Nordseepassage
Mai 081996
 

Bahnhof

Wilhelmshaven ächzt unter der tonnenschweren Last des verklinkerten Plattenbaus zwischen Ebert- und Bahnhofsstraße, der schon jetzt den Bahnhof und in Kürze wohl auch die gesamte Marktstraße ersetzen soll. Die zumeist älteren ZuschauerInnen bringen ihr Grauen nicht nur hinter vorgehaltener Hand zum Ausdruck: „Unglaublich“, „Ekelhaft“, „Scheußlich“, ja sogar Forderungen, daß die Verantwortlichen dafür eingesperrt gehören – das sind einige der Äußerungen, die wir innerhalb einer Viertelstunde am Bauzaun aufschnappen konnten.

Besucher der Stadt schlagen, „Großer Gott“ stammelnd, die Hände über dem Kopf zusammen. Fachleute mögen gar nicht glauben, dass der auf dem Bauschild genannte Architekt dafür verantwortlich sein soll: „Der hat doch einen so guten Namen!“ So glaubt auch kaum noch jemand daran, daß die Türmchen, Glas- und Stahlverkleidungen dem Bau noch etwas von seinem Bunkercharakter nehmen können. Zu sehr prägen die langen Seitenflügel das gesamte Gebäude.
Während der Bau weiter fortschreitet, packen die alteingesessenen Geschäftleute Wilhelmshavens (Ostendorf, Tiemann, Jahnke, Freese, Falkenberg) ihre Sachen und ziehen sich aufs Altenteil zurück oder wenden sich neuen Zielen zu. Der Marktstraßenbereich entwickelt sich mit ungeheurer Geschwindigkeit zu einer Meile von Billiganbietern des Schuh- und Textilgewerbes, Frittenbuden und anderen namen- und gesichtslosen Geschäften. Wenn die Nordseepassage dann irgendwann einmal ihre Pforten öffnet, werden weitere Geschäfte um des Überlebens willen dorthin übersiedeln. Wahrhaft eine städtebauliche Meisterleistung! (hk)

Das obige Bild ist als Aufkleber im Reisecentrum (so heißen Bahnhöfe heute) erhältlich

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