JadeKost
Feb 071995
 

Kanarienvogel

Jadekost: Viel Hoffnung – wenig Chancen

(hk) Der Konkurs der Firma JadeKost und mit ihr der gesamten Bartels-Gruppe von Nordfrost über Frisia-Fleisch und der Nordfrost-Spedition bis hin zum Wilhelmshavener Schlachthof kann niemanden überrascht haben – wer anderes behauptet, ist ein Heuchler.

Zu der Zeit, als die Ansiedlung der Firma JadeKost in die konkrete Planung ging, war schon klar, daß Horst Bartels sich mit seinen JadeKost-Produkten in einen gesättigten Markt drängen wollte. Das kann dann klappen, wenn genügend Kapital vorhanden ist, um die kreditgebenden Banken zu bedienen und gleichzeitig noch mit Dumping-Preisen den Abnehmern das Produkt schmackhaft zu machen. Bartels‘ Rechnung ging nicht auf – er war angetreten, mit seinen Gewinnen aus den Nordfrost- Geschäften die Konkurrenz auszustechen – doch letztendlich verlegte er seinen Wohnsitz nach Gran Canaria, und 500 Menschen müssen um ihre Arbeitsplätze bangen.

Leere Hallen

Bartels‘ dünne Kapitaldecke wurde schon. lange vor Produktionsaufnahme bei JadeKost sichtbar: der Verkauf von Kühlhäusern, die leerstehenden Hallen in Jütrichau bei Zerbst. Noch deutlicher wurde die prekäre Lage von Bartels, als er in der zweiten Hälfte des letzten Jahres bei der niedersächsischen Landesregierung um eine Bürgschaft von 35 Millionen anstehen mußte, denn hier kamen erstmals Zahlen auf den Tisch. Daß die Gewährung dieser Bürgschaft in Kenntnis der Bartels’schen Schwierigkeiten nicht so ganz mit den Gewährungsbedingungen in Einklang zu bringen war, dürfte heute unumstritten sein. Die Konstruktionen von Minister Fischer (Mittel der Wirtschaftsförderung usw.) sprechen da Bände. Doch was wäre passiert, wenn die Bürgschaft nicht gewährt worden wäre? Die Schlagzeilen in der Wilhelmshavener Zeitung hätte ich lesen mögen! Die Pleite des Bartels-Imperiums wäre um einige Wochen oder Monate vorgezogen worden, der Landesregierung wäre wegen der nicht gewährten Bürgschaft der Schwarze Peter zugeschoben worden und der Herr Bartels wäre fein raus gewesen. Noch schlimmer wäre, daß es dann keinen Betriebsrat, keine Gewerkschaft bei JadeKost gegeben hätte – gerade die Organisationen, die sich heute als besonders stark im Kampf um die Erhaltung der Arbeitsplätze herausschälen. Unverständlich bleiben dabei allerdings Äußerungen wie die des Gewerkschaftsekretärs der NGG, Klöpping, daß „JadeKost ein Opfer des radikalen Konkurrenzkampfes“ wurde – hier wurde wohl der Täter zum Opfer gemacht!
Die Frage, wie es zur Bartels-Pleite kam, wird sicherlich noch einige Zeit unbeantwortet bleiben – ob dabei ein neues Kapitel im „dreckigen Sumpf“ aufgeschlagen wird, bleibt abzuwarten. Die Akteure von damals haben jedenfalls verblüffende Namensähnlichkeiten mit denen von heute.

Wie geht es weiter?

Die Frage, wie es mit JadeKost und Nordfrost weitergeht, ist da viel interessanter. Mit der Aussage des Sequesters Trautmann, daß „Angebote von Mitbewerbern weniger gefragt“ sind, schrumpft der Kreis der Interessenten gegen Null. Daß Trautmann nicht scharf auf einen Mitbewerber, sprich Konkurrenten, ist, ist verständlich – die Gefahr, daß dieser den Betrieb hier kaufen und dann plattmachen würde, ist angesichts der vorhandenen Überkapazitäten auf dem Markt nicht von der Hand zu weisen. Doch wer kann Interesse haben, den Kampf von Horst Bartels weiterzuführen? Vielleicht jemand, der schon bei den großen Verbrauchermärkten ein Bein an Deck hat und seine Angebotspalette um die JadeKost-Produkte erweitern will? Der Kampf um Marktanteile wird weitergehen, oder die Hallen der JadeKost werden spätestens Ostern leerstehen.

