Gegenwind-Gespräch: Die Grünen
Mai 141999
 

Das Hemd näher als die Hose

Gegenwind-Gespräch mit der Ratsfraktion der Grünen

grüne logo(hk/noa) Die Grünen haben sich sehr verändert. Die Bundesgrünen versuchen die Besten im Krieg gegen Jugoslawien zu sein und die Wilhelmshavener Grünen werfen, jedenfalls hat es den Anschein, Stück für Stück die grünen Grundsätze über Bord. Unseren Fragen stellte sich die gesamte Wilhelmshavener Ratsfraktion.

Gegenwind: Die Grünen in Wilhelmshaven haben ihren Partner gewechselt.
Gerd Kläne: Wir haben uns mit den Leuten von der CDU gut verstanden. Es gab keine Reibereien. Nach einer gewissen Zeit stellte sich dann heraus, dass sie z.B. im Umweltausschuss nicht die Gruppenlinie gehalten haben, wie bei der Entscheidung über die Öko-Siedlung. Im Rat haben wir mit der CDU mit einer Stimme abgestimmt – und im Umweltausschuss stimmten die Leute aus der eigenen Gruppe gegen uns.

Gegenwind: Bei der Öko-Siedlung hat euer neuer Partner aber auch nicht mitgezogen.
Gerd Kläne: Aber mit denen waren wir zu dem Zeitpunkt ja auch nicht in einer Gruppe. Der Bundestagswahlkampf der Wilhelmshavener CDU hat uns auch nicht gepasst. Die Wahlspots, die Maaß da reingebracht hat, die waren unter aller Sau. Da war für einen Teil von uns der Ofen schon aus. Dann wollte die CDU hier auf totale Fundamentalopposition gehen. Das hätten wir nicht durchstehen können und auch nicht wollen.

Gegenwind: Im letzten Gespräch mit dem Gegenwind sagte Marianne: “Die CDU-Leute sind sehr offen, sie haben ein offenes Ohr für uns. Viele grüne Gedanken sind dadurch in diese Zusammenarbeit eingeflossen.” (GW 144, Februar 98). Und heute?
Marianne Fröhling: Die Sitzung des Verwaltungsausschusses zur Öko-Siedlung – das war so schrecklich. Ich habe die Sitzung heulend verlassen. Wir wollten, in Absprache mit Herrn von Teichmann von der FDP, versuchen, noch eine Woche Aufschub zu erreichen, damit die Leute von der Öko-Siedlung eine Chance bekommen, noch einmal mit Stadtrat Frank zu sprechen. Die hatten doch nie eine Chance gehabt. Und das hatte ich auch der CDU gesagt. Wir hätten Herrn Frank zwingen können, mit denen zu reden. Dieser Vorschlag wurde dann ja abgeschmettert. Dieser Verein hat mehr als drei Jahre an dem Projekt gearbeitet, hat viel Geld investiert – und dann stimmt die CDU nicht einmal mit uns, um denen noch eine kleine Chance zu geben. Das war für mich ein Bruch – ich konnte mit den CDUlern nicht mehr reden, so enttäuscht war ich.
Gerda Kümmel: Bei den grünen, den ökologischen Positionen, da hatten wir Schwierigkeiten mit der CDU, bei den sozialen Fragen haben wir eine Linie finden können.
Gerd Kläne: Aber auch nicht immer! Diese Sozialhilfeschnüffelei der CDU hat uns überhaupt nicht gepasst. Es kam auch ein Bruch mit der personellen Veränderung in der CDU-Fraktion. Biester und Friedrichs – das ist ein Unterschied. Der eine ist moderat, liberal, steht über den Dingen, und Friedrichs ist ein Wadenbeißer, der ist eng. Gut, Menschen sind so, wie sie sind.

