Ratssitzung vom 20. März 2002
Wir dokumentieren die Diskussion zu wichtigen Beschlüssen und vergeben max. 5 Sternchen für fachliche und / oder menschliche Kompetenz – ohne Anspruch auf Vollständigkeit, durchaus kommentierend und nicht ohne Augenzwinkern.
Die Sitzung begann mit dem Gedenken an den unlängst verstorbenen Rolf Fehnders, der von 1982 bis 2001 für die CDU dem Rat angehört hatte. OB Menzel würdigte ihn als Menschen, der „sich kümmerte“, vor allem um jene, die nicht „auf der Sonnenseite des Lebens“ stehen. Dass Fehnders in seinem Engagement „nicht immer mit dem Strom schwamm“, hatte ihm nicht nur Freunde verschafft. So hatten sich bei dem schwer Kranken in der Zeit vor seinem Tod nur wenige ehemalige Ratskollegen sehen lassen, wie dem Nachruf in der Tagespresse zu entnehmen war.
Der GEGENWIND behält Fehnders als einen Ratsherren in Erinnerung, der parteiunabhängig den aufrechten Gang nicht verlernt hatte. So berichteten wir im April 1998 über sein Engagement für den Ausländerbeirat, dem er von Anfang an für seine Fraktion angehört hatte. Anlässlich eines damaligen Ratsbeschluss, der dem Beirat lediglich beratende Funktion zubilligte, hatte er sein Bedauern ausgedrückt über „die verpasste Gelegenheit, den WilhelmshavenerInnen ausländischer Herkunft reelle Mitwirkungsmöglichkeiten zu geben“.
Auch der Sport war Fehnders eine Herzensangelegenheit. Entsprechend drastisch reagierte er, als ihm auf kaltem Wege der Vorsitz für den Sportausschuss entzogen wurde, und nahm kein Blatt vor den Mund: „Was Fraktionsvorsitzender Biester vorab dem Rat der Stadt als ‚Umbesetzung’ verkündet hatte, kommentierte der geschasste Amtsinhaber mit ‚abgeschossen’ und ‚die Aasgeier sitzen in den Bäumen.’ (GEGENWIND Nr. 142, August 1997)
Michael Konken hat im März seinen Sessel als städtischer PR-Chef gegen eine Lehrtätigkeit bei der Fachhochschule eingetauscht. Als Nachfolger wurde Arnold Preuß vorgestellt. Den meisten WilhelmshavenerInnen ist Preuß in erster Linie durch sein Engagement für die Niederdeutsche Bühne bekannt. „Nebenbei“ hat er allerdings bereits einige Jahre Erfahrung im Stadtmarketing, u. a. für die Expo am Meer. Wir wünschen ihm für seine neue Aufgabe einen guten Start.
Ratsherr Tjaden (WALLI) hatte bereits in der Januarsitzung beantragt, ein Strahlenkataster für das Stadtgebiet zu erstellen. Aufgenommen werden sollten alle Anlagen, die hochfrequente Strahlen abgeben. Das Kataster soll es auch erleichtern, Anfragen besorgter Bürger, die sich vor allem auf Mobilfunkantennen beziehen (z. B. Bunker Voslapp), zu beantworten. Der Antrag war damals an den Umweltausschuss verwiesen worden. Der kam zu dem Ergebnis, der Antrag sei abzulehnen – nachdem das Bauamt versichert hatte, alle Unterlagen würden ohnehin dort zur Einsichtnahme vorliegen. Tjaden selbst hatte allerdings bis dato keine Einsicht erhalten, was ihn zu Zweifeln veranlasste, ob die Unterlagen seitens der Betreiber tatsächlich vollständig vorliegen.
Maßgeblich für die Ablehnung war auch eine Beratung durch die Fachhochschule, die vorliegende Negativ-Gutachten zu Mobilfunkantennen für widerlegbar hält. Beruhigt zeigte sich die Ratsmehrheit auch durch Aussagen des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS). Dem hielt Tjaden entgegen, dass das BfS auch Radaranlagen der Bundeswehr (wo er beschäftigt ist) für unschädlich hält, während er mehrere Kollegen durch strahlenbedingte Krebserkrankungen verloren hat (und diesbezüglich aktuell Klagen anhängig sind – Red.).
