilhelmshavener Umweltvereinigungen zusammengetan und an die Landesregierungen von Niedersachsen und Bremen, die JadeWeserPort Realisierungsgesellschaft sowie die künftigen Terminalbetreiber Eurogate und Maersk einen Brief mit folgendem Inhalt gerichtet (Auszug): „Eine Möglichkeit zur Emissionsminderung besteht bei den Schiffen, die zukünftig in Wilhelmshaven am JWP festmachen sollen: Indem sie ihre Hilfsdiesel (Motorgeneratoren) an Bord während der Hafenliegezeit abschalten und stattdessen ihren benötigten Strom von Land beziehen. An der JWP-Kaje wird mit jährlich rund 2.000 Schiffsankünften gerechnet. Zum Vergleich: Im Jahre 2007 liefen Wilhelmshaven insgesamt 1.313Tanker und Trockenfrachter an. Zwar müssen ab 2010 lt. EU-Richtlinie 2005/33/EG alle Schiffe, die in einem EU-Hafen liegen, Schiffstreibstoffe mit 0,1% Schwefelgehalt verwenden. Doch zum Vergleich: An deutschen Tankstellen gibt es keine Kraftstoffe mehr, die mehr als 10 ppm bzw. 0,001% Schwefel enthalten. Mithin dürfen Schiffe in EU-Häfen nach 2010 immer noch 100mal schwefelhaltigere Treibstoffe einsetzen als die Kfz auf unseren Straßen. Noch krasser ist die Diskrepanz zwischen Kfz-Kraftstoffen und dem gemäß Internationalem Übereinkommen zur Verhütung von Meeresverschmutzungen durch Schiffe (MARPOL) einzuhaltenden Schwefelanteil (von 4,5% weltweit) bzw. 1,5% für Nord- und Ostsee. Dieser soll in diesen als „Sulphur Emission Control Areas“ (SECAs) bezeichneten Gebieten bis 2010 auf 1 Prozent und bis 2015 auf 0,1 Prozent sinken. Für die Meeresgebiete außerhalb von Nord- und Ostsee soll der zulässige Schwefelgehalt von derzeit 4,5 Prozent bis 2012 auf 3,5 und bis 2020 auf 0,5 Prozent gesenkt werden. Der Beschluss des zuständigen IMO-Ausschusses „Maritime Enviromental Protection Committee“ (MEPC) soll zwar 2010 in Kraft treten, muss aber erst noch gefasst werden! Doch noch sei nicht genau abzusehen, ob Treibstoff mit einem derart geringen Schwefelanteil in ausreichenden Mengen verfügbar sein wird. Die neuen Regeln würden deshalb 2018 noch einmal auf ihre Umsetzbarkeit überprüft. Übrigens hat die EU für die emittierten Stickoxide, Feinstäube, die darin enthaltenen Schwermetallen und VOC keine Grenzwerte festgelegt – auch nicht für die  Lärmemissionen.

Wir stellen fest: Durch die landseitige Stromversorgung der an der JWP-Stromkaje liegenden Containerschiffe kann eine der zusätzlichen – durch die Hafen-, Kraftwerks- und Industrieausbauten – auf die Jade-Region zukommenden Lärm- und Schadstoffbelastungen unterbunden werden. In der Gesamtbilanz wird von einer Reduktion von bis zu 90% durch die schärferen Abgasregulierungen von Landkraftwerken ausgegangen. Durch den angestrebten vermehrten Einsatz von Ökostrom ließe sich die Reduktionsbilanz weiter Richtung 100% erhöhen!“

