Wilhelm I.
Jun 271995
 

Flügelkampf um Kaiser

Bundespolitiker äußern sich zum Wilhelmdenkmal

(ft) Den JungsozialistInnen in Wilhelmshaven reichte es nicht ihre Meinung gegen das Wilhelm-Denkmal auf kommunaler Ebene zu diskutieren. Sie verfaßten zusammen mit dem Juso-Bezirksvorsitzenden eine gemeinsame Erklärung und verschickten diese an PolitikerInnen ihrer eigenen Partei, sowie den Bundespräsidenten a.D. Richard von Weizsäcker. In der SPD zumindest ist die Meinung über Wilhelm im rechten und linken Lager sehr unterschiedlich.

„Wir wollen keine preußischen, königlichkaisertreuen Sozialdemokraten, die die Sozialistengesetze vergessen haben. ( … ) Gerade wir, die Jusos und die älteren Sozialdemokraten sollten diesen Wilhelm-Personenkult vermeiden. Dieser Kult steht keinem echten Demokraten und schon gar nicht einem echten Sozialdemokraten.“, heißt es in der Erklärung der Jusos, und sie greifen damit die rechten SPDler ihrer Stadtführung an, die den „Demokraten-Hasser“ wieder auf den Sockel gehoben haben. Die Ohnmacht über die Wilhelmshavener Sozialdemokraten war so stark, daß sich die Jusos die Unterstützung der Bonner Genossen holten.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Mitglied des Deutschen Bundestages und dem linken Flügel der SPD zuzuordnen, ließ durch ihren Mitarbeiter verkünden: „Sie (Wieczorek-Zeul, Anm. d Red) teilt Eure (Jusos WHV, Anm. d Red.) Empörung über die Wiedererrichtung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals in Eurer Heimatstadt. Alle halbwegs geschichtsbewußten SozialdemokratInnen können über diesen Akt von unverbesserlicher Traditionstrottelei eigentlich nur den Kopf schütteln. Angesichts der erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Probleme in Eurer Heimatregion kann man aber auch mit vollem Ernst von einer politischen Provokation sprechen. Wer Jugendlichen bewusst Entwicklungschancen vorenthält, (die Jusos sprachen die hohe(Jugend)-Arbeitslosenquote an. Anm. d Red.), andererseits aber offenbar vorhandene Ressourcen zur Kultivierung eines falsch verstandenen Geschichts- und Traditionsbewußtseins vergeudet, handelt verantwortungslos und verdient Kritik.“

Rudolf Dreßler, ebenfalls MdB und dem rechten Flügel der SPD zugehörend, verpackt seine Meinung über Wilhelm geschickt, wenn auch feiger. „Denkmale nehmen mitunter seltsame Wege: manche werden durch die Geschichte vom Sockel geholt, andere tauchen trotz der Geschichte wieder aus der Versenkung auf Wenn ich mir zu diesen Vorgängen durchaus auch meine persönliche Meinung bilde, habe ich gleichwohl nicht die Absicht, in einen Wilhelmshavener Denkmalstreit- schon gar nicht innerhalb der SPD- Partei zu ergreifen. Dies ist ausschließlich Sache der lokalen Politik und der Wilhelmshavener SPD, in die ich mich aus dem fernen Rheinland nicht einzumischen habe.“

Der damalige noch amtierende Bundespräsident Richard von Weizsäcker blieb ganz diplomatisch. Er antwortete den Jusos ganz inhaltsstark: „Bundespräsident von Weizsäcker hat mich (Mitarbeiter des Bundespräsidialamtes Anm. d. Red.) gebeten, Ihnen den Eingang Ihres Fax-Briefes … zu bestätigen. Ihre Ausführungen sind hier zur Kenntnis genommen worden.“

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