Gleichstellung
Dez 012003
 

Zynisch

Behinderte bekommen erst dann Hilfe, wenn sie zeigen, dass sie diese Hilfe nicht brauchen

(noa) 2003 ist das Europäische Jahr der Menschen mit Behinderungen. Ziel dieses Jahres ist es, die rechtliche Gleichstellung behinderter mit nicht behinderten Menschen zu erzielen. 2003 ist auch das Jahr des sozialen Kahlschlags in Deutschland. Da ist es doch nur gerecht, dass die Menschen mit Behinderungen ebenso den Gürtel enger schnallen müssen wie die Menschen ohne Behinderung, oder? Wir halten Rückblick, wenn auch höchst unvollständig.

Das Landessozialministerium beabsichtigt, blinden Menschen künftig nur noch einen „gewissen Nachteilsausgleich“ statt des noch geltenden Landesblindengeldes von etwa 500 Euro im Monat zu zahlen. Der Landesvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, Adolf Bauer, sagt dazu: „Ausgerechnet bei den Blinden zu kürzen, halte ich für völlig unangemessen. Häufig ist es diesen Menschen nur durch große finanzielle Aufwendungen möglich, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.“
Finanzielle Aufwendungen sind auch notwendig, um Menschen, die durch Unfall oder Krankheit eine Behinderung erlitten, die Teilnahme am Arbeitsleben (wieder) zu ermöglichen. Ein Fall aus Wilhelmshaven aus diesem Jahr:
Carola Hinrichs (der Name wurde von der Redaktion geändert) ist körperlich und seelisch behindert. Nach einem Schlaganfall ist sie seit Jahren halbseitig gelähmt, und sie leidet an einer Depression. Nach Jahren eines sehr stark eingeschränkten Lebens hat sie wieder ein wenig Mut gefasst und möchte gern arbeiten. Ein Versuch, bei der ARTEC Beschäftigung zu finden, scheiterte daran, dass sie einen Termin verbaselte – dass sie für diesen Fehlschlag selber mitverantwortlich ist, sieht sie ein.
Sie machte im Sommer einen zweiten Versuch der beruflichen Wiedereingliederung. Das Berufliche Trainingszentrum (BTZ) war bereit, sie in eine so genannte Feststellungsmaßnahme aufzunehmen, in deren Rahmen sie die Möglichkeit hätte, ihre Belastbarkeit und Eignung zu erproben.
Wer die Kosten für Maßnahmen dieser Art trägt, wird je nach „Fall“ entschieden. Bezieht die behinderte Person Arbeitslosenhilfe, ist das Arbeitsamt zuständig; für die Wiedereingliederungskosten von RenterInnen muss der Rententräger aufkommen. Frau Hinrichs bezieht eine kleine Rente von der Landesversicherungsanstalt. In ihrem Fall hängt die Durchführung einer Maßnahme also von einer Finanzierungszusage der LVA ab.
Diese Zusage gab es nicht. Frau Hinrichs soll, da sie schon lange nicht mehr im Arbeitsprozess ist, ihre Belastbarkeit erst einmal im Rahmen von geringfügigen Jobs erproben!

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