Wirkungslos?
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bringen es nicht, sagt ein Institut – das Arbeitsamt hält dagegen
(noa) „Institut: ABM-Maßnahmen nicht effektiv“ titelte die WZ am 23.6.2000 im überregionalen Teil. Eine am Vortage veröffentlichte Studie des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung[1] wurde in dem Artikel vorgestellt.
Arbeitsbeschaffungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für Arbeitslose seien weitgehend wirkungslos, in vielen Fällen sogar eher hinderlich für die berufliche Eingliederung, so habe das ZEW festgestellt. Das liege zum einen am schlechten Image, das ABM bei Arbeitgebern genieße, zum andern daran, dass in ABM oder Weiterbildung befindliche Arbeitslose sich weniger um Arbeit bemühten als andere. Insgesamt ergebe sich daraus ein „Drehtür-Effekt“: Zahlreiche Menschen wechselten von ABM in die Arbeitslosigkeit und wieder in ABM und so weiter.
Da im Arbeitsamtsbezirk Wilhelmshaven besonders viele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen durchgeführt werden, hat diese Studie für diese Gegend eine große Bedeutung. Werden hier riesige Summen für nutzlose Vorhaben verschwendet? Lässt sich der „Drehtür-Effekt“ auch in Wilhelmshaven nachweisen? Wird das Arbeitsamt Wilhelmshaven seine Politik ändern, nachdem nun festgestellt wurde, dass ABM nicht nur nichts nützen, sondern sogar schaden?
Oder sieht das Arbeitsamt die Dinge ganz anders? Wir fragten nach.
Um herauszufinden, ob es den „Drehtür-Effekt“ in Wilhelmshaven gibt, fragten wir, wie viele ABM-Stellen von Leuten besetzt wurden, die zuvor schon eine oder mehrere ABM-Stellen hatten. Dies wird jedoch nicht erfasst. Herauszufinden ist lediglich, wie viele Personen ein halbes Jahr nach Abschluss einer Maßnahme wieder arbeitslos gemeldet sind. Die nicht gemeldeten werden als „eingegliedert“ betrachtet und bilden die „Verbleibsquote“. Und da ist unser Arbeitsamt erfolgreicher als andere. Dr. Rolf Lienau: „Obwohl wir eine ungünstigere Struktur im Bereich der ABM-Beschäftigten haben als im Bundesdurchschnitt (West), sind unsere Eingliederungsergebnisse besser. Ein halbes Jahr nach Ende einer ABM sind 51,2% der Teilnehmer nicht arbeitslos. Im Bundesdurchschnitt sind es nur 47,3%.“
Ungünstiger ist die Struktur in diesem Bezirk in mehrfacher Hinsicht: Die Arbeitslosenquote ist höher, und auch der Anteil der Langzeitarbeitslosen ist mit 96,7% im Vergleich zum Bundesdurchschnitt (81,9%) erheblich höher.
Die bessere Eingliederungsbilanz erklärt Dr. Lienau u.a. damit, dass das Arbeitsamt Wilhelmshaven sich wahrscheinlich mehr um die Beschäftigten in ABM kümmert als viele andere Ämter. Außerdem nimmt das Amt zusammen mit potenziellen Maßnahmeträgern eine systematische Jahresplanung vor. Dr. Lienau: „Ich kann und will nicht beurteilen, wie andere Ämter ABM anpacken, aber ich habe Anhaltspunkte, dass wir möglicherweise einiges besser machen.“
Dass jemand zwischen ABM und Arbeitslosigkeit mehrfach wechselt, soll eigentlich nicht vorkommen. Auszuschließen ist es nach Dr. Lienau nicht, aber wenn ein Arbeitsvermittler einen Arbeitslosen für eine ABM vorsieht, der schon einmal eine ABM-Stelle hatte, muss er das besonders begründen. Wie häufig genau es tatsächlich vorkommt, war dennoch nicht zu erfahren, denn es wird statistisch nicht erfasst.
Laut ZEW-Studie sind andere Maßnahmen der „Aktiven Arbeitsmarktpolitik“ wie Überbrückungsgeld zur Förderung der Existenzgründung effektiver als ABM. Das bestätigt auch das hiesige Arbeitsamt, aber längst nicht für jeden Arbeitslosen kommt der Weg in die Selbständigkeit überhaupt in Frage. Bei den möglichen Empfängern von Überbrückungsgeld handelt es sich also um einen ganz anderen (viel kleineren) Personenkreis als um mögliche ABM-Beschäftigte – pro Jahr 160 bis 180 Fälle, von denen weniger als 20% scheitern und wieder arbeitslos werden.
Bei dieser Form der Unterstützung könne es jedoch vorkommen, dass jemand die Leistung in Anspruch nimmt, der sie eigentlich nicht zu beanspruchen hätte, so Dr. Lienau. Dieser „Mitnahmeeffekt“ könnte so aussehen, dass ein Selbständiger, der einen Zweigbetrieb eröffnen will, einen Mitarbeiter oder ein Familienmitglied damit beauftragt und dass diese andere Person erst einmal in die Arbeitslosigkeit geht, um danach das Überbrückungsgeld „mitzunehmen“. Gelegentlich „erwischt“ das Arbeitsamt so jemanden. Die in der ZEW-Studie genannten Mitnahmeeffekte bei ABM (von Seiten der Arbeitgeber wie der Arbeitnehmer) schließt unser Arbeitsamt aus.
Als eine weitere Alternative zu ABM nennt die Studie die „gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung“. Diese biete Arbeitslosen, die schwer zu vermitteln sind, bessere Chancen der Eingliederung in den 1. Arbeitsmarkt als ABM. Die einzige Institution im Arbeitsamtsbezirk, die gemeinnützige Arbeitnehmerüberlassung praktiziert, ist die GAQ; der Umfang ist weit geringer als die im Bezirk laufenden ABM.
Die Autoren der Studie gehen von einseitigen Fragestellungen aus und wenden problematische Methoden an, kritisiert das Arbeitsamt Wilhelmshaven. Sollte sie in einzelnen Punkten für andere Arbeitsämter zutreffen, so bestimmt nicht für Wilhelmshaven. Dass z.B. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen bei Arbeitgebern einen schlechten Ruf hätten und ABM-Beschäftigte deswegen schlechtere Chancen auf reguläre Stellen hätten, sei eine Annahme der Autoren der Studie, die nicht belegt werde. Was hingegen im Handlungsteil der Studie angeregt werde, sei weitgehend richtig, aber das mache man im hiesigen Amt sowieso schon – man sieht also keine Veranlassung, etwas zu ändern.
[1] Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH, Von der Finanzierung der Arbeitslosigkeit zur Förderung von Arbeit – Analysen und Empfehlungen zur Steigerung der Effizienz und Effektivität der Arbeitsmarktpolitik in Deutschland
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