Ratsherr Dr. von Teichman bemerkte, dass mehr Todesopfer durch Rauchen und Alkohol zu beklagen seien als durch Strahlung. Das ist richtig, trifft jedoch nicht den Kern der Sache: Wer raucht oder trinkt (oder ein Handy benutzt), setzt sich freiwillig gesundheitlichen Belastungen aus. Anlieger im Bereich von Mobilfunkantennen sind jedoch passiv möglichen Schädigungen ausgesetzt.
Diskutiert wurden letztlich verschiedene Dinge: Einerseits die Rolle wissenschaftlicher Gutachten (wobei Tjaden darauf hinwies, das manches, das vor 10 Jahren als unschädlich galt, nach neuesten Erkenntnissen bzw. Forschungsmethoden anders betrachtet wird), sowie subjektiv unterschiedliche Empfindlichkeiten gegen Strahlung (z. B. stärkere Gefährdung für Kinder); anderseits die Zugänglichkeit von Umweltinformationen für BürgerInnen bzw. die Rolle der Verwaltung. Ratsherr Biehl (Grüne) stellte fest, dass in der Verwaltung noch kein Verantwortlicher für dieses spezielle Thema benannt ist. Ratsvorsitzender Menzel pflichtete Tjaden insofern bei, dass Diskrepanzen zwischen der vom Bauamt behaupteten und der tatsächlichen Transparenz entsprechender Daten bestehen und dass die wissenschaftliche Bewertung ein fließender Prozess sei. (*** für an dieser Stelle parteiunabhängige Moderation der Sitzung).
Der WALLI-Antrag auf ein Strahlenkataster wurde mit zwei Gegenstimmen (Walli und REP) abgelehnt.
Mit ihrem Antrag hat die WALLI – ohne dass das im Rat angesprochen wurde – ein viel umfassenderes Thema angerissen: In früheren Zeiten gab es jährlich einen städtischen Umweltbericht, in dem alle interessanten Daten kompakt und allgemeinverständlich aufgearbeitet wurden. Ein Strahlenkataster, das die Daten aus den Unterlagen der Betreiber entsprechend zusammenfasst, wäre ein bürgernaher Baustein eines solchen Berichtes. In diesem Sinne erhält die WALLI für ihren Antrag *****.
gab es erwartungsgemäß um die Beschlussvorlagen des Finanzausschusses – zum einen Nachbewilligungen zum Haushalt, vor allem aber zur Prüfung der städtischen Haushalte 1996 bis 1999 durch das Kommunalprüfungsamt der Bezirksregierung. Da es zunehmend private Beteiligungen an städtischen Aufgaben gibt, darf der Prüfbericht (insgesamt!) formal nicht mehr öffentlich zugänglich sein. Nach entsprechendem Murren war er der Tageszeitung dann doch in die Hände gefallen worden, die über einige Knackpunkte berichtete, diese jedoch erwartungsgemäß im Sinne der Mehrheitsfraktion im Rat glatt bügelte.
Der künstliche Knitterschutz hatte jedoch bei der Opposition keinen Bestand. So vermisste Ratsherr von Teichman die gesetzlich vorgegebene „Wahrheit und Klarheit“ der aktuellen Haushaltssatzung, die eigentlich keine Nachbewilligungen vorgesehen hatte. Ratsfrau Haase (CDU) beantragte für ihre Fraktion Einzelabstimmung über verschiedene Punkte des Nachtrags. Dabei stand die finanzielle Sicherung des „Außerschulischen Lernortes“ an der BBS nicht in Frage, jedoch die Deckung durch Minderausgaben an der Bauunterhaltung für Schulen im Allgemeinen. SPD-Fraktionschef Neumann verkündete in gewohnter Gutsherrenart: „Wir hauen das so durch“. Er erwartete Gegenvorschläge der CDU, die das wiederum als Aufgabe der Verwaltung sah – dazu CDU-Chef Reuter: „Es gibt hier nicht nur Rentner“ (gemeint waren Ratsmitglieder, die Zeit haben, Verwaltungsaufgaben zu übernehmen).
