Kommunalwahl 2016
Sep 092016
 

Wählen gehen!

wahl

Wahlaufruf des DGB

Gibt es immer noch Unentschlossene, die nicht wissen, was sie am 11.9. wählen sollen?

Soviel steht fest:

Auf jeden Fall wählen gehen!

Auf keinen Fall AfD wählen!

Die GroKo abwählen!

Fünf Jahre lang hat die Koalition aus CDU und SPD im Rat der Stadt ihre Mehrheit von 30 zu 15 Stimmen zelebriert. Traditionelle Werte der SPD waren dabei kaum zu hören oder zu spüren, und die Opposition, die immerhin ein Drittel der WählerInnen zu vertreten hatte, wurde mit Überheblichkeit abgewatscht. Es war eine bleierne Zeit – jetzt muss wieder Leben in die Bude.

Aber welche Partei bzw. Wählergemeinschaft oder KandidatInnen kann man guten Gewissens empfehlen? Wahlprogramme sind zumeist kaum mehr wert als das Papier, auf dem sie gedruckt wurden, schauen wir also mal zwischen die Zeilen. Erschreckend viele Kandidaten zeigten sich in den Ratsgremien und in öffentlichen Diskussionen als verhaltensauffällig.

Nicht wenige haben sich im Vorfeld Schlammschlachten geliefert, die nix mit seriöser Politik zu tun haben. Als Bühne wurde und wird vor allem Facebook genutzt. Ehemalige Weggefährten tragen dort ihre persönlichen Fehden auf Kindergartenniveau aus (Eimerchen wegnehmen, Schäufelchen auf Kopf hauen). Anwaltsbriefe werden hin und her geschickt, Nachbarschaftsstreitigkeiten politisiert.

Für die CDU ist in den ausufernden digitalen Foren ein fleißiger Erklärbär unterwegs. Gefühlt 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche, vermutlich hat er das Smartphone am Bett liegen und sobald es piepst, weil jemand was gepostet hat, ist er hellwach. Anfangs war es ganz possierlich, wie er jeden Post, der irgendwie die CDU- oder GroKo-Politik kritisierte, mit gutmütigen, scheinbar sachlichen Erklärungen kommentierte. Irgendwann ließ aber auch er sich in den Strudel von Polemik und Vorverurteilungen hineinziehen und da jeder von allem sofort einen Screenshot macht, geht in dieser digitalen Parallelwelt kein Fauxpas verloren.

Rückblickend sind uns nur wenige Personen positiv aufgefallen, weil sie stets oder zumindest ganz überwiegend bei der Sache geblieben sind. Nachdem die Grünen im Rat sich zerlegt haben, wechselten alle bis auf einen zur WBV. Das war wohl so eine Art reinigendes Gewitter. Michael von den Berg vertritt nun wieder konsequent urgrüne Positionen, hinterfragt nicht nur das „wie“, sondern auch das „ob“ der üblichen Entscheidungsroutine, ermutigt dazu, querzudenken und neue Wege zu beschreiten.

Die neoliberale „alles privatisieren“-Politik der FDP ist ganz sicher nicht im Sinne der GEGENWIND-Redaktion und -Leserschaft. Trotzdem gebührt Michael von Teichman unser Respekt. Als Einzelkämpfer legt er oftmals den Finger in die Wunde, spricht laut aus, was andere nur im Hintergrund kritisieren. Zudem ist er vor allem in Sachen Kultur sowie Natur und Umwelt gut informiert und sehr viel dort präsent, wo BürgerInnen etwas für ihre Stadt auf die Beine stellen.

Die BASU bleibt auf ewig mit dem Namen und dem Geist von Joachim „Acki“ Tjaden verbunden, der vor vier Jahren unerwartet verstarb. Ein sehr kluger und fleißiger Ratsherr, den wir bis heute politisch und menschlich vermissen.

Höchst wünschenswert wäre es, den Rat deutlich zu verjüngen. Von den Bedürfnissen junger Menschen, die man doch so gern in der Stadt halten oder hierher locken möchte, haben die meisten Alt-Ratsvertreter keine Ahnung. Sie glauben immer noch, ein Arbeitsplatz und ein Eigenheim seien das Nonplusultra, um eine Stadt für (möglichst junge) Neubürger attraktiv zu machen. Vielleicht sollten sie, statt sich gegenseitig Anwaltsbriefe zu schicken, mal wissenschaftliche demografische Studien lesen. Mancher wird erstaunt sein zu erfahren, was die etwa 30 deutschen „Schwarmstädte“ so attraktiv macht für 20-35Jährige. Ihre Definition von Lebensqualität unterscheidet sich doch deutlich vom Wertekanon der 1970er Jahre, als die „Altgedienten“ selbst jung waren.

Unter den neuen KandidatInnen macht z. B. Antje Kloster einen tatkräftigen Eindruck. Sie ist gerade mal Mitte 20 und schon länger im Vorstand von Bündnis 90/Die Grünen aktiv, für die sie auch kandidiert. Auch Florian Wiese könnte eine gute Wahl sein. Der 20Jährige kandidiert für die LINKE und hat seine Partei bei den Podiumsdiskussionen zur Kommunalwahl mit erfrischend kurzen und prägnanten Statements vertreten. Ein wichtiger Aspekt ist für ihn, jungen Leuten die Möglichkeit zu eröffnen, selbst etwas in die Hand zu nehmen und zu organisieren, zB selbst verwaltete Jugendzentren. Wer aus langjähriger Verbundenheit, trotz alledem und alledem, Kreuzchen bei der SPD machen möchte, sollte den kandidierenden Jusos eine Chance geben. Sie haben sich in den letzten zwei Jahren von Karlheinz Föhlinger (der zum Glück nicht mehr kandidiert) nicht den Mund verbieten lassen – das spricht für sie.

Die Junge Union ist nach eigenem Bekunden auf ihrer Facebook-Seite „die größte, aktivste und coolste politische Jugendorganisation in Wilhelmshaven!“ Da fragt man sich, warum bei den Podiumsdiskussionen zur Kommunalwahl des Jugendparlaments und im Neuen Gymnasium der Kreisverbandsvorsitzende Stephan Hellwig (52) in die Bütt geschickt wurde.

Zu guter Letzt möchten wir Unentschlossenen noch die Partei „Die PARTEI“ ans Herz legen. Ernsthaft. Viele haben noch nicht kapiert, was sich dahinter verbirgt: Die Satirepartei hat es sich zur Aufgabe gemacht, der herrschenden Politik einen Spiegel vorzuhalten („Inhalte überwinden!“), und das ist in Wilhelmshaven bitter nötig. Zudem würden die Ratssitzungen wieder an echtem Unterhaltungswert gewinnen. Satire wirkt ansteckend: Auf einer Podiumsdiskussion bemerkte von Teichman, die Errichtung des Bismarckdenkmals sei die größte Errungenschaft der GroKo in den zurückliegenden fünf Jahren gewesen. Schon die Wahlplakate der PARTEI „Irgendwas  …“  vervollständigt mit situativ passenden Statements haben die Politik bunter gemacht.

Und bunt sollte er werden, der neue Rat, mit frischen, konstruktiven Diskussionen, mit Querdenkern, auch provokativ, aber zukünftig bitte oberhalb der Gürtellinie, und je nach der Sache auch mal mit wechselnden Mehrheiten und ohne grimmigen Fraktionszwang.

 

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