Frei ist die See …
Jun 071994
 

...und der Busen bebt

Jede Menge schlitzohriger Ideen

(red) Wenn Jadeskipper in panischer Angst den schützenden Hafen aufsuchen, wenn in Hooksiel die Dachpfannen von Dächern purzeln; wenn in Dangast die original friesischen Teetassen in der Glasvitrine scheppern; wenn der Wilhelmshavener Rathausturm weit über Mittelmaß schwankt, dann ist nicht etwa ein Munitionsbunker der Marine in die Luft geflogen, hat uns auch kein Erdbeben mit 5,9 auf der nach oben offenen Richterskala heimgesucht. Nein, da ist nur wieder einmal der Wilhelmshavener SPD-Ratsherr Rath „auf Tour“.

Denn so war es im „Vorwärts“, dem Parteiorgan der SPD, unlängst zu lesen: „Wenn der bärtige Kommunalpolitiker auf Kaperfahrt geht, dann bebt der Jadebusen“. Und sein Auftragsschreiber Michael Scholing beläßt es im Artikel nicht bei dieser bebenden Aussage.
Er zeichnet ein Bild von dem selbsternannten Liekedeeler Störtebeker alias Arend Roland Rath, daß jeder, der ihn und die um ihn gewobenen Stories wirklich kennt, ein breites Grienen nicht unterdrücken kann. Da ist die Rede von „sich schier endlos quälenden Ratsherren“ (nix -frauen), bis sie ihm und seiner Piratenbraut Nicola den Pachtvertrag fürs damals marode Jugendgästehaus aushändigten. Da „muß“ jedes Jahr „die lokale Prominenz“ sein Labskaus in sich hineinstopfen. Da fehlt auch nicht der längst abgestandene Gag mit dem „Kuchen von geklauten Äpfeln“, der damals strafrechtlich nicht geahndet wurde, weil selbst ein Staatsanwalt weiß, daß man von Äpfeln eben nur Apfelmus und -saft bereiten, aber keinen Kuchen backen kann. Da wird dem Leser vermittelt, daß sich die Zahl der Übernachtungen in der Seeräuberfeste fast verdreifachte, wird die Umsatzzahl genannt und stolz vermerkt, daß man „acht neue Arbeitsplätze – und das zu alten Preisen“ geschaffen hätte (wobei offen bleibt, ob „alte Preise“ mit früher gezahltem Entgelt für Arbeitsleistung zu verstehen sind). Natürlich fehlen auch nicht die Übernachtungskosten auf Heller und Pfennig.
Neidlos muß man feststellen, daß dieser zottelbärtige – als Neuling im Rat sitzende – Sozialpädagoge und zum Gastronom avancierte Störtebeker-Verschnitt über jede Menge schlitzohriger Ideen verfügt. Sonst hätte er es wohl nicht geschafft, in das so seriöse Parteiorgan seinen Artikel als „Vorwärts-Titel“ unterzubringen, der vollgepackt mit Eigenwerbung – und trotzdem kostenlos – ist? Und das einige seiner Ideen ganz fix in die Büx gingen, scheint ihn nicht zu kratzen. Seeräuber sind hart.
Daß der Artikelschreiber A.R.R. außerdem noch „pfiffige Räubereien“ attestiert, ist seine Sache. Wäre dem wirklich so, der Ruf der SPD-Fraktion wäre dahin. „Pfiffig“ wohl seine Aufforderung an alle Vorwärts-Leser, ihm Geschichten über „moderne Piratentaten“ zuzuschicken. Motto: „Wie füllen wir unsere leeren Stadtsäckel?“ Für die besten zwei Ideen oder Aktionen spendiert er ein Wochenende für den „ganzen Ortsverein“, wobei dieser aber nur ein Miniverein (bis 20 Personen) sein darf.
Nun, wir könnten ihm schon einige Tips geben, wie und wo man sparen könnte, damit das Stadtsäckel nicht immer leer ist. Nur mit „modernen Piratentaten“ können wir nicht aufwarten. Doch wollen wir seinem Wunsch entsprechen und unsere Schreibe mit dem Störtebekergruß beenden, der da lautet: „Frei ist die See, frei die Erde, frei ist der Mensch.“ Und wir sind so frei und fügen hinzu: „Frei ist auch die Presse“.

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