Tierschutz
Jul 141999
 

Tiermüllvermeidung

Reaktionen auf unseren Tierschutz-Artikel

(iz) Eigentlich wollten wir das Thema Tierschutz erst mal ruhen lassen und möglicherweise positive Entwicklungen in Wilhelmshaven abwarten. Doch dann kamen zwei Rückmeldungen auf unseren Beitrag „Katz und Maus“ (Gegenwind Nr. 152), die wir aktuell dokumentieren und kommentieren möchten.

Noch eins drauf

Auslöser unserer Recherchen war ein anonymer Brief gewesen, den das ehemalige Vorstandsmitglied Peter Hopp von einer Tierheim-Mitarbeiterin erhalten hatte. Hopp leitete das Schreiben an Behörden und Presse weiter, um die darin vorgebrachten Anschuldigungen gegen die Tierheim-Führung aufzuklären. Wozu auch wir unseren Beitrag leisten wollten.
Reaktion 1 war ein weiterer Brief, worin ein Vorstandsmitglied und eine Mitarbeiterin des Tierheims Peter Hopp mit Schelte bezüglich seiner „Einmischung“ in Tierheimangelegenheiten. bedachten. Wir fanden das, vorsichtig ausgedrückt, schade. War und ist es doch unser Anliegen, die persönlichen Querelen, die seit Jahren die Arbeit des Tierschutzvereins belasten, als Hemmnis für eine effektive Arbeit zu entlarven und zu schlichten und gemeinsam mit den Beteiligten konstruktiv in die Zukunft zu schauen – sowohl durch unseren Bericht als auch durch das stattgefundene und weitere Gespräche mit dem Vorstand. Der neue Brief, in dem es wieder um zwischenmenschliche statt tierische Probleme geht, belegt, dass unser Moderationsversuch vorerst gescheitert ist.

Vermeiden statt vermitteln, vermitteln statt versorgen, versorgen statt verwahren

Konstruktiv war hingegen die Rückmeldung einer unabhängigen Tierschutzorganisation aus dem Umland. Diese war über die Berichte in der WZ und im Gegenwind gestolpert und fand es unbegreiflich, dass in einem großen Tierheim von überregionaler Bedeutung eine Katzenepidemie mit so verheerenden Folgen (80 Tötungen) überhaupt ausbrechen konnte.
Wir dokumentieren hier einen Ausschnitt der Ideen dieser Organisation, die sie selbst seit einem Vierteljahrhundert erfolgreich in die Tat umsetzt.

1. Vermeiden

Regelmäßig werden zusammen mit der örtlichen Presse und Tierärzten „Kastrationskampagnen“ für Katzen durchgeführt. KatzenhalterInnen wird verdeutlicht, dass frei laufende Katzen rasch erschreckend mehr Kätzchen hervorbringen, als sich für Mäusefang oder als Hausgenosse verdingen können: Der Weg ins Tierheim ist vorprogrammiert. Für die Katzen von Rentnern und anderen sozial und finanziell benachteiligten Haltern übernimmt die Organisation die Kastrationskosten.

2. Vermitteln

Über eine Anbieter- und Interessentenkartei werden Tiere direkt von einem zu Hause ins andere vermittelt und ihnen so der Aufenthalt im Tierheim erspart. Die Überbelegung der Tierheime wird eingedämmt und damit die Gefahr von Epidemien und seelischen Schäden für Tiere (und BetreuerInnen).
Mit den Abgebenden wird ein Zeitraum (6-8) Wochen ausgehandelt, in dem die Organisation einen Interessenten findet. Diesem wird verdeutlicht, was es heißt, ein Tier auf Lebenszeit artgerecht zu halten bzw. die Verhältnisse werden vor der Vermittlung geprüft – denn ein Hund, der im Jahr viermal neu vermittelt wird, macht sich nur in der Statistik gut. Die Mitarbeiter besuchen gemeinsam mit den Interessenten die Anbieter. Besteht Einigkeit, macht die Organisation einen Zwischenvertrag, nimmt jedoch kein Geld für die Vermittlung.

