Hartz IV+Recht
Sep 082009
 

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Allerlei Neues

(noa) Die Monatsversammlung der Arbeitsloseninitiative am 11. August stand ganz im Zeichen von „Hartz IV und Recht“: Es wurden jüngere Urteile und sonstige Neuerungen im Zusammenhang mit dem Sozialgesetzbuch II erläutert.

Versicherungspauschale
„Es wird in die Taschen derer gegriffen, die auf Hartz IV angewiesen sind“, beklagte Ernst Taux eine ministerielle Verordnung vom 23.07.09, in der es um die Versicherungspauschale geht. „Von dem Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger und von dem Einkommen minderjähriger Hilfebedürftiger, soweit diese nicht mit volljährigen Hilfebedürftigen nach § 7 Abs. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch leben,“ ist „ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind“, abzusetzen. Dies trifft auf Kinder zu, deren Einkommen (Kindergeld, Unterhalt bzw. Unterhaltsvorschuss und Wohngeld) den Regelsatz übersteigt, die also nicht in Bedarfsgemeinschaft mit ihrer Familie leben. Und die allein erziehenden Mütter oder Väter dieser Kinder haben ebenfalls Einkommen in Form der den Regelsatz übersteigenden Einkünfte ihres Kindes. Sowohl beim Kind als auch beim Elternteil sind also 30 Euro vom Einkommen abzuziehen, bevor es auf den Regelsatz angerechnet wird. Die neue Verordnung macht diesen Abzug nun davon abhängig, dass im Haushalt des betreffenden Kindes tatsächlich eine Versicherung eigens für das Kind vorhanden ist – eine Familienversicherung soll nicht gelten. Erst kurz bevor diese Verordnung erging, hat das Bundessozialgericht in einer Einzelfallentscheidung bekräftigt, dass die Versicherungspauschale von 30 Euro sowohl beim Kind als auch beim Elternteil vom Einkommen abzuziehen ist – obwohl es im vorliegenden Fall nicht einmal Versicherungen gab (B 4 AS 39/08 R vom 13.05.09). Das Job-Center in Wilhelmshaven hat sofort bei neuen Bescheiden die Versicherungspauschale nicht mehr berücksichtigt – eine Einkommenseinbuße von 30 Euro. Widerspruch und ggfs. Klage werden ergeben, ob die neue Verordnung hält.

GEZ: eine Erleichterung
Seit Juli 09 liegt dem Alg II-Bescheid eine Bescheinigung für die Gebühreneinzugszentrale bei. Es wir künftig nicht mehr notwendig sein, alle halbe Jahre eine beglaubigte Kopie des Bescheides nach Köln zu schicken. Gut.

Nahtloser Alg II-Bezug
Nach einem Urteil des Sozialgerichts Stuttgart muss der Bezug von Arbeitslosengeld nahtlos weitergehen, selbst wenn ein Hilfeempfänger einmal die rechtzeitige Abgabe des Folgeantrages verbaselt. Nach Startschwierigkeiten zu Beginn der Gültigkeit von Hartz IV hat es sich ja ganz gut eingespielt, dass HilfeempfängerInnen rechtzeitig an den Folgeantrag erinnert werden, aber ab und zu klappt das dann doch nicht. Und wenn man z.B. mit dem Job-Center die Vereinbarung geschlossen hat, dass die Miete direkt zum Vermieter geht oder die GEW-Abschläge direkt an GEW überwiesen werden, würde man erst an der Mahnung der Wohnungsbaugesellschaft oder des Energielieferanten merken, dass etwas schiefgegangen ist (so etwas ist in Wilhelmshaven schon vorgekommen!).

Vermögensfreibetrag
Jeder und jede Hilfeberechtigte nach dem SGB II darf ein Vermögen von 150 Euro pro Lebensjahr besitzen. Nehmen wir mal an, ein Hartz IV-berechtigter Vater hat dieses Vermögen für sich selbst und seine Kinder zusammen auf einem Konto. Dann kann es passieren, dass er den Vermögensanteil seiner Kinder erst einmal für den Lebensunterhalt verbrauchen muss. Nach einem BSG-Urteil, das ebenfalls am 13.05.09 erging, muss das Vermögen auf den Namen dessen, dem es gehört, angelegt sein. Also: Das Spargeld für das Kind gehört auf ein Sparbuch, das auf den Namen des Kindes ausgestellt ist! Und: Eine betriebliche Altersvorsorge gehört nicht zum verwertbaren Vermögen! Das hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz festgestellt. Es scheint so, als hätte ein Job-Center tatsächlich versucht, einem Hartz IV-Empfänger auch dieses Geld aus der Tasche zu ziehen!

