Linke Partei?
Nov 082006
 

Was ist links los?

Wir befragten Werner Dalichow zum Parteibildungsprozess

(noa) Am 2. Oktober meldete die „WZ“ auf der Niedersachsen-Seite: „Linke ringt um künftige Ausrichtung“. Und obwohl es da nicht ausdrücklich stand, klang es so, als sei es sehr schwierig. Da außerdem Gerüchte umgehen, dass es in der Linken total unterschiedliche Auffassungen gäbe und auch die Wilhelmshavener WASG gegen den Zusammenschluss von Linkspartei und WASG sei, wollten wir mit Werner Dalichow als einem Mitglied des Landesvorstandes der WASG darüber sprechen. Der überraschte uns jedoch mit einer unerwarteten Eröffnung.

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Werner Dalichow: Ich bin nicht mehr im Landesvorstand.

Gegenwind: Wie bitte?

Ich bin im Mai zusammen mit sechs anderen vom Landesvorstand zurückgetreten. Und der Grund dafür ist auch der Grund der Auseinandersetzung in der WASG. Wir sind nicht gegen eine neue linke Partei, sondern dagegen, wie es läuft.

Erklär das bitte.

Es geht um zweierlei. Zum einen wollen wir den Stil der politischen Auseinandersetzung nicht mehr mittragen. In der WASG hat sich ein Stil der Politik von oben nach unten durchgesetzt, und immer mehr Doppelmitglieder haben das Sagen. Wir sind aber damals vor zwei Jahren angetreten, um eine Partei zu gründen, in der die Willensbildung von unten nach oben erfolgt.

Eine „Partei neuen Typs“, habt ihr damals in Wilhelmshaven gesagt.

Genau. Das Zweite betrifft politische Inhalte. Am deutlichsten wird das bei dem, was in Berlin passiert. Da redet die Linkspartei gegen den Neoliberalismus, gegen Privatisierung, gegen Sozialabbau usw. Und sie setzt andererseits die Koalition mit der SPD fort, verkauft öffentlichen Wohnraum, streicht Stellen im öffentlichen Dienst, setzt Hartz IV um. Das kann so nicht angehen. Dafür sind wir nicht angetreten. Wir sind angetreten, um Opposition zu betreiben und den Neoliberalismus zu bekämpfen. Und das macht die Linkspartei nicht. Sie versucht, auf Bundes- und Landesebene Stimmen zu sammeln, um mitregieren zu können. Das Ergebnis am 17. September in Berlin waren große Wahlverluste, doch sie will so weitermachen.
Viele Oppositionelle in der WASG befürchten, dass Lafontaine und andere einen Weg gehen, um „regierungsfähig“ zu werden und mit der SPD zusammen eine „linke“ sozialdemokratische Politik zu betreiben.

So sieht’s aus. Im „Stern“ Nr. 40 Ende September gab es ein Interview mit Lafontaine und Gysi, in dem Lafontaine sagte, es sei „für die Linke wichtig, auch in schwierigen Zeiten zu beweisen, dass sie regieren kann“.

Siehste. Und dabei würde nichts anderes rauskommen als das, was in den letzten Jahren passiert ist. Das wäre alles andere als ein Politikwechsel. Dagegen wendet sich eine Minderheit. Aber diese Minderheit beträgt ungefähr 45 % – das ist schon fast keine Minderheit mehr.

Lässt sich das nachweisen?

Da muss man sich nur die Beschlüsse des letzten Bundesparteitages anschauen. Da lagen die Abstimmungsergebnisse so etwa bei 135:115.
Und während wir hier sitzen, sieht es so aus, als ob immer mehr Leute in der WASG so langsam Bauchschmerzen zu bekommen. Nach dem, was am 17.09. in Berlin gelaufen ist, werden immer mehr Leute kritisch gegenüber dem Bundesvorstand.
Das jüngste Beispiel ist in Bremen auf dem Landesparteitag der WASG passiert. Der Landesvorstand schlug für die Wahlen im kommenden Jahr vor, so wie bei der Bundestagswahl auf L.PDS-Listen zu kandidieren, aber die Basis hat mit einer Zweidrittelmehrheit beschlossen, ein breites linkes Bündnis zu gründen. Wegen dieser immer stärker werdenden Opposition von unten– so behaupten wir – wollte der Bundesvorstand den Bundesparteitag am 18. November, wo er sich zu Wahl stellen muss, ausfallen lassen und ihn auf Frühjahr 2007 verschieben. Aber der Länderrat – der ist ja das höchste Gremium zwischen den Parteitagen – hat mit einer riesigen Mehrheit beschlossen, dass der Bundesparteitag im November stattfindet. Das war schon ein Aufmucken gegen den Bundesvorstand.

Wer ist im Bundesvorstand?

Ich kann dir nur die vier nennen, die den geschäftsführenden Vorstand bilden. Das sind Klaus Ernst, Thomas Händel, Axel Troost und Felicitas Weck, alle vier übrigens Doppelmitglieder.

Und diese vier sind für die schnelle Fusion?

Nach außen hin ja. Allerdings scheint sich auch da etwas zu rühren und zu tun. Damit muss man sehr vorsichtig umgehen. Viele in der Bevölkerung sehen durch die Bundestagswahl die Fusion schon als vollzogen an. Und andererseits wollen ebenso viele mit der Linkspartei nicht. Das ist ein schwieriges Geschäft.