Gegenwind: Das anfänglich recht herzliche Verhältnis mit der CDU veränderte sich also zusehends?
Gerda Kümmel: Der Wille war bei beiden Seiten gleich: Wir wollen eine starke Opposition! Was wir wahrscheinlich unterschätzt haben, waren die unterschiedlichen politischen Ansichten; irgendwann im Laufe der Zeit, das ist ja bei Partnerschaften oft so, lernt man sich richtig kennen.
Marianne Fröhling: Uwe Biester kam dann in den Landtag – und da ist für die CDU reine Oppositionspolitik angesagt. Wir hatten plötzlich das Gefühl: Das gilt jetzt auch für die Kommune. Als dann die Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft kam – das hätten wir nicht durchgestanden. Aber da waren wir ja auch schon getrennt.
Gerd Kläne: Das war untragbar!

Gegenwind: Und mit der SPD? Ihr wart doch eigentlich froh, dass ihr aus diesem Verhältnis raus wart.
Gerd Kläne: Die Fäden zur SPD waren nie völlig abgerissen. Die SPD hat mit uns Gespräche geführt, hat gefragt, ob wir zu Gesprächen bereit wären, wenn da mal irgend etwas schief laufen würde. Auch die SPD hat sich geändert. In den Gesprächen haben wir gespürt, dass die Bereitschaft zum gemeinsamen Handeln da war – logisch, die SPD brauchte eine stabile Mehrheit im Rat – aber es war eine große Offenheit in den Gesprächen. Wir waren auch sehr überrascht über den Fraktionsvorsitzenden der SPD, Siegfried Neumann, dass der so offen verhandelte. Eine Liebesheirat war es dennoch nicht – wir müssen lernen, miteinander umzugehen.

Gegenwind: Euer Verhältnis zu Eberhard Menzel war sehr getrübt. Wie hat er sich verhalten? G
erd Kläne:
Der hat wirklich Größe bewiesen!
Gerda Kümmel: Es ist eine reine Vernunftehe. Die SPD braucht eine stabile Mehrheit im Rat, und wir brauchen eine Grundlage zur Verwirklichung unserer Politik. Da gibt es keine Euphorie.

Gegenwind: Auslöser fürs Zusammengehen mit der SPD war die Auseinandersetzung um das Jade-Leasing-Modell.
Marianne Fröhling: Das stimmt so nicht. Wir waren ja zu Anfang skeptisch gegenüber dem Leasing-Modell, wie es von Herrn Frank vorgestellt wurde. Aber nach vielen Gesprächen, insbesondere mit der Wohnungswirtschaft, haben wir erkannt: Das geht! Da wussten wir aber noch nicht, dass die CDU plötzlich gegen dieses Modell war und auch nicht, dass Herr von Teichmann da nicht mitmacht. Die Jade war nicht der Auslöser.

Gegenwind: Wie steht’s denn jetzt um die Wohnungsbaugesellschaft Jade?
Werner Biehl: Wir wissen nicht, was die Bezirksregierung will. Man hört gar nichts mehr. Was die vorhaben, was deren Politik ist – das ist nicht mehr nachvollziehbar. Da ist Stillstand!