Kosten der Unterkunft
Wir haben in den beiden letzten Gegenwind-Ausgaben von den neuen „Miethöchstgrenzen“ à la Wilhelmshaven berichtet. Die Stadt Wilhelmshaven hat, veranlasst durch das LSG-Urteil vom 11.12.08, gegen das das Job-Center Revision eingelegt hat, neu gerechnet. Die neuen Obergrenzen liegen einige Euro über den alten, bis zum 30. Juni geltenden, aber weit unter denen, die das Landessozialgericht für angemessen erkannt hat. Am 23. Juli hat eine Hilfeberechtigte beim Job-Center nachgefragt und die alten Beträge genannt bekommen. Sollte der Sozialdezernent vergessen haben, seine neue Berechnung dem Job-Center mitzuteilen? Werner Ahrens empfiehlt jedenfalls denen, die ihre Miete nicht voll gezahlt bekommen, folgendes Vorgehen: Wer einen Bescheid hat, der über den 1. Juli hinausgeht, sollte nach dem Änderungsbescheid fragen, denn ein solcher muss ergeben, wenn sich etwas ändert.

Kabelanschluss
Sofern im Mietvertrag die Zahlung von Kabelgebühren durch den Mieter vereinbart ist, gehören diese Gebühren zu den Kosten der Unterkunft und müssen vom Job-Center übernommen werden. Das hat das Bundessozialgericht am 19.02.09 festgestellt.

Kontoauszüge
Vom selben Datum ist das BSG-Urteil, demzufolge das Job-Center die Vorlage der Kontoauszüge der letzten drei Monate verlangen kann. Da man aber nicht unbedingt möchte, dass die Behörde weiß, wofür man seine paar Kröten ausgibt, dürfen die Empfänger von Zahlungen auf den Auszügen geschwärzt werden; es reicht, wenn die Überweisungsbeträge lesbar sind.

Kleinvieh macht auch Mist
Die Warmwasserpauschale ist erhöht worden. 6,79 Euro beträgt sie jetzt für einen allein lebenden Hartz IV- Empfänger (je 6,11 Euro in einer Zwei-Personen-Bedarfsgemeinschaft, 5,43 Euro/4,75 Euro/4,07 Euro für Kinder – je nach Alter). Sie wird von den Heizkosten, die ansonsten voll zu erstatten sind, abgezogen. Der Unterschied zur vorigen Höhe beträgt bei allein Lebenden 26 Cent, bei den anderen Personengruppen etwas weniger. Es mutet kleinlich an, darüber zu klagen. Doch: Insgesamt holt der Staat sich auf diesem Weg über eine Mio. Euro monatlich aus den Taschen der Ärmsten.

Revision schon im September?

In der letzten Sitzung des Sozialausschusses wurde gesagt, dass die Revisionsverhandlung bezüglich des KdU-Urteils schon am 22. September dieses Jahres stattfinden soll. Wir konnten diesen Termin nicht verifizieren (auf der Internetseite des Bundessozialgerichts gibt es eine Terminvorschau, und da steht zwischen dem 2. und dem 30. September nichts), aber Alfred Kroll, Anwalt des Klägers in dem zur Verhandlung stehenden Fall, weiß jedenfalls, dass es noch in diesem Jahr passieren wird. Vielleicht können wir schon in der nächsten Ausgabe darüber berichten. (noa)


Nächste ALI-Versammlung
Die Sozialgerichte sind bundesweit mit den anhängigen und eingehenden Klagen zum Arbeitslosengeld II (Harz IV) überlastet. Viele Bescheide sind für die betroffenen Menschen immer noch nicht verständlich bzw. nachvollziehbar. Welche Fehler auftreten können und wie bei diesen Fehlern reagiert werden muss, wird die Arbeitsloseninitiative (ALI) in der öffentlichen Monatsveranstaltung am Dienstag, den 08. September 2009 um 10.00 Uhr im Gewerkschaftshaus in der Weserstr. 51 behandeln. Hierzu hat die ALI Herrn Hartwig Karasch, Rechtsanwalt aus Wilhelmshaven, eingeladen, der über seine Erfahrungen mit diesem Thema referieren wird. 

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