WPG-Millionen
Mrz 282001
 

33 Mio Schulden: „Danke, Rüdiger!“

WPG: Eine Katastrophe kommt ans Licht

(red) Seit dem Ende der „Expo am Meer“ sind fünf Monate vergangen. Statt eine sinnvolle Nachnutzung der getätigten Investitionen in Angriff zu nehmen, haben bestimmte Interessensgruppen die Zeit „genutzt“, um eine Schlammschlacht gegen kritisch-konstruktive Stimmen zu führen und Fehler insbesondere der Wilhelmshaven Projekt GmbH zu vertuschen. Bis sich unlängst die Kommunalaufsicht eingeschaltet hat.

27 Jahre lang war Rüdiger Kramp Geschäftsführer der „Freizeit in Wilhelmshaven GmbH“, die rechtzeitig zur Vorbereitung der „Expo am Meer“ den professioneller wirkenden Namen „Wilhelmshaven Projekt GmbH“ (WPG) erhielt. Hatte die „Freizeit“ bis dahin das überregional bekannte Kulturzentrum „Pumpwerk“ ganz ordentlich betrieben und, neben anderen Veranstaltungen, jährlich das „Wochenende an der Jade“ – das größte provinzielle Volksfest der Region – anständig über die Bühne gebracht, so gab es von vornherein Zweifel, ob die WPG mit der „Expo am Meer“ ein von Umfang und Dauer her ganz anderes Kaliber bewältigen könnte.
Auch wenn die Zweifel sich im Vorfeld und während der EXPO verfestigten – die Qualität der meisten Exponate wie auch die Besucherzahlen blieben weit hinter den groß angekündigten Erwartungen zurück -, das öffentliche (Meinungs-)Bild blieb dank der lokalen Seilschaften um WZ und SPD bei einem lauten Hurra.
Unmittelbar nach Ende der Expo ging Kramp in den Ruhestand, und auch um die vorab beschrieene Nachnutzung und Folgewirkungen der Expo wurde es totenstill. Bis zum Jahresende bekannt wurde, dass die WPG der Stadt, die sich gerade durch den Verkauf der städtischen Wohnungsbaugesellschaft schuldenfrei wähnte, einen Expo-Schuldenberg von 15 Mio DM hinterlassen hatte (wenig später wurde die Zahl auf über 17 Mio DM korrigiert). Und dass ab Januar 2001 monatlich weiterhin 40.000 DM an Miete für die Jahnhalle fällig wurden, ohne dass durch die versprochene Nachnutzung u. a. als neues Küstenmuseum irgendwelche Einnahmen verbucht werden konnten (s. GEGENWIND Nr. 166).
Während die Opposition im Rat, im Sinne der SteuerzahlerInnen, bereits eine Öffnung und Prüfung der WPG-Bücher einforderte, lieferte SPD-Oberbürgermeister Menzel in seiner Neujahrsrede noch eine Hommage an den geschiedenen Geschäftsführer: „Danke, Rüdiger!“
Als die Kritiker konkreter wurden, „offenkundige Misswirtschaft“ und „offenbar absolut chaotische“ Rechnungen anprangerten und vermuteten, eine „unternehmerische Führung habe nicht stattgefunden“, fühlte sich Kramp in seiner „persönlichen Ehre verletzt“ und ließ namhaften CDU-Politikern per Anwalt Unterlassungsauforderungen zukommen. Von den SPD-Genossen erhielt Kramp Schützenhilfe – Fraktionschef Siegfried Neumann auf dem SPD-Unterbezirksparteitag über den Christdemokraten Klaus Friedrich: „Wenn dieser Mensch ein besonderer Christ ist, möchte ich ab sofort Heide sein“. Die CDU sah Kramps juristischen Forderungen mit Gelassenheit entgegen und forderte, die SPD soll diese Äußerungen („unanständig und mehr als unter der Gürtellinie“) unterlassen und sich lieber um WPG-Missstände kümmern.