Die Diskussion um den Bericht der Kommunalprüfung schaukelte die Stimmung weiter hoch, insbesondere, als es um die freihändige Vergabe von Aufträgen in Millionenhöhe (statt öffentlicher Ausschreibung) und damit verbunden das Stichwort „Korruption“ ging. Reuter räumte ein, dass (der im Rat ansonsten ungeliebte – Red.) von Teichman im Vorfeld recht gehabt hatte, als er diese Vergabepraxis anzweifelte; seine Zweifel würden nun vom Prüfungsamt bestätigt. Diese unvermutete parteiübergreifende Solidarität kommentierte Ratsherr Biehl (außerhalb des Protokolls) mit „Wann machen die ´ne Gruppe?“
Prof. Reuter, früher auf einem der hinteren Plätze eher unauffällig, läuft jetzt am Kopfende seiner Ratsfraktion zu Höchstform auf. „Opposition ist Teil der Demokratie“, forderte er seine polemischen Gegenüber auf, wie er in der Sache zu sprechen. Nach weiteren unappetitlichen Auseinandersetzungen um das umstrittene Contracting in Sachen Schulsanierung (SPD-Adam: „Herr von Teichman ist Mediziner genug, um Juristen zu sagen, was richtig ist) plädierte Reuter nochmals für eine parteiübergreifende Zusammenarbeit und brachte es auf den Punkt, dass er die Angriffe und den Ton der Diskussionen als „schrecklich“ empfindet (dem pflichtete auch Menzel – außerhalb des Protokolls – bei). Für diesen deutlichen Beitrag zur Deeskalation des Rats-Affentheaters erhält Prof. Reuter *****.
wurde im März gewählt und vom Rat einstimmig bestellt. Ratsherr Felbier (CDU) dankte den bisherigen VertreterInnen, speziell dem Vorsitzenden Christoph Prinz. Engagiert erinnerte Felbier die RatskollegInnen an ihre Pflicht, die Jugendvertreter mit allen Mitteln zu unterstützen. „Jugend hat eine Stimme – wir müssen zuhören.“ **** dafür, dass er scheinbar Selbstverständliches – dessen Fehlen dem letzten Jugendparlament ziemlichen Frust bereitete – im Protokoll für alle nachlesbar festgeklopft hat.
Bürgerfragestunde
Ein Dutzend BürgerInnen hatte tapfer die end- und freudlose Diskussion um Finanzfragen ausgesessen. Die erste Frage galt dem Fortgang der Kommunalen Agenda 21. Stadtrat Graul berichtete, dass derzeit nur noch zwei Arbeitsgruppen aktiv sind (Klimaschutz & Energie sowie Arbeit & Wirtschaft). Die übrigen würden die Arbeit ruhen lassen, da diese nur mit einer hauptamtlichen Koordinationskraft (die Stelle ist seit einem Jahr unbesetzt – Red.) möglich sei. Graul versprach, im nächsten Umweltausschuss sei eine ausführliche Beratung zu dem Thema beabsichtigt. Auf einem Agenda-Plenum im Frühjahr soll eine Verbindung zwischen Agenda und Stadtleitbild geschaffen werden, danach sollen die Agenda-Aktivisten konkret angesprochen werden.
Minus-Sternchen haben wir nicht – da bleiben, bis Grauls Versprechen erfüllt werden, für das langfristige Verschluren eines hochtrabenden Ratsbeschlusses zur lokalen Agenda (von 1999) schlicht null Sternchen.
Horst Radmer, Vertreter der Mündigen Bürger (siehe „Schnauze voll“) stellte mehrere Fragen zu Finanzen und Holding. Stadtrat Frank sagte zu, dass der Ergebnisbericht zum Arbeitsauftrag „Netto-Regiebetrieb Grundstücks- und Gebäudeservice“ im Rat öffentlich behandelt würde.
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