Gegenwind: Eure Zustimmung zum Jade-Leasing-Modell hatte die SPD ja schon in der Tasche – was wurde noch gefordert, um euch ins Bett zu holen? Eure Zustimmung zur Hornbachansiedlung?
Gerd Kläne: Da haben viele mit gezinkten Karten gespielt: Die Umlandgemeinden und auch die IHK! 1995 wollte die Gemeinde Schortens Hornbach ums ehemalige Olympiagelände ansiedeln. Da hat die Bezirksregierung gesagt, dass eine solche Ansiedlung nicht in einem Grundzentrum wie Schortens durchführbar ist- so etwas gehört ins Oberzentrum Wilhelmshaven. Ich habe bei der Bezirksregierung angerufen und gefragt, was passiert, wenn sich Wilhelmshaven gegen Hornbach entscheidet. Man hat mir darauf gesagt, dass in diesem Fall die Bezirksregierung neu nachdenken muss, ob eine Ansiedlung in den Umlandgemeinden zum Zuge kommt. Und als Gemeindedirektor Schmitz (Schortens) verbreitete, dass die Ansiedlung des Hornbach-Marktes um das TCN-Gelände gar nicht möglich wäre, habe ich erneut bei der Bezirksregierung nachgefragt. Da hat man nur gelacht und mir gesagt, dass die Ansiedlung 1995 klar gegangen wäre, warum heute nicht? Die spielen doch mit gezinkten Karten! Wenn wir Nein sagen, und 1000 Meter vor der Stadtgrenze entsteht ein solcher Markt – die Auswirkungen auf die Innenstadt wären nicht anders! Und darum entschieden wir uns für Hornbach in Wilhelmshaven.
Werner Biehl: In Wilhelmshaven muss für einen solchen Markt ein Sondergebiet eingerichtet werden, in dem Sortimentsbeschränkungen gelten, die sich auch auf die Gewerbe im Umkreis beziehen. Diese Beschränkungen wären im Umkreis des TCN gar nicht möglich
Gerda Kümmel: Kommt Hornbach nach Wilhelmshaven, dann können wir darauf Einfluss nehmen – 1000 Meter weiter können wir das nicht mehr!

Gegenwind: Wie stumpf die Waffe der Sortimentsbeschränkungen ist, sehen wir bei Marktkauf.
Gerd Kläne: Richtig. Marktkauf liegt auf einer anderen Ebene. Wir bestehen bei Hornbach darauf, und das wird auch im Protokoll stehen, dass diese Politik der Aufweichung der Beschränkungen wie bei Marktkauf nicht erfolgen darf! Darauf werden wir pochen!
Werner Biehl: Man hat Marktkauf schon bei der Ansiedlung versprochen, dass die Sortimentsbeschränkungen aufgehoben werden – man wollte Marktkauf unbedingt haben.
Gerd Kläne: Diese Märkte am Stadtrand, auf der grünen Wiese, widersprechen ja eigentlich grüner Lehre und Position – aber ich weiß nicht, ob diese Position von vor 10, 15 Jahren noch haltbar ist. Wir haben vor 15 Jahren für Kröten und sonst was gekämpft – das soll nicht vergessen werden. Aber das kann doch nicht unsere ausschließliche Politik sein. Was wollen die Leute, die gegen Hornbach sind, denn für Wilhelmshavens Zukunft tun?

Gegenwind: Schortens’ Gemeindedirektor Schmitz hat eindeutig ein Interesse der Gemeinde Schortens an Hornbach verneint. Das glaubt ihr ihm nicht?
Gerd Kläne: Nein!

Gegenwind: Habt ihr denn mit den Umlandgemeinden gesprochen?
Werner Biehl: Ich habe vor 2 Jahren mit Herrn Schmitz ausführlich telefoniert – da war das noch nicht so zugespitzt. Hornbach zeigte sich gerade mal als rosiger Schimmer am Horizont. Die ersten Aufregungen – Innenstadtrelevanz usw. – da hat Schmitz mir erzählt, wie er bei der Bezirksregierung war und sich um Hornbach bemüht hat und dass die Bezirksregierung ihm gesagt hat, dass das Unterzentrum Schortens keine Chance habe, weil das Oberzentrum vorgehe. Ich will aber noch auf eine taktische Sache aufmerksam machen. Als Umlandgemeinde, egal ob Schortens, Sande oder wer auch immer, kann ich hervorragend Einwendungen bringen. Ich kann dagegen sein, Unverständnis äußern. Und wenn Wilhelmshaven dann weich ist und sagt ‘Okay, dann machen wir’s eben nicht’, was machen dann wohl die Umlandgemeinden?