Während dieser parteipolitischen Auseinandersetzungen sorgten sich andere lokale Kräfte um den Fortgang des kulturellen Geschehens, insbesondere um die Jahnhalle. Zaghafte Ansätze wurden seitens der SPD-Möchtegern-Macher noch geduldet – so die Initiative des „Vereins zur Förderung und zum Erhalt des Küstenmuseums“, der zu Ostern mit einem Beitrag zum Thema „Schreibmaschinen“ die Jahnhalle beleben will. Umfassende, konstruktiv-kritische Konzepte, wie jenes, das der Historische Arbeitskreis des DGB im Februar der Öffentlichkeit präsentierte, wurden von der Mehrheitsgruppe im Rat jedoch ad hoc als feindselig entlarvt, und die SPD schickte die kleine grüne Fraktionsschwester vor, um die Gewerkschafter öffentlich als Profilneurotiker zu diffamieren (WZ 13.2.). SPD-Ratsfrau Aljets setzte noch einen drauf, als sie im Zusammenhang mit der Nutzung des Stadtarchivs Hartmut Büsing vom Historischen Arbeitskreis des DGB in einem Leserbrief (WZ v. 2.3.) unterstellte, er sei unter anderem deshalb an der Nutzung des Archivs interessiert, um sich dort persönlich zu bereichern, sprich historische Dokumente zu stehlen.
Diese Peinlichkeit schien kaum noch zu überbieten. Wäre da nicht die „als qualifiziert geltende Museumsfrau“ gewesen, die man für die dringend zu besetzende Stelle der Geschäftsführung für die Jahnhalle ausgeguckt hatte – und die nach wochenlangen Gesprächen absagte: „Offenbar ist davon auszugehen, dass der Kandidatin das Museumsfeld zu unübersichtlich erschien“. Ob die Kandidatin den letzten GEGENWIND gelesen hat oder woher sie sonst ihre Informationen bezog, die sie zu dieser zutreffenden, wenngleich (in der WZ vom 13. März) moderat formulierten Schlussfolgerung bewogen, sei dahingestellt. Fakt ist, dass eine wirklich qualifizierte Kraft, wie sie jetzt dringend benötigt würde, im Umfeld dieses provinziellen Schmierentheaters nicht arbeiten kann und will.
Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. In diesem Fall war es die Firma Milla und Partner, die statt der Museumsfrau, die nicht wollte, und statt des DGB, der wollte, aber nicht durfte, im Auftrag der Stadt ein Konzept für die Jahnhalle entwickelte. Dies besteht daraus, bereits vorhandene Exponate, die zur Expo von hiesigen Institutionen zur Verfügung gestellt wurden, zusammen mit dem „Pottwal von Baltrum“, der von der Halle am Südstrand umziehen soll, zu präsentieren. Tolles Konzept, äußerst kreativ und professionell. Nicht nur der GEGENWIND wüsste gern, wie lange die Firma dafür gebraucht hat, etwas aufzuschreiben, was von vornherein – als Grundausstattung – auf der Hand lag; wie lange eine Schulklasse oder ein Kleingärtnerverein gebraucht hätte, um zu demselben Ergebnis zu gelangen; und nicht zuletzt, wie viel Milla und Partner dafür kassiert haben.
Anfang März (WZ vom 6.3.) fordern auch die Grünen Aufklärung über das WPG-Geschehen, unter Hinweis auf die „unterschiedliche politische Sichtweise“ (zur SPD), „was die Geschäfte der WPG und ihres ausgeschiedenen Geschäftsführers betrifft“, dessen „Verdienste“ sie jedoch nicht in Frage stellen. Gerade noch rechtzeitig kam diese wenn auch zaghafte Distanzierung vom Mehrheitsgruppen-Hurra, denn: Der vorerst endgültige Knaller der Peinlichkeiten kam Mitte März ans Tageslicht (WZ vom 16.3.). Der tatsächliche Schuldenberg der WPG beträgt jetzt statt der bisher genannten 17,4 Mio fast das Doppelte, nämlich 33 Mio DM – die Differenz sind „aufgelaufene Verluste aus weiteren WPG-Aktivitäten“. „Da es sich auch um buchungstechnische Defizite handelt, steht noch nicht fest, welche Beträge tatsächlich bezahlt werden müssen“. Neben der „WPG-Lenkungsgruppe“ (Spitzenvertreter aus Verwaltung, Politik und WPG) sitzt inzwischen auch die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Oldenburg „mit im Boot“. Das ist wirklich artig formuliert: Die Aufsichtsbehörde fordert eine gründliche Untersuchung der zurückliegenden Geschäftstätigkeit, Prüfung persönlicher Haftungsfragen und Klärung der Frage nach Versäumnissen im WPG-Aufsichtsrat. Noch konkreter (WZ vom 17.3.): Das Geschäftsgebaren der WPG soll von einem unabhängigen Gutachter (also nicht der SPD-Fraktionsspitze …) nochmals genau untersucht werden. Auch die Aufwendungen für die Expo in den vergangenen 5 Jahren sollen „einer strengen Analyse“ unterzogen werden. Das Sanierungskonzept soll – so empfiehlt die Bezirksregierung – nur zur Kenntnis genommen und nicht beschlossen werden. (Was den Rat, einschließlich CDU-Stimmen, nicht davon abhielt, das vorgelegte Sanierungskonzept am 21.3. doch zu verabschieden). Und: Das weitere Vorgehen muss mit der Kommunalaufsicht abgestimmt werden.
