Wird verseuchter Verpackungsabfall vom Nordhafen nach Nord-Korea verschifft?
Im Nordhafen konnten Mitarbeiter des GEGENWIND und der Bürgerinitiative Umweltschutz in den letzten Wochen für Wilhelmshavens Binnenhafen sehr untypische Aktivitäten beobachten. Zwischen 350 und 400 Großcontainer lagern am Braunschweigkai. Mitten in diesen Containern stehen Silotanklastzüge mit hochgekipptem Tank und blasen ihren Inhalt in die Container.
Daß gerade dieser Umschlagplatz ins Visier des GEGENWIND kam war kein Zufall. Es war bekannt geworden, daß von einem Nordseehafen aus ca. 50.000 Tonnen durch Pilze, Schwermetalle, Chlor, PCB usw. belasteter Kunststoffabfall nach Nord-Korea verschifft werden sollte. Die Bremer Lagerhausgesellschaft, seit der Affäre um strahlen- belastete Molke ohnehin ein gebranntes Kind, hatte zuvor den Umschlag dieser Fracht mit der Begründung, daß man das Hafenpersonal keinen Gesundheitsgefahren aussetzen wolle, abgelehnt.
Gefahndet wurde seitdem küstenweit nach diesen 50.000 Tonnen Kunststoffgranulat, denn die Industrie muß diese Last möglichst schnell und unauffällig loswerden.
Beobachtet wurde, daß Tanklastzüge dicht an die Container heranfuhren, ihre Tanks hydraulisch in Kippstellung brachten und ihren Inhalt über Schläuche in die Container bliesen. Abziehende Staubfahnen dokumentierten, daß da irgendetwas ‚in Gang‘ war. Aus einzelnen Puzzlestückchen wurde langsam ein Bild und die Gewißheit: Das gesuchte Giftzeug soll von Wilhelmshaven aus eine Reise ins ostasiatische Nordkorea antreten. Getreu der Devise unserer Hafenwirtschaft, daß alles was sonst nicht geht, über Wilhelmshaven machbar ist (z.B. Brent-Spar). In Wilhelmshaven ist eben alles anders. Gesundheitliche Bedenken werden der Binnenhafenstatistik geopfert. Was geht es die Hafenwirtschaft an, was mit dem Giftzeug im wirtschaftlich nicht gerade hochentwickelten Nord-Korea passiert? Von hier gingen schon ganz andere Frachten in alle Welt.
Auf Grund der gewonnenen Erkenntnisse hat sich Greenpeace an die Deutsche Gesellschaft für Kunststoff-Recycling (DKR) gewandt und diese sah sich genötigt einzugestehen, daß Kunststoffabfälle in Wilhelmshaven in Container verladen werden. Man habe aber lediglich „angedacht“, das Recyclinggut nach Nord-Korea zu verschiffen, aber es käme auch noch Bremen in Betracht.
Weiter wurde in Erfahrung gebracht, daß die DKR – um Rückendeckung bemüht – einen Antrag bei der nds. Umweltministerin Griefahn gestellt hat. Was konkret beantragt wurde, ist nicht bekannt. Es ist aber davon auszugehen, daß der DKR die Aufdeckung einer offensichtlichen Sauerei sehr peinlich ist und sie jetzt einen offiziellen Freibrief für den Export nach Nord-Korea haben möchte.
Wo kommt der Dreck her
Der Gelbe Sack – ein Geschenk der Bundesregierung an die Verpackungsindustrie
1991 kungelte der damalige Umweltminister Töpfer (CDU) mit der Verpackungsindustrie die Verpackungsverordnung (VerpackV) aus. Dabei durfte dieser Industriezweig (30 Mrd. Jahresumsatz) natürlich nicht vor den Kopf gestoßen werden. Es ging darum, die von vielen Städten und Gemeinden ins Auge gefaßte Verpackungssteuer zu vereiteln.
Letztere hätte dazu geführt, daß diejenigen, die ihre Waren – statt in Pfandbehältern – weiter in Wegwerfverpackungen gekauft hätten, dafür einen spürbaren Steueraufschlag z.B. für die Erweiterung von Mülldeponien und den Bau von Müllverbrennungsanlagen hätten zahlen müssen.
Wir erinnern uns:
Auch bei uns in Wilhelmshaven war nur noch für wenige Jahre Deponieraum vorhanden. Doch im Rat der Stadt scheiterte der Versuch, eine Verpackungssteuer einzuführen. Auf dem Voslapper Groden war eine Müllverbrennungsanlage geplant, gegen die über tausend Bürgerinnen und Bürger demonstrierten und gegen die 4.000 Wilhelmshavener einen Bürgerantrag einreichten.