An die Stadt Wilhelmshaven haben sich die Vereinigungen übrigens nicht gewandt, weil unser OB Eberhard Menzel zuvor schon klargemacht hatte, dass die Stadt von der Landstromversorgung für Schiffe nichts hält. So führte er u.a. in Beantwortung einer Kleinen Anfrage der LAW an,  dass es „…fraglich (sei), ob die landseitigen Energiekapazitäten überhaupt ausreichten, um die Schiffe mitzuversorgen. ‚Eventuell müssten noch mehr Kraftwerke gebaut werden.’“ (WZ, 11.10.08) Der gleiche Unsinn steht sinngemäß im Jahresbericht 2006/2007 des Zentralverbandes der deutschen Seehafenbetriebe. Die Angeschriebenen, die – bis auf Eurogate und Maersk – alle antworteten, schlugen durchweg einen freundlichen Ton an – in der Sache kam aber nichts Konkretes dabei heraus. So schrieb der damalige Nds. Verkehrsminister Walter Hirche u.a.:  Das Thema ist mir grundsätzlich bekannt. Unbestritten wäre die Landstromversorgung die derzeit beste Möglichkeit, die Emissionen in Häfen deutlich zu reduzieren. Auch technisch wäre diese Lösung im JadeWeserPort möglich, gerade auch vor dem Hintergrund der in Wilhelmshaven vorhandenen und entstehenden Kraftwerke. Problematisch bleiben allerdings die bereits von Ihnen angesprochenen vergleichsweise hohen Aufwendungen für die Investitionen und die Kosten für den Verbrauch. Nach hier vorliegenden Erkenntnissen ist eine Refinanzierung bisher nicht ansatzweise möglich.

Axel Kluth berichtete darüber hinaus, dass „…wir diese Möglichkeit bei uns ernsthaft hinsichtlich einer wirtschaftlich möglichen Umsetzung prüfen, was natürlich auch die Möglichkeit der Inanspruchnahme durch im JWP abzufertigende Containerschiffe einbeziehen muss. Sobald uns entsprechende Erkenntnisse, auch aus den genannten Häfen, vorliegen, kann über diese Thema berichtet werden.“

Der Bericht steht allerdings noch aus, woraus zu schließen ist, dass besagte Erkenntnisse noch nicht erarbeitet wurden.

  •       Das Thema Schiffsemissionen verbleibt jedoch schon wegen laufend neuer Entdeckungen auf der Tagesordnung: Aus dem Auftragsgutachten „Immissionsprognose Luftschadstoffe“ für die Raffineriebetreiberin WRG, die der TÜV Nord im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens „Wilhelmshaven Upgrader Project“ (WUP) erstellt hat, geht hervor, dass ein Teil des Voslapper Grodens durch Schadstoffe, die von Schiffsabgasen herrühren, maßgeblich belastet wird. Wörtlich heißt es darin: „Für den Voslapper Groden Nord bzw. für den Voslapper Groden Süd wurden die maximalen Immissionsbeiträge durch die WRG dargestellt. Diese maximalen Werte treten jeweils an den Grundstücksgrenzen im Norden und Süden auf. Maßgeblich für die Belastung mit NO2 und SO2 im Beurteilungsgebiet sind die Schiffsemissionen.“
  •       Kürzlich meldete die „Tageszeitung“ (15.08.09): In der Schwerölbranche wimmelt es von skrupellosen Schwindlerfirmen, berichtet Knut-Helge Knutsen der norwegischen Technikzeitschrift Teknisk Ukeblad. Diese ließen sich von der Industrie gut dafür bezahlen, dass sie deren Öl- und Chemieabfälle abnehmen. Die mischten sie dann in das Schweröl und könnten statt der ursprünglichen Menge von beispielsweise 10.000 Tonnen auch gleich noch für 10.500 Tonnen abkassieren. Dass aus dem ohnehin giftigen Schweröl danach ein noch viel problematischerer Giftcocktail entstanden ist, interessiert nicht nur diese Firmen nicht, sondern auch die zuständigen Behörden bislang viel zu wenig.“

Die 10 Wilhelmshavener Umweltvereinigungen werden am Ball bleiben. Um in dieser Angelegenheit etwas bewegen zu können, muss es ihnen gemeinsam mit weiteren hiesigen Bürgerinnen und Bürgern in einem ersten Schritt gelingen, einen Großteil unserer Ratsvertreter davon zu überzeugen, dass die Stadt ihre passive Haltung zugunsten eines aktiven Einsatzes für den Anschluss der Schiffe an eine Landstromversorgung aufgibt.

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