Gegenwind: Es muss doch eine vernünftige Entwicklung der gesamten Region möglich sein. Wilhelmshaven kann doch nicht ohne Rücksicht auf Verluste alles an sich reißen. Und genau das wird euch ja auch von euren Parteifreunden aus dem Umland vorgeworfen, dass ihr so tut, als sei Wilhelmshaven der Nabel der Welt!
Marianne Fröhling: Moment! Was ist denn mit den Umlandgemeinden? Wittmund hat den riesigen Hagebaumarkt mit 14.000 m² – Maschal in Altjührden, OBI in Jever und so weiter – dagegen haben sich die Grünen im Umland allerdings nicht zur Wehr gesetzt. Das sind Sachen, die ich nicht nachvollziehen kann. Warum fragen die Grünen aus dem Umland nicht mal bei uns nach, bevor sie sich gegen unsere Entscheidungen stark machen? Ich habe unsere Gründe für Hornbach denen rübergefaxt – das Papier ist da nicht einmal vorgelesen worden! Man kann doch nicht immer nur sagen: Ihr bösen Wilhelmshavener Grünen. Da muss man sich doch vorher an einen Tisch setzen und miteinander reden! Nur so kann man auf einen Nenner kommen.
Gerd Kläne: Der Hauptgrund, dass wir uns für Hornbach entschieden haben, war, dass wir nicht glauben, dass die Umlandgemeinden nach einem Nein aus Wilhelmshaven bei der Stange bleiben. Da war uns das Hemd näher als die Hose.
Werner Biehl: Wilhelmshaven bezahlt jetzt tüchtig dafür, dass es sich an den Umlandvertrag gehalten hat. Die anderen sind alle saniert – schaut euch doch mal die Fußgängerzonen und die feinen Gewerbegebiete im Umland an – denen geht’s erheblich besser als uns. Wir müssen z.B. das Theater sanieren, wir halten die Infrastruktur für die Umlandgemeinden vor – dafür geben die keine müde Mark aus! Natürlich hat dieses Konkurrenzdenken auch seine Ursachen, seine Geschichte. Wie sind Wilhelmshavens Politiker denn bis vor kurzen noch in den Gemeinden aufgetreten? Doch nur mit hocherhobenen Nasen! Und da kam der Bruch zwangsläufig. Es wird lange dauern, um das wieder aufzuknacken – da muss wahrscheinlich erst eine ganze Politikergeneration aus- sterben!

Gegenwind: Eure Hornbach-Entscheidung ist sicher nicht geeignet, diesen Bruch wieder zu kitten.
Gerd Kläne: Es tut uns auch weh. Aber das war eine rein rationale Entscheidung.

Gegenwind: Und was ist mit den Bedenken der Wilhelmshavener Kaufleute?
Gerd Kläne: Ich glaube, dass die Wilhelmshavener Kaufmannschaft hier viel verschlafen hat. Immer nur von der Kommune Konkurrenzschutz fordern, oder macht dies für uns und macht das für uns, das geht doch nicht. Ich vermisse die Eigeninitiative der Wilhelmshavener Kaufleute!
Marianne Fröhling: Der Herr Leffers hat sich hingestellt und gesagt, dass er sich dafür verbürgen kann, dass Hornbach weder nach Wilhelmshaven noch nach Emden kommt. Inzwischen hat Hornbach einen Anwalt eingeschaltet, dass er das zurücknehmen muss. Warum macht der so etwas? In Emden ist schon alles fertig – die Wege, die Infrastruktur. Die haben da über Herrn Leffers gelacht!
Gerda Kümmel: Die Entwicklung begann ja schon viel früher – als der Konsum und die ersten Einkaufsmärkte gegründet wurden. Da haben die kleinen Läden auch gesagt: Wir gehen alle kaputt! Und das kam dann ja auch so – aber diese Entwicklung war und ist doch nicht aufzuhalten. Wir können nur versuchen, eine Schadensbegrenzung zu machen, aber aufhalten können wir diese Entwicklung nicht. Auch wir Grünen müssen mit der Zeit gehen – aber wir können nicht die Kaufleute dieser Stadt vor Wettbewerb schützen. Auch die Alteingesessenen müssen kreativ und innovativ sein.

