JadeWeserPort 1
Aug 022000
 

Nebulöse Diskussion um Tiefgänge

Perspektiven der Schiffsgrößenentwicklung in der Containerschifffahrt hieß das Expertenthema am 6./7. Juni im Pumpwerk

(jm) Ein deutscher Tiefwasser Container Terminal muss her. Darüber waren sich auf dem Kolloqium der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft fast alle einig. Das war allerdings alles andere als überraschend. Schon der Einführungstext im Veranstaltungsprogramm war eine vorweggenommene Zusammenfassung dessen, was bei der Veranstaltung herauskommen sollte.

Der gewählte Ausgangspunkt ist zunächst so einleuchtend wie simpel: wachsende Container-Transportmengen verlangen größere Schiffe! – Nur gibt es da ein kleines Hindernis zu überwinden: Seit langem ist bekannt, dass ein 8.000 TEU Schiff nur noch um 11% billiger betrieben werden kann als zwei „4.000er“. Das liegt an den überproportional steigenden Investitions- und Reparaturkosten, die nicht mehr durch Einspareffekte bei Besatzungs- und Brennstoffkosten aufgefangen werden können. Auf dem Kolloquium war ergänzend zu erfahren, dass die angepeilte 5. Containerschiffgeneration (Mega Carrier) bei Überschreiten einer Ladefähigkeit von 10.000 TEU unrentabel wird.
Bei den schiffsinternen, von dem Reeder durch Wahl der Schiffsgröße beeinflussbaren Kosten ist der Endpunkt der Schiffsgrößenentwicklung markiert (s. Abbildung). Doch wenn man größere Schiffe trotzdem will – und das wollen viele: Projektentwickler, Werften, Maschinen- und Hafenbauer, Investitionsgüterindustrien und Zulieferbetriebe, Banken usw. – dann muss man eben an die externen Kosten für die herbeigeredeten Mega Carrier ran. Und das sind die Hafenkosten.teu1

Zwei Möglichkeiten fasst man dabei ins Auge:

1. Reduzierung der Hafenanläufe

Der Geschäftsleiter der Firma Eurogate, Thomas Eckelmann, der dem Vernehmen nach schon einen Vorvertrag als künftiger Betreiber eines Container Terminals an der Jade abgeschlossen hat, meint, dass eine 6. Containerschiffgeneration mit 16 m Tiefgang weltweit nur noch 10 Häfen anlaufen wird, davon in der Nordrange nur noch Rotterdam und Wilhelmshaven.
Abgesehen davon, dass für die Passage des Suezkanals der maximal zulässige Tiefgang für einen 55 m breiten Mega Carrier bei 14,80 m liegt, war es schon immer das Bestreben der Reeder, ihr Schiff möglichst in einem Hafen voll zu bekommen. Mitte der 80er Jahre prognostizierte man z.B., dass rund um dem Globus rotierende Containerschiffe nur noch einen oder zwei Haupthäfen in Asien, Nordamerika und Europa anlaufen würden. Daraus ist nichts geworden, weil die zahlreichen anderen an den Transportnetzen mitstrickenden Akteure und unkoordinierte Hafensubventionspolitik es bisher verhindert haben, die Containertransporte über weniger Häfen laufen zu lassen. Im Gegenteil: Die Zahl der Hafenwettbewerber, die mit harten Bandagen und rüder werdendem Ton um Ladungsanteile kämpfen, wird größer statt kleiner. Und Schiffe müssen nun mal dahin fahren, wo die Ladung liegt. Nur wenn die Konzentrationsprozesse in der Transportwirtschaft von markt- zu planwirtschaftlichen Strukturen übergehen, rückt die Eckelmannsche Prognose in den Bereich des Möglichen.

2. Reduzierung der Hafenkosten

Durch Verkürzung der Hafenliegezeit ließe sich die Rentabiltätsgrenze für die Größenentwicklung der Mega Carrier nach oben verschieben. Dies ist durch die Erhöhung der Hafenproduktivität möglich. Leistungsfähigere Terminals mit einer Verdoppelung der Umschlaggeschwindigkeit wären für diese Schiffe erforderlich. Nicht berücksichtigt hat der vortragende Prof. Dr. Heiner Hautau, dass die jetzt in Fahrt befindlichen bzw. die jetzt allmählich in Auftrag gegebenen 8.000 TEU Jumbos davon auch profitieren würden. Deshalb lässt sich für die an die Wand gemalten Mega Carrier daraus kein Kostenvorteil ableiten. Und wegen dieser Pattsituation bei den Hafenkosten zwischen Jumbos und Mega Carriern verbleibt die Rentabilitätsgrenze unverrückt abgesteckt bei 10.000 TEU.

