Gegenwind-Gespräch: van Weelden
Mai 081996
 

Prophet im Konkurs

Schlitzohr van Weelden, Chef der Beta-Raffinerie, bootet Streithähne aus

(hk) Knapp 6 Jahre nach dem Kauf der Mobil-Raffinerie durch Beta mußte Johan Anton (Hans) van Weelden Konkurs anmelden. Der Gegenwind (und andere Kritiker der Wiederinbetriebnahme durch Beta) warnten schon damals vor den undurchsichtigen Strukturen bei Beta. Der Verdacht, daß da jemand die Raffinerie in Betrieb nehmen wollte, um ordentlich abzuzocken, scheint sich zu bestätigen. Der Gegenwind sprach mit Johan Anton van Weelden über den Konkurs und über die Zukunft der Beta-Raffinerie.

Gegenwind: Beta steht mal wieder in den Schlagzeilen – diesmal geht es um den Konkurs der Raffinerie. Was ist los bei Beta?
van Weelden: Wir haben beschlossen, dass Beta einen Konkursantrag stellt. Das heißt, Beta ist jetzt in einem Konkursverfahren –die Gläubigerversammlung findet am 14.Mai statt. Der Betrieb geht weiter bis zu einem Verkauf der Anlage. Die Louis Dreyfus-Gruppe bleibt bis zum 31.12.96 Betreiber der Raffinerie – als Sequester wurde Herr Edgar Gründa aus Bremen bestimmt. Bis zum Ende des Jahres ist noch alles mit Dreyfus geregelt – der Lohn, das Urlaubs- und das Weihnachtsgeld.
Es gibt bereits Interessenten, und wir werden mit der Investmentbank die Verkaufsgespräche führen. Wir suchen einen Investor, der endlich das investiert, was wir brauchen, um die Raffinerie in die nächsten Jahrzehnte führen zu können.

Gegenwind: Wer könnte, angesichts der Überproduktion auf dem Markt, ein Interesse am Kauf der Raffinerie haben?
Van Weelden: Wir werden gemeinsam einen seriösen Käufer finden, jemanden, der mehr will, als nur diese Raffinerie zu betreiben.

Gegenwind: Sie haben sicherlich den Aufsatz von Thomas Ukert (ehemals ESSO) in der WZ vom 25.April gelesen. Ukert stellt darin die provozierende Frage, ob Beta zum zweiten Leuna wird.
Van Weelden: Er sieht Leuna, und ich kann da nur kommentieren, daß für einen Bruchteil der Kosten von Leuna – das sind 500 Millionen Mark – hier das gleiche hätte entstehen können. Hätte die Politik und die Presse, und damit meine ich auch den Gegenwind, damals hinter van Weelden gestanden, als es um den Bau einer Produktenpipeline nach Leuna und Buna ging, dann hätten wir das ganze Debakel nicht. Ich hatte hundert Prozent recht – lesen Sie mal nach, was van Weelden damals gesagt hat.

Gegenwind: Wir haben damals die Entscheidung für Leuna ganz klar als politisches Signal im Zusammenhang mit dem Aufbau Ost bezeichnet.

Der Prophet zählt nichts im eigenen Land

Van Weelden: Das ist Leuna – heute muß der Steuerzahler dafür teuer bezahlen. Leuna ist ja nicht nur teuer geworden, auch die Versprechungen wurden nicht eingehalten. Es wurden 2000 Arbeitsplätze versprochen, entstanden sind aber nur 500! Das Ende dieser Misere, das können Sie auch im Spiegel nachlesen, ist, daß die Raffinerie in Leuna mit Verlust arbeiten wird -die können gar keinen Gewinn machen! Die von mir vorgeschlagene Produktenpipeline – die hätte Arbeitsplätze gebracht und wäre volkswirtschaftlich die richtige Entscheidung gewesen. Das war eine Prophetie – aber Propheten werden im eigenen Land nie erkannt – und diese Prophetie hat genau gepaßt.

Gegenwind: Der Osten war damals eine Hoffnung für Beta. Wohin verkauft Beta seine Produkte jetzt wo der Osten ausgefallen ist?
Van Weelden: Wir sind noch immer nicht in der Lage, unsere Produkte in der Bundesrepublik abzusetzen. Unser umweltfreundlicher City-Diesel geht in den Export, in die Schweiz, nach Skandinavien, nach England. Warum nicht in die Bundesrepublik? Weil die Gesetze noch nicht verabschiedet sind, die einen Einsatz dieses beinahe schwefelfreien Treibstoffs möglich machen, weil die von den großen Ölgesellschaften verhindert werden. Da brauche ich politische Unterstützung.
Auch das ist eine Prophetie: Die Bundesrepublik wird sich auf diese Produkte umstellen – aber nicht dann, wenn die Politik es möchte, sondern dann, wenn die Großindustrie, wenn der Mineralölwirtschaftsverband es will!

Gegenwind: Eingangs beschrieben Sie den Weg, wie die Raffinerie gerettet werden soll. Banken, Konkursverwalter, neuer Käufer – alles ganz einfach, das wird schon laufen. Glauben Sie das wirklich? „
Van Weelden: Das ist unser Vertrauen in die Zukunft, unser Vertrauen in unsere eigene Kraft!

Gegenwind: Welche Interessenten gibt es, und was haben diese Interessenten für Interessen?
Van Weelden: Es gibt Interessenten, und deren Interessen werden wir mit den Banken und dem Konkursverwalter genau prüfen. Mit den jetzigen Eignern geht es jedenfalls nicht weiter.

Gegenwind: Mit beiden Gruppen nicht?
Van Weelden: Mit beiden Gruppen nicht. Die sind raus! Die werden ihr Geld aus dem Verkaufserlös der Raffinerie bekommen.

