Windmühlen
Jun 071993
 

1000 MW bis zum Jahr 2000

Wer zieht die Stromleitungen? Wer hat Einfluß auf die Genehmigungserfahrungen? Wer macht die Spielregeln?

In einem Windenergieseminar am l3. und 14. März 1993, veranstaltet von Green Answers e.V., diskutierten die Teilnehmer ihre leidvollen Erfahrungen bei dem Vorhaben, eine eigene Windkraftanlage zu errichten.

Zur Zeit liegen 70 Bauanträge bei der Gemeinde Wangerland auf Eis – gesamtes Investitionsvolumen ca. 60 Mio DM! Ein Ende der Genehmigungssicherheit seitens der Gemeinde ist nicht absehbar. Das notwendige „2. Standbein“ wird den Landwirten dieser Region nicht gewährt. Die Anfrage des Vereins „Green Answers e.V.“ für die Bereitstellung eines Standortes zum Betrieb einer Windkraftanlage wurde ebenfalls ohne Begründung negativ beschieden. Großinvestoren werden hingegen weitgehende Unterstützungen und kommunale Vorleistungen zugesagt. Warum aber müssen, wie ein Seminarteilnehmer berichtete, einzelne Interessenten seit Jahren auf eine Baugenehmigung warten? Warum werden Schreiben an die Betreffenden zum Nachreichen fehlender Unterlagen bis zum Erreichen der Beantwortungsfrist verzögert?
Zu der Vorgabe der Landesregierung Niedersachsen, bis zur Jahrtausendwende 1000 MW Windenergie zu realisieren, hat das Deutsche Windenergie Institut (DEWI) eine Studie zum Windpotential für 10 küstennahe Kreise und kreisfreie Städte vorgelegt. Danach ist windenergetisch ein Aufstellpotential mit bisherigen Serienanlagen von über 12.000 Megawatt ausgewiesen und somit die Zielsetzung der Landesregierung möglich.

Daß aber nicht nur kommunale Behörden hinsichtlich der Genehmigung mit zweierlei Maß messen, sondern dieses auch die Energieversorger können, beweist momentan der regionale Versorger, die EWE, im Umgang mit Windenergiekunden. Hohe Netzanschlußkosten werden von fast jedem Interessenten verlangt, Großkunden aber bleiben von dieser Praxis verschont. Der mögliche Ermessensspielraum wird auf zweifelhafte Weise genutzt. Und das allen Ernstes auf Grundlage eines zur Nazidiktatur entstandenen Energiewirtschaftsgesetzes, das eindeutig „das Verhältnis zwischen Staat und Energiewirtschaft regelt, welches der nationalsozialistischen Staats- und Wirtschaftsauffassung entspricht.“ Die verworrenen Aussagen des EWE-Vorstandsmitgliedes Reiners zur Windenergie lassen keine notwendigen Veränderungen im Verhalten der EWE erkennen und zeugen zudem von geringem Sachverstand.
Der häufig zitierte und längst überfällige ökologische und ökonomische Umbau unserer Industriegesellschaft steht vor einem großen Problem: wir wissen fast alles (jedenfalls genug, um handeln zu können) und tun fast nichts. Eines Tages werden wir daran gemessen, wie wir diese Gesellschaft basisdemokratisch, sozialverträglich und ökologisch balancieren, die frei und vernünftig genug ist, sich selbst Grenzen aufzuerlegen und mit den Ressourcen dieser einen Erde schonend umzugehen. Dann aber werden viele Menschen, die für bedeutsame und weitreichende Entscheidungen verantwortlich sind, sich dieser durch ihr Lebensende entzogen haben.
Reden wir nicht nur von CO-Emissionen, Anstieg des Meeresspiegels, Ozonloch, Treibhauseffekt etc. Laßt uns ein vergangenes Kulturerbe von ehemals 22.000 Windmühlen in dieser Region ein Stück weit wiederholen. Laßt friesische Bürger den Wind ernten.

Roger Staves, Uwe Herzog, Green Answers e.V.

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