Ein weiteres heißes Eisen: Die Tiefgangsentwicklung:

Im Gegensatz zu den Kaufleuten Thomas Eckelmann (s.o.) und John H. Niemann, Präsident der Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung (WHV) gingen die Wissenschaftler[1] mit Tiefgangsprognosen behutsam um und setzten die Tiefgangsentwicklung lieber verallgemeinernd in Beziehung zur Größenentwicklung der Schiffe. Immerhin traute sich einer, eine Entwicklung Richtung 15 m zu prognostizieren.
Aber die beiden Kaufleute waren ja auch gerade auf Hafenrundfahrt zur Besichtigung ihres Projekts „JadeWeserPort“, als das Thema von den Fachgelehrten etwas aufs Renommee bedachter abgehandelt wurde. Niemann kam nämlich einen Tag später sogar auf 16,50 m Tiefgang und fügte hinzu: Reeder sagen der WHV, die Tiefgänge (auf Elbe und Weser, der Verf.) sind nicht mehr haltbar.
Verständlich, dass John H. Niemann neben seinen Aufgaben als Chef einer großen Schifffahrtsagentur, der seine Freizeit in streitbarer Mission für den JadeWeserPort opfert, nicht auch noch jedes Detail aus der eigens dazu erstellten Machbarkeitsstudie kennen kann:
Darin ist die erwartete Dimension für Super-Jumbo-Containerschiffe mit einem Tiefgang von 14,5 – 15 m bei einer Kapazität von 8.500 – 11.000 TEU angegeben.
Doch nicht mal diese Tiefgänge werden erreicht, wie sich in einer Diskussionsrunde offenbarte. Ein Teilnehmer aus dem Publikum hatte moniert, dass bei den Tiefgangsangaben immer die Konstruktionstiefgänge genannt würden, dagegen wäre Prof. Dr. Poehls in seinem Vortrag von einer erheblichen Minderauslastung der Schiffe ausgegangen, die auf erheblich geringere Ladungstiefgänge schließen ließen. Ein zweiter Diskussionsteilnehmer sekundierte, es werde beim Ladegewicht mit einem Durchschnittsgewicht von 14 t/TEU gerechnet – die Hafenumschlagstatistiken von Bremerhaven und Hamburg wiesen aber durchschnittlich 11 t/TEU aus. Allein dies sei ein ganz erheblicher Unterschied im Ladungsgewicht des Schiffes. Der werde noch dadurch vergrößert, dass die Schiffe nicht zu 100% voll beladen werden könnten. Diese ladungsbedingten Tiefgangsabschläge würden so hoch ausfallen, dass auch die Super-Jumbo-Containerschiffe weiter tideunabhängig nach Bremerhaven und Hamburg fahren könnten. Außerdem seien Bremerhaven und Hamburg die Endhäfen in der Nordrange, die die jetzt schon in Fahrt befindlichen Jumbos der Reederei Maersk nur noch teilbeladen anlaufen und teilbeladen wieder verlassen würden. Zum Abschluss richtete er die Frage an Prof. Dr. Zachcial, ob er einen deutschen Tiefwasser Container Terminal für erforderlich halte?! Worauf dieser etwas konsterniert antwortete: Wir brauchen ja auch Flächen!
Eine weitere Erörterung dieses Punktes wurde durch ein flammendes Plädoyer für einen deutschen Tiefwasser-Terminal, das den braven Beifall des Publikums fand, verhindert.
Das ist nicht weiter verwunderlich, denn das Publikum setzte sich aus Personen zusammen, die durch ihre Berufe bzw. Geschäftsbeziehungen in ihrer Meinung interessengebunden festgelegt sind. So traten John H. Niemann und Hubertus Ritzke, Hauptgeschäftsführer vom Unternehmensverband Hafen Hamburg mit ihren Wortbeiträgen denn auch als Antipoden auf: Niemann schmeckte es überhaupt nicht, dass Ritzke vorläufig keinen Handlungsbedarf für eine positive Entscheidung über eine Tiefwasserhafen erkennen wollte, und hielt mit bereits o.a. Behauptungen dagegen.
Ritzke sah Hamburgs Zukunft durch bedarfsgerechte Umstrukturierung des Hafens und der Vorhaltung großer Hafenerweiterungsflächen in Francop und Moorburg für die Zukunft gewappnet. Abweichend vom Redemanuskript auf seine Vorredner eingehend, stellte er fest, dass die Diskussion doch sehr im Nebulösen stattfinde: Alle Vorredner hätten die Fragen zu den Schiffsgrößen nicht abschließend beantwortet, und konkret werdend: Wir haben gesehen, dass sich die Tiefgänge nicht den Schiffsgrößen anpassen werden, und an anderer Stelle: Reeder wollen sich nicht länger als fünf Jahre in ihren Planungen festlegen. Erhebliche Zweifel seien angebracht, ob die zukünftige Entwicklung seriös prognostizierbar sei. Im Gegensatz zu Niemann, der meinte, aufwändige neue Gutachten würden zu Abwanderungen zu den ARA-Häfen (Antwerpen/Rotterdam/Amsterdam) führen, begrüßte Ritzke die Vereinbarung der Küstenländer, eine Bedarfsanalyse für einen neuen Tiefwasserhafen an der Nordsee in Auftrag zu geben!

[1]Prof. Dr. Manfred Zachcial vom Instititut für Verkehrswirtschaft und Logistik, Bremen – Mitunterzeichner des Gutachtens Analyse der Umschlagpotentiale für einen Container- und Mehrzweckhafen in Wilhelmshaven und der Machbarkeitsstudie für einen Container- und Mehrzweckhafen in Wilhelmshaven
Prof. Dr. Heiner Hautau vom Institut für Verkehrswissenschaft, Universität Hamburg
Prof. Dr. Ing. Harald Poehls von der Technischen Universität Hamburg-Harburg

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