Der diesbezügliche landesweite Protest gegen die damalige CDU/FDP-Landesregierung hat mit dazu beigetragen, daß sie damals abgewählt und durch eine Koalition aus SPD und Grünen ersetzt wurde.
Doch statt auf Veränderung des Kaufverhaltens in Richtung Mehrwegverpackungen auf Abfallvermeidung hinzuwirken, ist in Töpfers Verpackungsverordnung nur die Getrenntsammlung, Sortierung und Verwertung von Einwegverpackungen vorgeschrieben. Dafür hat das eigens zu diesem Zweck gegründete ‚Duale System Deutschland GmbH‘ (DSD) zu sorgen. Es erhebt Gebühren bei den Konsumgüterproduzenten, die dafür ihre Verpackungen mit dem GRÜNEN PUNKT kennzeichnen dürfen und im Gegenzug davon befreit sind, selbst für deren Einsammlung und Wiederverwertung zu sorgen. Seitdem tragen (fast) alle Einwegverpackungen den GRÜNEN PUNKT. Die Kosten werden auf alle Produkte – und damit auf alle Konsumenten – umgelegt; d.h., Abfallvermeidung beim Einkauf wird bestraft…
Für die Einsammlung, Sortierung und stoffliche Verwertung werden in der Regel Verträge mit Privatfirmen geschlossen. Sie müssen bei der Getrenntsammlung und Sortierung die Quotenbestimmungen der Verpackungsverordnung einhalten. Dafür werden diese Vertragsnehmer aus den Gebühreneinnahmen für den GRÜNEN PUNKT bezahlt. Für Kunststoff- und Verbundverpackungen schreibt die VerpackV z.B. vor, daß mindestens 80% des tatsächlich angefallenen Abfalls getrennt gesammelt werden und davon wiederum mindestens 80% für die Verwertung geeignetes Material aussortiert werden muß. Alle auf diese Weise rückgewonnenen Abfallstoffe müssen anschließend stofflich verwertet werden.
Garantiegeber für die Einhaltung der Sammel- und Sortierquoten sowie die stoffliche Verwertung der Kunststoffe ist die Deutsche Gesellschaft für Kunststoff-Recycling (DKR).
Außer der magnetischen Herausnahme der Weißblechkonserven ist es allerdings mit dem Sortieren nicht weit her; es ist mehr ein hastiges manuelles Herauspicken wirtschaftlich interessanter und leicht erkennbarer Verpackungen wie z.B. Shampooflaschen und Folien, die problemlos zu vermarktungsfähigen neuen Produkten verarbeitet werden können. Aber damit schafft man die vorgeschriebene 80%ige Sortierrate nicht! Da helfen nur ein paar Tricks…
Um die 80%-Quote bei der Sortierung von Kunst- und Verbundstoffen zu erreichen, wird mit staatlicher Billigung auch Material hinzugezählt, das „stofflich“ – wie es im herkömmlichen Sinne verstanden wird – nicht wirtschaftlich verwertet werden kann. Das ist vor allem ein u.a. mit dem Problemkunststoff PVC vermengter Mischmasch, der nicht vollständig zu vermarktungsfähigen Produkten verarbeitet werden kann, der so hoch mit Chlor und Schwermetallen belastet ist, daß er beim ‚Fisch-Test‘ durchfällt.
Für diesen überschüssigen Mischkunststoff hat man durch einen weiteren nicht ganz astreinen Trick eine erweiterte „stoffliche Verwertung“ aufgetan: Er wird nach einer Vorbehandlung ‚stofflich‘ verwertet, indem er z.B. verbrannt oder vergast wird! Diese Verbiegung des Begriffes „stoffliche Verwertung“ wird dabei vom Staat toleriert.
Um den Abfall aus den Gelben Säcken für diese Art des ‚Recycling‘ vorzubereiten, werden die Abfälle aus den Sortieranlagen in das Aufbereitungswerk der Firma RZR in Herten transportiert, dort kleingehäckselt und anschließend bei leichter Erhitzung zu Granulat (Pellets) verbacken.
Für dieses Pellets gibt es zur Zeit drei Abnehmer:
- Die Stahlwerke Bremen (ex Klöckner Hütte), die es bei der Stahlproduktion verbrennen.