Und das ist das Hin und Her, das es auch in Wilhelmshaven und Umgebung gibt: einerseits Eintritte von WASGlern in die Linkspartei, andererseits Austritte?

Die Spaltung verläuft nicht zwischen WASG und Linkspartei. In der Linkspartei sind ja auch viele, die diesen Kurs nicht mitmachen wollen, die eine innerparteiliche Opposition bilden und die das richtig finden, was auch die WASG-Opposition will. Die es nicht richtig finden, als im Westen gescheiterte PDS auf den WASG-Zug aufzuspringen.
Es ist doch klar, dass die Linkspartei ohne die WASG-Mitglieder auf ihren Listen im Westen längst nicht so viele Stimmen bekommen hätte. Und sie wäre nicht in Fraktionsstärke im Bundestag. Natürlich brauchen wir eine gemeinsame linke Fraktion. Wir können und dürfen nicht gegeneinander arbeiten. Das ist wirklich eine historische Chance. Das Problem ist, was sich da hinter den Kulissen abspielt. Was z.B. in Niedersachsen passiert ist: Die Linkspartei hat hier in Niedersachsen 600 bis 700 Mitglieder, die WASG etwas über 1200. Dann wurde die Landesliste für die Bundestagswahl aufgestellt, und die Linkspartei hat sofort die Plätze 1 und 2 für sich beansprucht. Es gibt Leute, die auf Pöstchen und Macht aus sind. Und viele WASGler, die vor zwei Jahren zu uns gekommen sind, haben sich frustriert zurückgezogen und sind wieder auf dem Sofa.

Auch in Wilhelmshaven?

Ja.

Wie viele?

Fünf oder sechs bestimmt.

Von wie vielen?

Wir hatten an die 40 Mitglieder hier.

Und fünf oder sechs sind ausgetreten.‘

Ausgetreten sind wahrscheinlich sogar mehr. Ich bekomme nicht immer genaue Meldungen. Ich schätze, dass wir hier in Wilhelmshaven etwa noch 30 haben.

Wenn man es nicht an der Mitgliederzahl festmachen kann, dann ja vielleicht an den Versammlungen?

Richtig. Vor einem Jahr waren zwischen 15 und 20 Leute immer da. Auf der letzten Mitgliederversammlung waren wir noch sechs Leute. Das ist ein Zeichen dafür, dass viele sich zurückziehen und abwarten, was kommt. Und auf Niedersachsen-Ebene: Da ist es für die L.PDS gelaufen. Die WASGler haben sich zurückgezogen, und die L.PDS macht die Politik.

Und wie wird es nun weitergehen? Die WASG wird sich 2007 in die L.PDS auflösen?

Das kann ich nicht beantworten. Es gibt da verschiedene Strömungen innerhalb beider Gruppierungen. Eine Seite sagt, aus rechtlichen Gründen wäre es nur möglich, dass die WASG in der Linkspartei aufgeht. Es geht da um Parteivermögen. Andererseits gibt es Staatsrechtler, die das für Schwachsinn halten. Die sagen, es ist sehr wohl möglich, dass beide Parteien eine neue Partei bilden. Und in diese neue Partei treten dann beide Seiten ein, und das Vermögen der Linkspartei ist gesichert. Diese Diskussion ist noch nicht abgeschlossen. Der Name wird jedenfalls wahrscheinlich „Die Linke“ sein.

Und wie verhalten sich dann die Oppositionellen? Wirst du z.B. beitreten?

Das hängt von der Satzung und vom Programm ab. Jetzt muss ich noch mal das Beispiel Berlin heranziehen. Da gab es einen Landesparteitag der L.PDS. Und von den Delegierten haben sich 80 % für eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD ausgesprochen. Dabei muss man wissen, dass von diesen 80 % wiederum 90 % Mandate haben in den Abgeordetenhäusern usw. oder bei der Linkspartei angestellt sind. Dass die das so wollen, um ihre Posten zu sichern, ist verständlich. Wir Oppositionellen wollen Amt und Mandat völlig trennen. Mandatsträger dürfen keine Delegierten auf Parteitagen sein. Das ist für uns ein ganz wichtiger Punkt.

Du meinst jetzt die Opposition innerhalb der WASG.

Richtig. Wir nennen uns „Netzwerk linke Opposition“ (NLO). Es geht dann außerdem noch um Quotenregelungen – die Linkspartei hat ja keine Frauenquote. Das Wichtigste ist aber die Trennung von Amt und Mandat. Sonst hat man ganz schnell dasselbe wie in den etablierten Parteien: Die Bundestagsfraktion sagt, so wird es gemacht, und dann wird es so gemacht.

Das Futtertrog-Syndrom?

Genau. Und wenn wir das tun, sind wir blitzschnell da, wo die bürgerlichen Parteien auch sind. In der Linkspartei ist es auch schon so. Von der Basis kriegt man kaum etwas mit. Die Partei ist sehr undurchlässig nach oben hin. Und die Mandatsträger können auch Delegierte sein, und die mauern dann alles fest.

Wie sieht das bei denen aus, die noch zu den WASG-Versammlungen in Wilhelmshaven kommen? Gibt es da beide Strömungen, oder sind die noch Aktiven geschlossen in der linken Opposition?

Letzteres. Jedenfalls ist es nicht anders erkennbar. Mag sein, dass es den einen oder anderen gibt, aber geäußert hat sich noch keiner anders.

Das heißt, ihr hier seid euch einig?

Ja.

Vielen Dank für das Gespräch.

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