Gegenwind: Es ist doch ein Unterschied, ob man vor Wettbewerb schützt oder ob man die eben beschriebene Entwicklung fördert. Eine Entwicklung, die zumindest nach Meinung der Kaufleute zu einer weiteren Verödung unserer Innenstadt führen wird. Die Marktstraße ist dafür ein gutes Beispiel!
Marianne Fröhling: Ich bin vor kurzem mal ganz bewusst die Marktstraße von Karstadt bis ganz nach oben entlang gelaufen und habe mir angeschaut, wie viele Läden da frei sind. Und das ist in Emden auch nicht anders – und das alles ohne Hornbach!

Gegenwind: Aber gerade diese Entwicklung wird durch Hornbach doch noch verschärft.
Marianne Fröhling: Das liegt an den hohen Mietpreisen – gerade in der Marktstraße, da kann sich ein kleines Unternehmen nicht halten. Stadtbaurat Kottek hat gesagt, dass in der Marktstraße Mieten verlangt werden wie in den besten Einkaufsvierteln Hamburgs. Das kann’s doch nicht sein!

Gegenwind: Diese überhöhten Mieten sollten ja durch den Bau der Nordseepassage gedrückt werden – so stand’s jedenfalls in den Gutachten.
Gerda Kümmel: Für die Marktstraße West zum Beispiel – da muss man neue Ideen bringen. Edelboutiquen können da nicht existieren. Da muss ein ganz anderes Konzept her – vielleicht Musikkneipen, Weinstuben usw. Es gibt ja auch schon gute Ansätze – Sportstudios und Ähnliches. Klar ist, dass wir für diesen Bereich neue Ideen brauchen – da muss neues Leben rein.
Werner Biehl: Stadtentwicklung wird heute von Investoren betrieben. Die suchen sich eine Region nach ihren Vorstellungen aus, sagen, da wollen wir hin, wir investieren ein paar Millionen, schaffen 80 Arbeitsplätze – da knickt heute jede Stadtverwaltung ein.

Gegenwind: Die Advance-Bank am Südstrand ist dafür ein schönes Beispiel.
Werner Biehl: Das wäre ein Standort für ein schönes Hotel oder etwas Ähnliches. Das zeigt ja die Perversion der Entwicklung.
Gerd Kläne: Es muss gelingen, dass diese Stadt sich ein Leitbild schafft, hinter dem die Bürger, die Vereine und die Politiker stehen.

Gegenwind: Ein solches Leitbild gibt es ja schon: Der Jade-Port. Und da habt ihr euch ja auch sehr weit aus dem Fenster gehängt – für eine grüne Partei schon etwas erstaunlich.
Werner Biehl: Die Grünen aus der Küstenregion treffen sich zwar regelmäßig, aber wie gehen wir mit den Problemen um? Die einen haben Probleme mit der Windenergie, die anderen mit dem Tourismus – nur über Hafenpolitik spricht niemand. Da werden in alle Häfen Millionenbeträge gepumpt und alles läuft neben- und gegeneinander. In Bremerhaven, Emden, Cuxhaven, Wilhelmshaven, überall wird investiert und nirgends wächst etwas Richtiges, weil die Häfen sich gegenseitig Konkurrenz machen. Eine Ökonomiefalle! Wir wollen jetzt eine breite Diskussion mit allen Hafenstädten, inklusive Bremen und Hamburg, auf Grünen-Ebene beginnen. Wir haben auf der letzten Versammlung in Delmenhorst sehr detailliert und kompetent die Probleme und Chancen des Wilhelmshavener Hafens dargestellt und diskutiert. Darüber nachdenken, ob das Jadefahrwasser zu mehr taugt, als zu dem, was bisher da ist, ist das schon Ketzerei? Das ist die Frage! Was ich nicht will, ist eine Situation wie an der Ems. Da ist mit unheimlich viel Geld und wirtschaftlichem Druck dieses Emssperrwerk durchgepaukt worden, und den nicht beteiligten Verbänden blieb nichts anderes übrig als der Klageweg.