- die Kohlehydrierungsanlage Schwarze Pumpe in Leuna
- die Kohlevergasungsanlage Bottrop
Engpaß
Nicht immer werden die Pellets unbesehen von den Verwertern abgenommen! Wegen Qualitätsmängeln (zu hoher Chlor- und Schwermetallgehalt) werden die Abfälle der Abfälle aus dem Gelben Sack schon mal abgelehnt. So z.B. durch die Kohlevergasungsanlage Bottrop.
Der jüngst aus der EVC (ICI) ausgeschiedene Geschäftsführer Schütze hat vor Jahren anläßlich eines Informationsbesuchs der gewerkschaftlichen Bildungsvereinigung „Arbeit und Leben“ den Anteil von PVC am Verpackungsmaterial als unerheblich bezeichnet, um die Probleme, die PVC bei der Wiederverwertung von Verpackungsabfällen macht, herunterzuspielen.
Werksvertreter fabulierten auf Veranstaltungen von der Herstellung von Paletten und Ummantelungen von Kanalisationsrohren mit aus Mischkunststoffen hergestelltem Material.
Trotzdem hat diese Firma ihren zuvor groß angekündigten Plan, eine Mischkunststoffverwertungsanlage zu bauen, wieder aufgegeben. Schütze damals kleinlaut vor den „Arbeit und Leben“-Gästen (sinngemäß): „Wir haben die Schwierigkeiten unterschätzt…“
Doch allen gegenteiligen medienwirksamen Beteuerungen der EVC hohnsprechend kommen immer neue Skandale ans Licht, an denen das PVC beteiligt ist.
Der EVC ins Stammbuch: Es bleibt dabei: PVC heißt – Probleme Vom Chlor !
Allerdings reicht die Kapazität der o.g. drei Werke nicht dazu aus, die Mischkunststofflawine aus unseren Haushalten zu bewältigen. Deshalb hat die DKR vor einiger Zeit mit der Firma Thyssen Verhandlungen aufgenommen, um dort den nicht unerheblichen Rest unterzubringen. Die Verhandlungen sind geplatzt, weil Thyssen zu viel Geld dafür haben wollte.
Durch den so entstandenen „Verwertungsengpaß“ hat sich inzwischen ein Rückstau von 50.000 Tonnen Kunststoffpellets gebildet. Ein Teil von diesem mit Speiseresten behafteten Zeug liegt schon seit drei Jahren auf Halde. Keime, Schimmel usw. vermehren sich myriadenfach auf dem reichlich auf diesen Pellets vorhandenen Nährboden.
Es gibt mehrere Arten des Schädlingsbefalls von Nahrungsmitteln. In diesem Falle rechnen Umweltweltschützer mit
- Clostridium, einer Gattung anaerober Sporenbildner, die auf eiweiß- und kohlehydrathaltigen Nährmedien gedeihen. Der Bazillus Clostridium Botulinum löst beim Menschen die Botulismuskrankheit – eine Nahrungssmittelvergiftung – aus. Dies ist eine in Deutschland anzeigepflichtige Krankheit, die mit Augenmuskellähmung und Schluckbeschwerden beginnt und nach einer Woche bis zum Tod durch Atemlähmung führen kann.
- Aflatoxin, ein in höheren Dosen (tierexperimentell) tödliches, in geringeren Dosen krebserregendes Stoffwechselprodukt aus Pilzen (Mytoxin). Es kann div. pflanzliche und tierische Produkte und daraus hergestellte Lebensmittel befallen. Zulässige Höchstmengen des Befalls sind in der Aflatoxinverordnung festgelegt.
Trotzdem muß es die DKR schaffen, den vor sich hingammelnden Pelletsberg abzubauen.Denn wenn es ihr nicht gelingt, einen Abnehmer zu finden, der das Zeug „stofflich verwertet“, dann erreicht sie die von ihr zu garantierende gesetzliche Verwertungsrate von 80% nicht mehr.
Aller Erfahrung nach würde zwar der Gesetzgeber wieder ein Auge zudrücken und neuen Tricksereien seinen Segen erteilen, doch die Konsumgüterwirtschaft wird kaum noch bereit sein, finanziell für ein System in Vorlage zu treten, daß nicht die garantierten Verwertungsleistungen erbringt. Im Gegenteil, man würde das zuviel vorgestreckte Geld zurückfordern. Das wäre dann wohl das Aus für den GRÜNEN PUNKT.
Und deshalb braucht die DKR eine Lösung – koste es (für andere) was es wolle…
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