Die beste Alternative?
Nicht besonders grün zeigt sich das Kommunalwahlprogramm der Wilhelmshavener Grünen
(noa) Hoffnungsträger werden kritischer begutachtet als die, von denen man ohnehin nichts erwartet hat. Die Grünen sind einst angetreten für Umweltschutz, Basisdemokratie, Frauenrechte, Rechte von Minderheiten, Frieden. Die Grünen in der Regierungsverantwortung auf kommunaler, Landes- und Bundesebene machen dagegen REALPOLITIK, die oft nichts mehr mit diesen Werten zu tun hat.
Nach der Auseinandersetzung mit der Präambel des Kommunalwahlprogramms in der Juni-Ausgabe und mit dem Kapitel Ökologie in der Juli-Ausgabe betrachten wir hier drei weitere Kapitel.
Als die Wilhelmshavener Grünen ihr Kommunalwahlprogramm schrieben, waren BSE und MKS Dauerbrenner jeder Nachrichtensendung und jeder Zeitungstitelseite, eine grüne Landwirtschaftsministerin hatte Herrn Funke abgelöst, und so konstatierten unsere hiesigen Grünen eine Wende in der Agrarpolitik, aus der sie auf kommunaler Ebene die Möglichkeiten für ein Konzept für vorsorgenden Verbraucherschutz ableiteten. Im Unterschied zu anderen Teilen ihren Programms enthält dieses Kapitel aber keine Forderungen, sondern nur Möglichkeiten. Es scheint, als glaubten sie selber nicht daran, etwas davon verwirklichen zu können; alles ist im Konjunktiv geschrieben: Zukünftig geplante Massentierhaltung sollte auf Stadtgebiet keine Mehrheit finden. – In kommunalen und staatlichen Kantinen, Krankenhäusern, Schulen und Kindertagesstätten könnten zukünftig Lebensmittel verbraucht werden, die nach dem Motto „Klasse statt Masse“ erzeugt werden usw., könnte, hätte, würde – erst beim Thema „Ernährungspolitik mit dem Einkaufskorb“ wechselt man wieder zum Indikativ: Die Verbraucher bestimmen mit ihrem Einkaufsverhalten mit, welche Produkte Erfolg haben…
Hier gibt es Forderungen in Hülle und Fülle, doch gleich die erste Keine weiteren Kürzungen im Jugendbereich mutet doch sehr bescheiden an. Sie ist überflüssig, denn die folgenden Forderungen Einrichtung von weiteren Jugendzentren…, Einrichtung von stadtteilbezogener Jugendarbeit…, Einrichtung bzw. Erhaltung von Kinderspielplätzen, Bolzplätzen und Spielstraßen gehen weiter und heben die erste auf. Diese Auswahl erscheint ziemlich beliebig, ist keineswegs typisch grün und außerdem unzureichend. Denken die Wilhelmshavener Grünen in einem anderen Kapitel ihres Wahlprogramms auch an Menschen mit Behinderungen, so fehlen diese im Jugendkapitel ganz. Wenn sie wollen, dass wir ihnen den Wunsch, Randgruppen zu integrieren, tatsächlich abnehmen, dann müssten sie auch die Einrichtung von Integrationskindergärten sowie Integrationsklassen in den Schulen, in denen Kinder mit und ohne Behinderung zusammen betreut und gefördert werden, fordern. Ebenso fehlen Gedanken zur Integration von Kindern und Jugendlichen ausländischer Herkunft. Letztere tauchen implizit wenigstens im Abschnitt über die Schulen auf, die nach dem Wunsch unserer hiesigen BündnisGrünen Ort eines toleranten Miteinanders und kultureller Vielfalt sein sollen, werden aber auch hier nicht explizit genannt.
Diesen Lücken steht übertriebene Ausführlichkeit in anderen Punkten entgegen, z.B. wenn der Zugang der SchülerInnen zu Computern wie auch der Zugang zu einem Musikinstrument gefordert wird – das ganze Kapitel wirkt, als hätten sich die VerfasserInnen am Ende unter Zeitdruck vergebens um Vollständigkeit bemüht. Das ist angesichts der guten Ansätze schade, vor allem, weil diese Details wie auch Kurze Schulwege für die Kurzen, Schaffung altersübergreifender Gruppen in Kindertagesstätten oder Mehr Zuschüsse für Hauptschulabschlusskurse von jeder anderen Partei gefordert werden könnten. Grüner ist da schon die Forderung Verantwortliche und Praxisnahe Umwelterziehung (u.a. finanzielle Unterstützung des Regionalen Umwelt Zentrums RUZ).
Zu den Themen Soziale Stadt, Ältere Generation, Behinderte Menschen, Frauen und Kultur sind im Programm zahlreiche Forderungen aufgelistet, die wohl jede und jeder unterstützen möchte und die keineswegs spezifisch grün sind. Im Abschnitt Frauen haben die Grünen ihre frühere Position aber eindeutig verraten (so dass auch hier jeder, gewiss aber nicht jede) zustimmen kann: Keine Benachteiligung bei der Vergabe von Arbeitsplätzen und Keine Benachteiligung bei der Besetzung von Leitungsfunktionen – es gab Zeiten, da wussten die Grünen noch, dass nach Jahrhunderte dauernder Benachteiligung von Frauen ein Ausgleich nur erreicht werden kann durch Bevorzugung von Frauen z.B. bei der Besetzung von leitenden Positionen, bis die Frauen aufgeholt haben. Aber vielleicht haben die Wilhelmshavener Grünen diese Meinung ja ohnehin nie geteilt?
Abgesehen davon sind alle Forderungen zu den einzelnen Themen sinnvoll. Einige sind allerdings auf kommunaler Ebene nicht durchzusetzen, weil andere Stellen als die Kommunen zuständig sind und am Geldhahn sitzen. So ist es bei der Forderung nach ausreichend Personal und psychosoziale(r) Betreuung in den Pflegeheimen, um die Wahrung der Würde hochbetagter und evtl. häufig altersverwirrter Menschen garantieren zu können, wo die Pflegeversicherung die Grenze zieht, oder Weiterbildungsmaßnahmen, um die Rückkehr (von Frauen, d. Red.) in die Arbeitswelt zu erleichtern, worüber das Arbeitsamt entscheidet.
Dem Kommunalwahlprogramm der Grünen liegt mit Sicherheit mehr Nachdenken und Diskussion zu Grunde als z.B. dem der SPD. Besonders grün ist es aber nicht.
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