Jade-Port
Mai 141999
 

Zum Wachstum verdammt

Arbeitsplätze durch den Jade-Port?

(jm) Wie von Geisterhand gezogen gleiten die orangefarbenen Containerträger über den Kai. Automatisch gesteuerte Vehikel (AGV) werden sie genannt, die computergesteuerten Fahrzeuge. Sie bewegen sich auf unsichtbaren Bahnen von und zu den Containerbrücken. Massige Greifarme bestücken die führerlosen Vierräder im Minutentakt mit Containern oder heben sie auf die Schiffe.

So berichtete ein Redakteur der Wilhelmshavener Zeitung über seine Eindrücke, die er von dem Besuch eines Rotterdamer Container-Terminals mitgebracht hat. Beiläufig bemerkt er in seinem Report, dass Menschen bei der Containerverladung per Computer kaum zu sehen waren, um anschließend zu beschreiben, welcher Leistungs- und Automatisierungsgrad bereits erreicht ist: Jede der acht riesigen Kranbrücken (…) kann bis zu 60 Container pro Stunde umsetzen. Drei Leute betreiben die Anlage.
Das bedeutet – nehmen wir mal ein Gewicht von 20 Tonnen pro Container an – dass an diesem Terminal 230.400 Tonnen an einem Tag umgeschlagen werden können. Die theoretische Jahresumschlagkapazität beträgt danach 4,2 Millionen Container bzw. 84 Millionen Tonnen; also doppelt so viel wie der letztjährige Rekordumschlag von WRG, Niedersachsenbrücke und NWO zusammengenommen.

Man muss sich das mal vorstellen: Bei einem Einsatz von neun Leuten im Drei-Schichtenbetrieb ist das eine Tagesleistung von 25.600 Tonnen pro Person. Da reicht weder die NWO noch die WRG geschweige denn die Midgard auf der Niedersachsenbrücke ran. Das heißt umgekehrt, dass die vielbesungene Wertschöpfung- zumindest was den Anteil der Arbeitsentgelte betrifft – beim dortigen Containerumschlag noch geringer ausfällt, als beim hiesigen Öl- oder Kohleumschlag.
Bei einem in der Jade-Port-Studie für das Jahr 2010 prognostizierten Umschlag von 1,2 Millionen 20 Fuß-Containern hätte der Jade-Port unter o.a. Bedingungen nur eine Auslastung von 114 Tagen im Jahr. Er könnte also unter diesen Voraussetzungen noch nicht einmal Vollzeitjobs für neun Menschen bieten.

Ein Vergleich:
In Bremerhaven wurden im vergangenen Jahr 1.069 Leute damit beschäftigt, 1,1 Millionen Container bzw. 1, 8 Millionen TEU umzuschlagen. Die Entwicklung in Rotterdam zeigt aber an, dass es auch in Zukunft nicht um das Halten der Beschäftigtenzahlen, geschweige denn um das Schaffen neuer Arbeitsplätze geht, sondern um deren Abbau des nackten Überlebens willen.

Wie das geschafft werden soll, dazu Bremens (Noch-?)Bürgermeister Dr. Henning Scherf:
Mengenwachstum und Erfolg (Gewinn) fallen nicht zusammen. Aber nur über Mengenwachstum kann die BLG innere Möglichkeiten der Rationalisierung nutzen, sei es durch Ersetzung der Arbeitskraft durch Technik im operativen Umschlag oder durch Einsatz der EDV auf allen betrieblichen Ebenen. Wachsen oder Weichen!
Bremen hat sich bekanntlich fürs Wachsen – und die damit verbundenen irrsinnigen Kosten – entschieden. Für die Beschäftigten bedeutet das jedoch lediglich einen gestaffelten Rückzug aus dem Hafen. Daran werden mittel- bis langfristig weder der beschlossene Zubau der Container Terminals (CT) 3A noch der geplante CT IV in Bremerhaven etwas ändern. Und während man in Wilhelmshaven und umzu noch von einem kräftigen beschäftigungswirksamen Impuls für die regionale Wirtschaft träumt, der von der Verwirklichung eines Jade-Ports ausgehen könnte, plant man in Bremerhaven einen Vergnügungs- und Konsumtempel namens Ocean-Park mit der Begründung, Arbeitsplätze schaffen zu müssen.

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