Soziale Stadt
Mrz 282001
 

Flair des Kaputten

Bant und Südstadt im Förderprogramm „Soziale Stadt“

(hk) Im Wettstreit der Stadtteile Fedderwardergroden und Bant/Südstadt um den Millionensegen aus dem Landesförderprogramm „Soziale Stadt“ hatte F’groden das Nachsehen. Das bedeutet nun allerdings nicht, dass die Südstädter darauf stolz sein können, belegt es doch nur, dass dieser Bereich noch kaputter ist als der Stadtnorden.

Soziale Stadt 3Wie schlimm es um die Südstadt[1] steht, belegt eine Untersuchung des Forschungsinstituts Region und Umwelt (FORUM) der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg, die im Auftrag des Stadtplanungsamtes erstellt wurde. In der Vorbemerkung der Untersuchung heißt es: „Aufgrund ihrer zentralen Lage, des umfangreichen und differenzierten Angebots an Wohnungen und Gewerbeflächen, der großen Zahl von Betrieben, kulturellen und sozialen Einrichtungen hat die Südstadt große Bedeutung für die Entwicklung der Stadt Wilhelmshaven. (…)“

Die Südstadt ist aktuell durch unterschiedliche Probleme belastet:
  • große Teile des Altbau-Wohnungsbestandes genügen nicht heutigen Ausstattungsstandards und sind ungenügend instandgehalten;
  • städtebauliche Missstände wie untergenutzte Grundstücke, Brachflächen, Leerstände von Wohnungen und Läden und vernachlässigte Gebäude prägen das Bild;
  • die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage in Wilhelmshaven, von der die Südstadt besonders stark betroffen ist, hat ihre Entwicklung zu einem Problemgebiet befördert. Eine zunehmende Verarmung der Bewohner und eine soziale Entmischung sind zu beobachten; hier konzentrieren sich Sozialhilfebezieher, Arbeitslose, ausbildungslose Jugendliche, Ausländer und Personen mit schwierigem Sozialverhalten; soziale Spannungen nehmen zu;
  • die sinkende Kaufkraft der Bewohner und die massive Konkurrenz durch das neue Einkaufszentrum am Bahnhof bedrohen die Überlebensfähigkeit des Versorgungsgewerbes;
  • für die Gebietsbewohner fehlen berufliche Qualifizierungs- und Ausbildungsmöglichkeiten – sie haben dadurch auf dem städtischen Arbeitsmarkt schlechte Startbedingungen.

Die soziale Lage der Südstadt lässt sich auch an harten Zahlen darstellen. In der Südstadt wohnen ca. 10.000 Menschen, davon sind 35% arbeitslos, 32% erhalten Sozialhilfe, der Ausländeranteil liegt mit 13,5% weit über dem Durchschnitt Wilhelmshavens (~5%).

Soziale Stadt 4Auch die Bebauung der Südstadt weist große Defizite auf. So gibt es in der Südstadt, abgesehen von einigen Spielplätzen, kaum Grünflächen. Die Blockinnenflächen sind versiegelt und werden meist als Garagenhöfe und Stellplätze für Autos genutzt. Brachflächen und untergenutzte Grundstücke konzentrieren sich am Handelshafen und im Bereich westliche Marktsstraße. Massive Leerstände gibt es im Bereich der westlichen Marktstraße, der Börsen-, Mellum- und der Weserstraße. Das Gesicht der Marktstraße ist durch Ladenleerstände geprägt. Hoch ist auch der Anteil von Gebäuden, in denen die Wohnungen nicht mehr vermietbar sind. „Leerstände einzelner Wohnungen oder sogar ganzer Gebäude sind deutlich wahrnehmbar und prägen in einigen Abschnitten bereits das Straßenbild. (…) Viele Baulücken sind auch als Lagerflächen und Abstellplätze für Autos untergenutzt, Brachen als wilde Müllkippen genutzt. Diese Situation beeinträchtigt die Außenwirkung und verleiht dem Gebiet das Flair des Kaputten, macht es unattraktiv.“ (FORUM)Soziale Stadt 2
Als besonders großes Problem beschreibt die Untersuchung die große Zahl von Haushalten mit wirtschaftlichen und sozialen Problemen. In der Südstadt konzentrieren sich Sozialhilfeempfänger und Erwerbslose, der Anteil hilfebedürftiger Haushalte, straffälliger Jugendlicher, Alkohol- und sonstiger Drogenabhängiger ist sehr hoch. „Diese Gruppen sind immer weniger fähig, friedlich miteinander in ihrem Stadtteil zu leben. Zum Straßenbild gehören Gruppen mit auffälligem Verhalten, die die Aufenthaltsqualität und das Sicherheitsgefühl auf Straßen und Plätzen beeinträchtigen. All dies deutet auf einen erheblichen Handlungsbedarf für die Sozial- und Gemeinwesenarbeit hin.“ So ist es beinahe zwangsläufig, dass die auch Kriminalität im Untersuchungsbereich besonders hoch ist. 13,1% der Wilhelmshavener Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren stammen aus der Südstadt, sie stellen aber 30% der Täter bei Delikten wie Diebstahl, Vandalismus, Körperverletzung, Sachbeschädigung usw. Auffällig dabei ist, dass nur 10% der Straftaten im eigenen Stadtteil begangen werden.
Soziale Stadt 1Die Autoren der Untersuchung befürchten, dass sich die Situation in der Südstadt noch weiter verschlechtern wird. „Die Probleme der sozialen und wirtschaftlichen Schwäche und die Konzentration sozialer Problemgruppen im Untersuchungsgebiet werden sich ohne Gegenmaßnahmen voraussichtlich verstärken, zu sehr weisen die Bedingungen auf eine Trendverstärkung der Bedingungen hin.“ Es wird zu einem weiteren Zuzug einkommensschwacher Haushalte kommen, gleichzeitig werden einkommensstärkere Haushalte den Stadtteil verlassen. „Die Konsequenz wird eine weitere Konzentration sozial benachteiligter Gruppen, soziale Entmischung und Stigmatisierung des Stadtteils sein.“
Mit dem Förderprogramm „Soziale Stadt“ soll jetzt versucht werden, der Entwicklung Einhalt zu gebieten und eine Trendwende im Stadtteil einzuleiten. Ob die Südstadt sich zur „Boomtown“ (Stadtbaurat Klaus-Dieter Kottek) entwickeln kann, was konkret geplant ist und wie die BürgerInnen der Südstadt diese Aufgabe angehen können, wird Thema im nächsten Gegenwind sein.

[1] Wenn hier von Südstadt die Rede ist, ist immer der Bereich gemeint, der sich aus den Bereichen der Stadtteile Bant und Südstadt zusammensetzt, in denen das Förderprogramm Anwendung findet. Siehe Karte.

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