Das Jahr 1990 brachte der Bundeswehr einen herben Verlust. Das lange liebevoll gehegte und gepflegte Feindbild fiel. DER RUSSE lauert nicht mehr an der Grenze, um in einem kleinen Moment der Unaufmerksamkeit der „größten deutschen Friedensbewegung“ bei uns einzufallen.Daß die Bundeswehr diesen schmerzlichen Verlust nicht allein tragen muß, sondern mit den Streitkräften aller NATO-Staaten teilt, ist kein nennenswerter Trost. „Geteiltes Leid ist halbes Leid“, das gilt hier nicht. Die anderen sind ja nicht durch unser Grundgesetz behindert. Die dürfen Krieg spielen, wo sie wollen.
Wie soll die Bundeswehr ihre eigene Existenz da noch rechtfertigen? Abrüstung droht schon wurde die Wehrdienstzeit verkürzt, die augenblicklich dienenden Wehrpflichtigen werden vorzeitig entlassen, der Bundesbildungsminister hat gar schon Anspruch auf – verwaiste Kasernen erhoben, um sie als Studentenwohnheime (!) (nicht etwa für Studierende der Bundeswehrhochschulen!) zu nutzen!
Schon vor dem NATO-Gipfel Anfang Juli in London bekamen die Public-Relations-Manager der Bundeswehr argumentative Schützenhilfe von ihrem ehemaligen obersten Dienstherrn, dem jetzigen NATO-Generalsekretär Manfred Wörner. Der warnte damals schon vor „neuen militärischen Gefahren“, die durch die „Entwicklung der Dritten Welt“ entstanden seien. Diese „gestiegenen Risiken außerhalb Europas“ lauerten im Nahen Osten und im Mittelmeerraum, „deren Entwicklung Europas Sicherheit direkt“ angehe.
Zum Glück für die Bundeswehr gibt es nun auch pünktlich den Golfkonflikt. Noch immer etwas behindert durch das Grundgesetz darf sie zwar nicht direkt eingreifen, wenn er sich zum Krieg entwickelt, aber immerhin dürfen Einheiten der Bundesmarine die US-Kriegsschiffe im östlichen Mittelmeer ersetzen. Und außerdem ist ja auch bald nach der Bundestagswahl mit einer Änderung des Grundgesetzes zu rechnen.
Das kommt den PR-Leuten der Bundeswehr sehr zupaß. Und sie haben auch keine Schwierigkeiten, Redakteure von Tageszeitungen dafür zu gewinnen, die Werbetrommel für sie zu rühren.
Drei Seiten Sonderbericht in der „Wilhelmshavener Zeitung“ vom 22. September machen Reklame für den „Tornado“. Unter Zwischenüberschriften wie „In 16 Sekunden mit 176 Knoten über die Piste: 25 Tonnen heben ab“, „Schwungvoller Tanz mit dem Horizont bei Immelmann“ und „Elektronik bringt den Tornado auch im Tiefflug ins Ziel“ schwärmt WZ-Redakteur Mathias Meer von seiner „exklusiven Teilnahme an einem Übungseinsatz“ des Jagdbombergeschwaders 38 „Friesland“ in Upjever zum Abschied für den scheidenden Kommodore Wilhelm Göbel.
Er will auch wissen, daß die Menschen in und um Upjever ganz zufrieden mit dem Geschwader sind. „Wer sein Eigenheim in die Einflugschneise baut, tut das in Kenntnis des manchmal lauten Nachbarn“, schreibt er in seinem Kommentar zum Abschluß des Sonderberichts. Und wer im Unterschied zu ihm den uralten Bundeswehr-Werbeslogan „Wir produzieren Sicherheit“ nicht glaubt und sich kritisch äußert, wie es die Grünen zu Göbels Abschied getan haben, den läßt er wissen, daß das „Wohl Frieslands (…) neben den Sicherheitsaspekten auch in besonderem Maße aus wirtschaftlichen Gründen engstens mit dem Fliegerhorst Upjever verbunden“ ist (so in seinem Kommentar in der „WZ“ vom 27. September).
Jawoll, solche Redakteure von solchen Zeitungen sieht die Bundeswehr gern!
Anette Nowak
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