Wahlkämpfer
Jan 312002
 

Geschlechterkampf II

Die Kämpfe der WahkämpferInnen in der SPD – Zweiter Teil

(red) Die Union hat auf Bundesebene die „K-Frage“ entschieden – zu Gunsten des männlichen Aspiranten. Eine führende Sozialdemokratin stellte Mitte Januar im „Stern“ fest, dass Angela Merkel hauptsächlich an ihrer Geschlechtszugehörigkeit scheiterte. In der SPD läuft es nichts anders als in der CDU/CSU, egal ob auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene. Im letzten Gegenwind haben wir in Erinnerung gebracht, wie das „starke Geschlecht“ in Person des Oberbürgermeisters Eberhard Menzel vor der Bundestagswahl 1994 versuchte, die Bundestagsabgeordnete Gabriele Iwersen zu drängen, von einer erneuten Kandidatur Abstand zu nehmen.
Ein Gleiches wiederholte sich vor der Bundestagswahl 1998.

Der Wilhelmshavener Gegenspieler Iwersens, der SPD-Unterbezirksvorsitzende Norbert Schmidt, hatte gegenüber der WZ den unfreundlichen und eigentlich unter Parteifreunden öffentlich nicht üblichen Satz unters Volk gebracht: “Ich kann nicht so lange warten, bis Gabriele Iwersen freiwillig ihre politische Karriere beendet.“
Wie Schmidt seine eigene Kandidatur vorbereitete, war auch nicht ganz uninteressant. Nicht nur böse Zungen behaupteten damals, er hätte sich geschickt selbst zum Kandidaten ausgelobt. Man muss aber auch wissen, dass der Grundstein für alle Karrieren in der Wilhelmshavener SPD, ob für wichtige Funktionen in der Parteiorganisation oder Ämter wie z.B. Landtagsabgeordneter, im SPD – Ortsverein Siebethsburg gelegt wurde. Wurde, weil man heute nicht mehr so recht weiß, ob nach den Querelen rund um den ehemaligen OV – Vorsitzenden und Ratsherrn Egon Dasenbrook, die letztlich mit dem Austritt Dasenbrooks aus der SPD endeten, diese Führungsrolle innerhalb der Wilhelmshavener Ortsvereine noch Bestand hat. Wer von diesem Ortsverein für würdig befunden wurde, hatte schon viel erreicht. Und der damalige Vorstand befürwortete als erster Ortsverein auch die Kandidatur von Schmidt. So blieb für ihn nur noch, auch die GenossInnen im eigenen Ortsverein von seiner Qualität als Nachfolger von Iwersen zu überzeugen. Da die Zeit für den SPD-Funktionär knapp wurde – die anderen Kandidaten (Iwersen und Heußen) rührten bereits heftig die Werbetrommeln – , wollte er schnell eine außerordentliche Sitzung seines Ortsvereins erzwingen.
Nun war aber das Amt des 1. Vorsitzenden des SPD-Ortsvereins Neuengroden seit Monaten nicht besetzt, da der Inhaber aus familiären Gründen seine Funktion nicht ausüben konnte. Für ihn übernahm ein bekannter Genosse und Gewerkschafter diese Aufgabe kommissarisch. Und der machte seine Sache sehr gut. Doch eine Sondersitzung des Vorstandes wollte der „Kommissarische“ – auch auf Schmidts Drängen – nicht einberufen. Das aber passte Schmidt nun gar nicht. Sein schlitzohriger Schachzug nach der Abfuhr: Er überging einfach den geschäftsführenden Vorsitzenden und „reaktivierte“ den inaktiven Vorsitzenden. Der berief – ganz im Sinne von Schmidt – eine Sitzung im Januar 1997 ein, wo in der Tagesordnung der Punkt “Vorschlag für einen Bundestagskandidaten“ nachträglich eingefügt worden war. Das wiederum passte den ansonsten recht braven Vorstandsmitgliedern des Ortsvereins überhaupt nicht. Zwar fand die Sitzung statt, doch dieser Tagesordnungspunkt wurde gestrichen.
Schmidts Bemerkung hierzu: „Da habe ich mich wohl vertaktiert“.
Erst in der turnusmäßigen Vorstandssitzung im Februar wurde Schmidt dann mit 11 Ja-Stimmen , 3 Enthaltungen und 1 Gegenstimme als Bundestagskandidat vorgeschlagen. Der durch Schmidts Trick gefoppte kommissarische Vorsitzende hatte unterdessen sein Amt zur Verfügung gestellt.
Nun konnten die beiden Pauker Schmidt und Heußen zum Angriff gegen Iwersen blasen. Wie bereits vor 1994 wurde erneut und verstärkt an der Arbeit der Bundestagsabgeordneten Iwersen herumgemäkelt. Man warf ihr vor, sie würde u.a. „eine Art Nischenpolitik für einzelne gesellschaftliche Gruppen betreiben“. Die ließ jedoch solche Vorwürfe nicht gelten und konterte: „Diejenigen, die gegen mich kandidieren, werden sich ja auch nicht grade ein Bein ausreißen.“ Als man dann auch noch hinter vorgehaltener Hand erzählte, ihre erneute Nominierung sei „wackelig“, bezeichnete sie dies als „ein gezielt gestreutes Gerücht.“
