Von einem, der auszog, ein Vorurteil zu bekämpfen
(noa) Armenische Politiker werden erschossen, und Presseagenturen melden (und die Tageszeitungen drucken): „Abgeordnete: Schizophrener Attentäter“. Diese Unterüberschrift hatte auch ein entsprechender Artikel in der „WZ“ vom 29.10.99.
Wenn der Wilhelmshavener Peter Arp solche Titel liest, ärgert er sich. Seine Frau ist vor einigen Jahren an einer Psychose des schizophrenen Formenkreises erkrankt. Die Vorstellung, schizophrene Menschen seien unberechenbare blutrünstige Irre, die durch Zeitungsmeldungen wie die oben erwähnte nahe gelegt wird, passt gar nicht zu seinen Erinnerungen an die Wochen und Monate vor der Diagnose.
Er bemerkte Veränderungen an seiner Frau, erlebte sie als misstrauisch und paranoid, doch Anzeichen von Gewalttätigkeit beobachtete er niemals.Was er nach der Diagnosestellung durch einen Psychiater im „Barmer Lexikon, Gesundheit von A – Z“ über Schizophrenie las, war auf eine andere Weise ebenso falsch. Obwohl das Buch 1988 herausgegeben war, definierte es diese Krankheit so, wie sie vor hundert Jahren beschrieben wurde: Arp musste nach der Lektüre befürchten, seine Frau würde nun frühzeitig verblöden, denn dort stand die Erklärung „Dementia praecox“.
Weit folgenreicher ist jedoch das in Teilen der Öffentlichkeit vorherrschende Bild des gemeingefährlichen Verrückten, das scheinbar bestätigt wird, wenn in der Zeitung steht, dass ein „schwer gewalttätiger Straftäter“ aus einer psychiatrischen Klinik entwichen ist oder dass jemand, der sein Haus angezündet hat, auf Schuldunfähigkeit wegen einer schizophrenen Psychose plädieren wird. Die Wirkungen entsprechender Veröffentlichungen sind nachgewiesen. „Jedem dritten Bundesbürger sind psychisch Kranke unheimlich, jeder vierte hält sie gar für gefährlich.“ 1 Und Untersuchungen, in denen Deutsche gefragt wurden, ob sie einem schizophren Erkrankten ein Zimmer vermieten, ihn als Schwiegersohn oder Babysitter akzeptieren würden, ergaben nach den Attentaten auf Schäuble, Lafontaine und Seles jeweils deutlich mehr Ablehnung als zu anderen Befragungszeitpunkten.„Psychisch Kranke werden stigmatisiert, und dagegen wehre ich mich“, erklärt Peter Arp. Er unterstützt die Antistigmakampagne des Weltverbandes der Psychiater, der sich u.a. der Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker angeschlossen hat. Angehörige und professionelle Helfer wissen, dass psychisch Kranke in Wirklichkeit nicht gefährlich, sondern gefährdet sind. Eine Patientin hat mehrere Selbsttötungsversuche hinter sich, weil sie Stimmen hört, die ihr befehlen, sich das Leben zu nehmen. Oft kann sie nicht aus dem Haus gehen, weil sie Halluzinationen hat und sieht, wie die Straße sich vor ihr zu Bergen wölbt oder Bäume auf sie zu stürzen drohen. Sie hat fast dauernd große Angst und kann ihre inneren Spannungen nur ertragen, indem sie sich selber Verletzungen beibringt. Durch eine Reihe von Zwängen wird ihre Lebensqualität weiter eingeschränkt.
Sind psychisch Kranke gefährlich?
Natürlich kommt es auch vor, dass Menschen mit derart massiven psychischen Problemen gewalttätig werden. Ob die Angst vor ihnen und ihre Ausgrenzung gerechtfertigt sind, steht auf einem anderen Blatt. Das „mit psychischer Krankheit verbundene Gewaltrisiko (ist) in seinem Ausmaß vergleichbar mit der von jungem Alter, niedrigem Bildungsstand und männlichem Geschlecht ausgehen- den erhöhten Wahrscheinlichkeit gewalttätigen Verhaltens.“2 Wollte man alle jungen Männer mit Hauptschulabschluss so meiden wie Schizophrene, dann hätte man nicht mehr viel Auswahl bei der Wahl seiner Bekannten.Die Meinung, psychisch Kranke seien gefährlicher als andere Menschen, ist nicht die einzige, gegen die Peter Arp sich wehrt. Er tritt auch der Qualifizierung inkonsequenten, widersprüchlichen Verhaltens als „schizophren“ entgegen, die wahrscheinlich durch alte Lehrbuchdefinitionen der Schizophrenie als „Spaltungsirresein“ entstanden sind.Wenn man auszieht, um der Welt etwas mitzuteilen, das sie noch nicht zu wissen scheint, besteht immer die Gefahr, als besserwisserisch zu gelten und den Leuten auf die Nerven zu gehen. Welche Erfahrungen hat Arp diesbezüglich gemacht? Er hat z.B. einen Autor der „WZ“ angeschrieben, der in einer Überschrift den Zusammenhang zwischen psychischer Krankheit und Straffälligkeit in seiner Meinung nach irreführender, stigmatisierender Weise hergestellt hatte. Die nachfolgenden Artikel desselben Autors behandelten das Thema angemessen. „Die Mühe lohnt sich“, sagt Arp zu diesem Erfolg. q
1 M.C. Angermeyer, H. Matschinger, C. Siara, Wissensbestände, Überzeugungssysteme und Einstellungsmuster der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland bezüglich psychischer Erkrankungen, Mannheim 1992
2 M.C. Angermeyer, B. Schulze, Psychisch Kranke – eine Gefahr? Psychiat. Prax. 25 (1998) 211-220
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