Harte Bandagen legt hier die Kommunalaufsicht an, die nun gerade – kurz – mal erleichtert war, dass ihr Sorgenkind Wilhelmshaven, dem sie Jahr für Jahr Strafarbeiten zur Nachbesserung des Haushalts auferlegen musste, sich durch den „Jade“-Verkauf entschuldet hatte. Da sind unerledigte Hausaufgaben im Schulranzen versteckt geblieben. Es war ja immer so praktisch, tatsächliche Schulden, die den BürgerInnen auferliegen, buchungstechnisch in einer städtischen GmbH zu verbergen, und sich gleichzeitig um eine Offenlegung der WPG-Bücher zu drücken, weil es sich rechtlich um eine GmbH handelte. Nun ist die Kacke am Dampfen. Nicht mal WZ-Redakteur Hans-Jürgen Schmid, der sonst gern große Worte zugunsten der SPD-Genossen schwingt, hat sich seit der Schelte der Kommunalaufsicht gemuckst. Kommentierte er doch noch am 3.3., der CDU-Kreisvorsitzende Dr. Uwe Biester und der ehemalige Fraktionschef Klaus Friedrich marschierten „Seite an Seite durch die Öffentlichkeit. Ihr Lieblingsthema sind derzeit angeblich grobe Fehler bei der Wilhelmshaven Projekt GmbH. Da es jedoch noch an harten Fakten zu diesem Thema mangelt, bedienen sie sich bei ihren Attacken des Begriffs ‚scheinbar’ und reden von ‚scheinbarem Chaos“ bei der WPG. Das ist aber nichts anderes als Fabulieren auf sehr seichtem Niveau …“ Er rät, so lange zu warten, bis das Resultat der Wirtschaftsprüfer vorliegt. Er und seine Gesinnungsgenossen können es jedoch überhaupt nie erwarten, jegliche Kritiker – seien es Politiker anderer Couleur, seien es mündige BürgerInnen – mundtot zu machen. Erst wenn die Aufsichtsbehörde kommt, knallen sie die Hacken zusammen.
Wo bleibt bei alledem „Rüdiger“, der die Vorwürfe der CDU nicht fachlich, sondern persönlich nahm? Kriegt nun auch die Kommunalaufsicht, die „persönliche Haftungsfragen“ geklärt haben will, Briefe von seinen Anwälten? Spaß beiseite: Ein Geschäftsführer, ob nun in der kommunalen oder der Privatwirtschaft, hat nun mal den Schwarzen Peter, dafür kriegt er auch entsprechendes Gehalt (Schmerzensgeld). Natürlich hat OB Menzel recht, wenn er sagt, Kramp habe 27 Jahre lang in Wilhelmshaven „ein Feld beackert, für das wir alle, ob im Rathaus oder im Haus der WPG, Verantwortung getragen haben …“ (Neujahrsrede / WZ v. 8.1.) Sollte sich nun herausstellen, dass Kramp die Aufgaben, die ihm letztlich aufgepfropft wurden, nicht bewältigt hat, so trifft ihn das allenfalls fachlich – es hat nie jemand behauptet, deswegen sei er ein schlechter Mensch -, wenngleich natürlich WPG-Aufsichtsrat, Ratsmitglieder und –gremien mitverantwortlich sind. Interessant wird dann noch, falls die Zweifel der Opposition und der Kommunalaufsicht sich bewahrheiten sollten, ob Kramp dann von seinen ehemaligen Genossen weiter gestützt oder zugunsten der großen ganzen Seilschaft zur Schlachtbank geführt wird.
Für die BürgerInnen bleibt in jedem Fall der bittere Nachgeschmack, dass sie über Jahre hinsichtlich WPG und Expo erfolgreich für dumm verkauft wurden. Sie durften zahlen, aber keine Zahlen lesen – nur das große Hurra, das ihnen jenseits der Wahrheit weiterhin tagtäglich eingetrichtert wird.

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