Je näher dann die alles entscheidende Wahlkreisdelegiertenkonferenz heranrückte, desto unwahrscheinlicher wurde eine erfolgversprechende Kandidatur von Heußen. Als ernstzunehmender Mitbewerber blieb nur noch Norbert Schmidt.
Am 9. Oktober fand diese Zusammenkunft im Dorfgemeinschaftshaus in Horumersiel statt. Für die 63 „Wahlmänner/frauen“ gab es viel zu tun, denn man benötigte zwei Wahlgänge, um einen Sieger zu ermitteln. Heußen hatte schon nach dem ersten Wahlgang die Segel gestrichen, denn nur 12 Delegierte trauten ihm ein MdB-Mandat zu. Schmidt bekam bei diesem Wahlgang 21 Stimmen, Iwersen 30 Stimmen. Im zweiten Wahlgang siegte dann G. Iwersen mit einem denkbar knappen Ergebnis. Sie erhielt 32, Schmidt 31 Stimmen. Sie hatte insgeheim mit einem weit besseren Ergebnis gerechnet, und so stellte sie dann in ihren Dankesworten auch etwas ironisch fest, dass „ihr Ansehen bei der Basis wohl besser sei als das bei den Funktionären.“ Sie verhehlte auch nicht, „dass die Gegenseite nicht immer mit sauberen Mitteln gearbeitet“ hätte.
Dass die Delegierten eine richtige Wahl getroffen hatten, bewies vor der Bundestagswahl dann auch eine Untersuchung des „Forsa“-Instituts für den „Stern“. Bewertet wurde die politische Arbeit aller Bundestagsabgeordneten. Hier bekam Iwersen Noten zwischen 2,6 und 2,8 (auf einer Skala von 1 – 6) und lag damit genau im Durchschnittsergebnis ihrer Partei. Ihr Kollege Erich Maaß von der CDU kam mit Noten zwischen 3,3 und 3,6 wesentlich schlechter weg.
Gabriele Iwersen errang dann auch bei der Wahl zum 14. Bundestags 1998 gute 53,3 % der Stimmen im Wahlkreis 21 und verteidigte erfolgreich ihr Direktmandat.
Doch kaum waren die Stimmzettel der Delegierten entsorgt und die Wahl vorbei, machten sich die Obergenossen bereits wieder ernsthaft Gedanken darüber, wer denn für den Bundestag 2002 für die Region ins Rennen geschickt werden könnte. Dieses Mal sollte es endlich gelingen, die bei ihnen so unbeliebte Volksvertreterin Iwersen zum Mandatsverzicht zu zwingen.
Und dieses Mal sollte es endlich wieder ein Mann sein, der in Berlin für die Region einstehen sollte.
Und bald hatte man auch ein besonderes Parteigewächs für die Nachfolge von Iwersen ausgeguckt, den Genossen Karl Heinz Funke, Dangaster „Bildungsbauer“, aber auch „versierten Grabredner“, der „jederzeit bereit ist, seine Trunkfestigkeit zu beweisen“, der schon mal „Polizisten beschimpft“ hatte und „an eine Kaimauer gepinkelt habe“ (so der „Spiegel“ in seiner Ausgabe 50/2000), bekannt auch als Freizeitdichter und für seine Vorliebe für zweideutige Witze.
Den hatte Schröder 1998 als Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in sein Bundeskabinett geholt. Ein Bundestagsmandat besaß er nicht. Doch am Beginn des Jahres 2001 war es vorbei mit der Ministerherrlichkeit. Nicht sein lockeres Mundwerk, sondern der Wahnsinn bei Rindern brachte ihn zur Strecke. Am 9. Januar konnte er sich vom Bundesvater Rau die Entlassungsurkunde abholen und hinter den Deich zu Hof und Pferden zurückkehren.
Und wieder war es der Ortsverein Siebethsburg, der ihn bald darauf als „herausgehobenen Favoriten“ dem Wahlvolk als zukünftigen Bundestagsabgeordneten feilbot. Doch Funke wollte sich noch nicht festlegen. Hatte er doch genügend andere Posten und Pöstchen, und zudem hatte man ihm nach seinem unrühmlichen Abgang noch weitere angeboten. Im Lande wurde eh schon über ihn (nicht von ihm) gereimt:„Funke hat so viele Posten, wie seine Pferdekoppel Pfosten.“
Aber zum Leidwesen der SPD-Männerriege hatte unterdessen auch eine Frau, die Landrätin und MdL Karin Evers-Meyer, ihren Hut in den Ring geworfen. Die 1949 in Neuenburg geborene Journalistin hatte 1994 die Nachfolge des zum Regierungspräsidenten avancierten Bernd Theilen als Landrätin angetreten und hofft nun im Jahr 2002 vom Landtag in den Bundestag zu wechseln und somit auch auf einen sauberen Stabwechsel von Genossin zu Genossin.

Weshalb Gabriele Iwersen sich so lange Zeit ließ, ihre Nicht-mehr-Kandidatur öffentlich zu machen, weshalb der „Seeräuber“ Rath gegen die Friesin antrat und mehr zur Person Evers-Meyer im nächsten Gegenwind.

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