Gegenwind: Warum sind die denn ausgestiegen?
Van Weelden: Weil ich Konkurs angemeldet habe, weil ich uns zahlungsunfähig gemeldet habe. Die beiden haben sich vor fast allen Gerichten gestritten, und jetzt ist Schluß! Wir haben jetzt das Steuer selbst in die Hand genommen. Ich bin zum Gericht gegangen und habe gesagt: „Gericht, schützt uns!“, und das haben die getan. Wir haben einen Prozeß verloren, in dem die Richter in Oldenburg einen so hohen Streitwert angesetzt hatten, den ich nicht bezahlen konnte. Dreyfus sagte, daß auch sie die Gerichts- und Anwaltskosten (ca. 5 Millionen) nicht übernehmen werden – da half dann nur noch der Gang in den Konkurs.

Gegenwind: Zwischen den Zeilen klingt das wie ein Schachzug oder ein Pokerspiel. Es geht um Arbeitsplätze, um 280 Familien.
Van Weelden: Ich spiele keinen Poker. Ich bin zwar ein guter Poker- und auch Schachspieler, aber wir haben es hiermit 280 Familien zu tun – darum geht es. Es geht um die Arbeitsplätze und um das, was wir hier tun und welche Rolle wir in der Bundesrepublik spielen.

Gegenwind: In der Bundesrepublik spielt Beta doch kaum eine Rolle.
Van Weelden: Wir spielen eine geringe Rolle im Binnenmarkt -aber Sie müssen auch sehen, welche Rolle wir im nationalen Exportgeschäft
spielen. 80% unserer Produkte werden exportiert – das ist ein Posten in der Exportbilanz der Bundesrepublik! Man sollte als Politiker mal sagen, wir schützen dieses Kind, und nicht immer nur „Zur Hölle“. Man sollte hier sorgfaltiger mit den Arbeitsplätzen umgehen. Das ist ja kein Spaß mehr, wenn es um 280 feste Arbeitsplätze geht. Ich habe ein Ziel, und ich habe einen Weg. Der Betriebsrat kennt den Weg, die Gewerkschaft kennt den Weg.

Der Jade-Port ist unsere EXPO 2000

Gegenwind: In der letzten Zeit sind Sie mit verschiedensten Projekten in Wilhelmshaven aufgefallen. Zwei Schlagworte dazu: Jade-Port und eigene Stromerzeugung mit Windmühlen. Wie steht es damit?

Van Weelden: Da war jetzt eine Delegation in China – unter anderem Oberstadtdirektor Schreiber, den ich gebeten habe, das von mir entwickelte Konzept des Jade-Ports dort bekannt zu machen. Es ist von vitaler Wichtigkeit für Wilhelmshaven, daß dieses Projekt realisiert wird. Man redet über Rotterdam. „Rotterdam ist so scheußlich, die tun dies, die tun das. Die bauen wieder für 4 Milliarden einen neuen Hafen.“ Und hier? Wird hier mal wirklich nachgedacht? Ich habe gesagt: „Jungs, vergeßt die EXPO 2000 – das hier, der JadePort, das ist unsere EXPO 2000! Baut einen Deich und fangt an, den modernsten Containerhafen der Welt zu bauen.“ Es geht um Arbeitsplätze – und da muß man die Ärmel aufkrempeln und in die Füße kommen. Das Konzept für den Jade-Port hat die WHV (Wilhelmshavener Hafenwirtschaftsvereinigung) auf eigene Kosten erstellen lassen, ohne Subventionen von Land oder Bund. Die wollen das nicht. Es gibt keine wirkliche Unterstützung durch die Politik -die haben einen Schiß in der Hose, die haben absolut Schiß. Jetzt habe ich gesagt – nehmt das mit nach China und fragt die Chinesen, ob die Geld investieren und diesen Hafen auf ihre Kosten bauen wollen. Wissen Sie, was passiert, wenn die Chinesen den Hafen bauen wollen? Dann stehen plötzlich das Land Niedersachsen und der Bund da und wollen diesen Hafen bauen!

Brecht die Macht der Monopole

Gegenwind: Wenn man Sie so hört, dann sieht man auch schon die Windräder rund um die Beta-Raffinerie, die sie unabhängig vom Strom der Preußen-Elektra machen. Wollen Sie diese Windmühlen wirklich bauen, oder wollen Sie damit nur die Preußen-Elektra erpressen?
Van Weelden: Die wollen wir wirklich bauen – auch das ist kein Poker! Es muß verdammt noch mal klar sein, daß die Industrie in der Bundesrepublik Energie zu wettbewerbsfähigen Preisen benötigt. Das soll nicht zu Lasten der Haushalte gehen – ich will nicht von Ihnen subventioniert werden. Sie bezahlen 23 Pfennig für die Kilowattstunde – Energie aus Windmühlen kostet 17 Pfennig. Wo bleiben die 6 Pfennige? Preußen-Elektra kauft den Strom für 7,2Pfennig-warum muß ich dann 9,3 Pfennig bezahlen? Meine Konkurrenten in Holland oder Norwegen bezahlen 5 Pfennig. Warum muß ich 9,3 Pfennig bezahlen? Ich bettele nicht um Subventionen, ich will nur einen fairen Preis. Das Zusammenspiel ‚Politik – Monopol, Monopol – Politik‘ muß zerbrochen werden, diese monopolistische Struktur in der Bundesrepublik muß zerbrochen werden. Darin sehe ich eine meiner Aufgaben. Das ist eine Grundsatzfrage für . den Standort Deutschland. Dafür werde ich auf der Barrikade stehen, da bin ich roter als rot!

Gegenwind: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

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