Was macht Horst Bartels?

Fein aus der Affäre gezogen hat sich dagegen der Horst Bartels. Er verlegte seinen Wohnsitz nach Gran Canaria, wo er als nicht ganz armer Mann bekannt ist und über Immobilien und zwei gutgehende Kneipen mit Jever-Pils im Ausschank verfügt. Seine Firma, die „Nordfrost Canarias S.A.“ hat er pünktlich im letzten Jahr an den ehemaligen Betriebsleiter dieser Firma veräußert. Ob allerdings dieses Geld zur Verhinderung der JadeKost-Pleite eingesetzt wurde, entzieht sich unserer Kenntnis.


 

Wer den Schaden hat…

… braucht für den Spott nicht zu sorgen. Dies dachten auch die MitarbeiterInnen von Horst Bartels, als sie am 20.1. 95 folgenden Brief von ihm erhielten:

Wilhelmshaven, 20. Januar 1995

Liebe Mitarbeiterinnen, liebe Mitarbeiter,

wie Sie alle wissen, ist uns durch die Politik der EU nicht nur der größte Teil der Geschäftsgrundlage im Kühlhausbereich entzogen worden, sondern zusätzlich geriet dadurch auch noch das Auftragsvolumen der Privatwirtschaft unter erheblichen Preisdruck. Dies alles geschah praktisch von Heute auf Morgen, so daß keinerlei Anpassungschance bestand. (..) Mit übelsten Nachreden und Machenschaften wurde die Situation von Seiten unserer Konkurrenz schamlos ausgenutzt, so daß unermeßlicher geschäftlicher Schaden die Folge war. Die bedrückende und zeitweise unerträgliche Situation besteht nun schon seit 1 1/2 Jahren.

Ich habe in dieser Zeit die Lebensfreude verlernt. Dennoch habe ich mich immer wieder aufgerafft und oft krampfhaft jedes Anzeichen der Hoffnung aufgegriffen und weitergekämpft. In diesen Stunden muß ich erkennen, daß der Kampf beendet ist, dass alle Mühen umsonst waren. Natürlich sind auch Fehler gemacht worden, aber, daß die Umstände ein ehemals so blühend dastehendes Unternehmen so in die Knie zwingen können, ist für mich nach wie vor unfaßbar. Schmerz und Trauer, die mich bewegen, sind in Worten nicht auszudrücken. Ich kann die weitere Entwicklung vor Ort nicht ertragen und habe mich deshalb entschlossen, meinen Wohnsitz hier in der Region Wilhelmshaven/Friesland aufzugeben.

Ich danke allen, die in der Vergangenheit und vornehmlich in den Anfängen mitgestritten haben, mit viel Idealismus und selbstlosem Einsatz. Wie stolz sind wir alle immer gemeinsam auf das von uns Erreichte gewesen. Wie viele Entbehrungen hat es gegeben, aber wie schön war auch die Zeit. Ich sorge mich um Ihre Zukunft, meine lieben Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich hoffe und bete zu Gott, daß sich für jeden die Dinge erträglich regeln lassen. Ich wünsche mir von Herzen, daß Sie alsbald wieder optimistisch in die Zukunft schauen können. Bitte haben Sie Verständnis, daß ich mich in dieser Form von Ihnen verabschiede. Ihr

Unterschrift Horst Bartels

Fehlt nur der Zusatz: Ihnen allen wollte ich noch ein Ticket nach Gran Canaria beilegen, aber da hatte ich die Kuverts schon zugeklebt. (iz)

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