Gegenwind: Und das wollt ihr für den Jade-Port verhindern?
Werner Biehl: Ich möchte, dass frühzeitig die ganzen klageberechtigten Verbände ins Boot geholt werden, über alle Entwicklungen informiert werden, so dass schon im Vorfeld die ganzen Probleme diskutiert werden können. Was ist wo geplant, welche ökologischen Probleme tauchen da auf. Und daraus muss dann eine Art Hafenleitbild für unsere Küste herauskommen. Wir sind noch lange nicht so weit, dass schon Entscheidungen getroffen wurden.
Gerd Kläne: Man muss davon abrücken, sich von vornherein ein Denkverbot aufzuerlegen. Man muss die Sache mitverfolgen, sich beteiligen, sich einschalten. Mit Tourismus können wir unsere Stadt finanziell nicht sanieren. Ob das mit dem Jade-Port gehen wird, kann ich natürlich auch noch nicht beurteilen.

Gegenwind: Die Realisierung des Jade-Ports bedeutet dann doch auch die Schaffung eines Anschlusses an das Binnenwasserstraßennetz – also Ausbaggerung der Kaiserbalje.
Werner Biehl: Wenn der Jade-Port realisiert wird, dann braucht man einen anständigen Binnenwasserstraßenanschluss. Das ist ja der Vorteil der anderen Häfen, dass die 500 oder 1000 Kilometer weit ins Landesinnere angebunden sind.
Gerd Kläne: Die ursprünglichen Vorstellungen über den Ausbau der Kaiserbalje mit 60 Meter Breite – das war doch sowieso alles Quatsch. Die sind doch von unrealistischen Maßen ausgegangen.

Gegenwind: Die Vorstellung, dass da Tanker durch eine nur ein paar Meter breite Einbahnstraßenrinne quer durchs Hohe-Weg-Watt schippern, lässt uns schaudern. Das ist doch eine sehr schlechte und auch gefährliche Lösung. Wir sprachen von Leitbildern für die Stadt und für den Hafen. Wie steht es mit dem Leitbild EXPO am Meer? Das Oceanis-Projekt scheint ja nun zu klappen – ist aber, bisher jedenfalls nicht, kein Expo-Projekt, mehr informatives und schmückendes Beiwerk. Was läuft hier ab?
Werner Biehl: Ich finde es gut, dass Wilhelmshaven versucht, andere Städte und Regionen mit ins Boot zu ziehen – aber das passiert erst ein Jahr bevor die Expo ihre Pforten öffnet – das ist viel zu spät.
Gerd Kläne: Man kann sich kaum vorstellen, dass in einem Jahr die Expo am Meer eröffnet wird – so langsam müsste man doch etwas sehen.
Marianne Fröhling: Was ist aus den ganzen Planungen geworden, die man uns vorgelegt hat? Nichts! Die Wilhelmshavener Projekt Gesellschaft arbeitet ja wirklich auf Hochtouren, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass da nicht richtig was draus wird.
Gerda Kümmel: Das wird ein verlängertes Wochenende an der Jade!
Gerd Kläne: Das darf nicht sein!
Werner Biehl: Solange man nichts Definitives sieht oder hört, kommt man natürlich immer wieder auf ein von Ironie und Sarkasmus geprägtes Stammtischniveau.
Gerd Kläne: Es gibt hier keine Aufbruchstimmung. Nicht in der Verwaltung und noch weniger innerhalb der Bevölkerung.
Gerda Kümmel: Das ist ja auch alles so geheim. Wenn man nachfragt, heißt es immer, man habe soundsoviele Projekte mit soundsovielen Sponsoren, aber darüber darf man noch nicht reden, weil man sonst die Sponsoren verschreckt. Und alle klatschen und rufen Bravo. Ich komme mir dann immer vor wie bei “Des Kaisers neue Kleider”…
Gerd Kläne: Wir stehen natürlich auch weiterhin hinter der Expo. Wir fühlen uns dieser Stadt verpflichtet.

Gegenwind: Vielen Dank für das Gespräch.

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