Bahnhofszentrum
Jun 261996
 

Alle Kräne stehen still

Bahnhofszentrum: Eine Pleite, die keine ist, weil sie keine sein darf

(hk) Seit dem 17.Mai 1996 ruht die Baustelle fiir das Bahnhofszentrum – der Generalunternehmer Kunz (einer der ganz großen in Deutschland) mußte Konkurs anmelden. Schnell breitete sich die Vision einer riesigen Bauruine im Zentrum der Stadt aus. Dem wurde genauso schnell gegengesteuert. Da ja nur das Bauunternehmen Pleite gemacht hat, steht einer Fertigstellung des Komplexes, natürlich termingerecht, nichts im Wege. Der Bauherr steht weiterhin bereit.

Wer es dennoch wagte, von „Pleite im Bahnhofszentrum“ zu sprechen, wurde an den Pranger gestellt. So jedenfalls geschah es der Statt-Partei des Focke Hofmann, die eine entsprechend betitelte Anfrage an den Rat der Stadt gestellt hatte. WZ-Chefreporter H.-J. Schmid bespuckte daraufhin den am WZ-Pranger stehenden Focke Hofmann in einem Kommentar: „Miesmachern aus der Jadestadt aus dem ,Herzen gesprochen“, „populistisches Hofmann-Süppchen“, „Lufthoheit über Wilhelmshavener Stammtische“ – so kann es einem in Wilhelmshaven ergehen, der es wagt, an deren Heiligtümern zu rütteln.
Damit der Unmut in der Stadt nicht zu laut wird, legte die WZ ständig neue Meldungen nach, in denen versucht wurde, den Eindruck zu erwecken, daß die WZ an allen Verhandlungen direkt beteiligt sei.
21.5.: Unter den Überschriften „Ruhe auf der Baustelle“ und „Nordseepassage: Lösung der Probleme braucht Zeit“ gewährt die WZ einen tiefen Einblick in die bundesweite Bauwirtschaft, daß Pleiten und Entlassungen an der Tagesordnung sind und daß das Bahnhofszentrum weitergebaut wird.
4.6.: Weiterbau ab 17.Juni? Am 11. Juni soll laut WZ eine wichtige Entscheidung fallen – ein paar Verkäufe von Baufirmen u.ä., und dann stehe dem Weiterbau am 17. Juni kaum noch eine Hürde im Weg, Zur Not baut die Kusto (Bauherrin des Bahnhofszentrums ) in eigener Regie weiter.
Am 12. Juni, ein Tag nachdem die „wichtige Entscheidung“ fallen sollte, war darüber in der WZ nichts zu lesen – statt dessen erfuhren die WZ-LeserInnen vom Bürgermeister Neumann, daß durch den Bau des Bahnhofszentrums Folgeinvestitionen von 80 Millionen DM angeschoben wurden und damit 800 Bauhandwerker für ein Jahr Arbeit hätten. Den Beweis für seine Zahlen erbrachte Neumann natürlich nicht. Statt dessen untermalte die WZ ihren Bericht mit einigen Baustellen im Bereich der Marktstraße (Schuh Hoffmann, der schon vor Jahren ins Auge gefaßte Umbau des Hauses Marktstr. 71 und die Verklinkerung des Brillen-Babatz Hauses), zusammengenommen ca. 5 Millionen Mark Investitionen.
In dem Artikel fehlt natürlich auch nicht der Hinweis, daß mit der Fertigstellung des Zentrums zurechnen sei, weil ja nicht der Bauherr, sondern nur der Generalunternehmer in Konkurs gegangen sei.
Am 15. Juni, zwei Tage vor dem von der WZ avisierten Weiterbau, dann die Meldung, dass das Bahnhofszentrum weitergebaut werden soll, zwar nicht am 17. Juni, aber in Kürze. Einige juristische Details müßten noch geklärt werden, darum gab‘ s auch keinen neuen Termin für die Wiederaufnahme der Arbeiten. Trotzdem konnte schon der Eröffnungstermin genannt werden: September 1997.
Natürlich ist es unvorstellbar, daß das Bahnhofszentrum nicht fertiggestellt wird, doch Wilhelmshaven bekam einen kleinen Vorgeschmack davon, was es heißt, sich einseitig auf Großprojekte zu stürzen. Wie empfindlich diese Projekte sind, zeigt sich in vielen Städten Deutschlands und Europas, in denen solche Zentren vor sich hingammeln. Leerstehende Geschäfte prägen das Bild dieser Giganten -und papierverklebte Schaufenster schrecken die Kunden ab. Da kommt ein schwerer Brocken auf unsere Stadt zu.

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