3. Versorgen

Problemtiere, die übergangsweise aufgenommen werden, bis sie körperlich und seelisch genesen sind, kommen zunächst 8 Wochen in Quarantäne – eine helle Box mit großem Auslauf, in ausreichendem Abstand zu anderen Tieren. „Ein Tierheim ist eigentlich eine große Quarantänestation und kein Streichelzoo“, so eine Mitarbeiterin. Wenn MitarbeiterInnen und sogar BesucherInnen beliebig von einem Gehege zum anderen wechseln und alle Tiere anfassen können, fördert das vielleicht den spontanen (unausgereiften) Entschluss, eines mitzunehmen – aber es fördert vor allem die unkontrollierte Ausbreitung von Krankheiten. Ihre Vision: „Gemütliche Eingangsbereiche mit Grünpflanzen, in denen die Besucher gern verweilen und die Tiere in ihren Ausläufen hinter schützendem Glas ausgiebig beobachten können, bis sie sich entscheiden, eines näher kennen zu lernen“.
Es ist der Expertin unverständlich, wieso ein „Zweimillionenmarkstierheim“ (Wilhelmshaven) keine Quarantänestation hat, „das ist das erste und wichtigste, was beim Bau oder Ausbau berücksichtigt werden muss.“ Solch eine Station möchte der Wilhelmshavener Tierschutzverein nach leidvollen Erfahrungen jetzt zwar mit Hilfe von Spenden bauen. Tierarzt Dr. Siggel (Varel) äußerte allerdings bei unserem Gespräch zum letzten Artikel, dass diese Station bei dem hiesigen Durchsatz an Tieren sehr groß sein müsste. Unser Tierheim ist, so unsere Informanten, wie die meisten ein typisches Fundtierheim, das von und mit der Aufnahme von Fundtieren lebt. Für solche Fundtierheime gibt es gesetzliche Vorschriften z. B. zum Flächenangebot und zu Quarantäneeinrichtungen, die beim zuständigen Ministerium in Hannover zu beziehen sind.
So genannte Futterspenden sind sorgfältig zu prüfen und ggf. zurückzuweisen – trotz Schelte der „edlen Spender“, die oft auf diese Weise abgelaufene Futterkonserven und angeschimmeltes Trockenfutter entsorgen wollen. Schlecht ernährte Tiere sind krankheitsanfälliger. Und noch einen „Haushaltstipp“ gab es: Nichts ist schädlicher als die viel beworbenen und verwendeten Hochdruckreiniger. In dem entstehenden Wasser-Luft-Gemisch (Aerosole) können sich Krankheitskeime vom „gereinigten“ Fußboden an Wänden, Decken und Einrichtungsgegenständen verbreiten. „Am besten sind Grüne Seife und ein Schrubber, der sonst in Desinfektionsmittel steht – auch wenn einem nachher alle Knochen wehtun“, so die Erfahrung der Organisation.
Das alles klingt nach einem großen Aufwand an Geld und Zeit – Mangelware im Wilhelmshavener Tierheim. Und erst recht bei der von uns zitierten Organisation, die rein ehrenamtlich arbeitet und keinerlei öffentliche Zuschüsse bekommt. Die Herangehensweise ist nur völlig anders, das Zauberwort heißt Logistik. Unser Tierheim gibt jährlich etwa 25.000 DM für Futtermittel aus, aber fast das Dreifache für Tierärzte und Medikamente. In der Einrichtung „X“ verhält es sich eher umgekehrt – „Vorbeugen“ heißt die Devise.
Wir haben die Seriosität dieser Organisation und ihrer Einrichtung geprüft. Wer dahinter steckt, müssen wir für uns behalten – aufgrund deren schlimmer Erfahrungen mit dem organisierten Tierschutz, der nicht vor Repressalien verschiedenster Art zurückschreckt. Aus dem Gespräch sprangen uns Weitsichtigkeit, Kreativität und globales Denken entgegen, die wir uns von allen Tierschützern wünschen würden.
Zumindest wünschen wir uns, dass die (offensichtlich auch ohne institutionalisierte Unterstützung umsetzbaren) Ideen unserer Gesprächspartner von Wilhelmshavener Tierschützern, aber auch Behördenvertretern, Politikern und Medien gelesen, aufgenommen und verwertet werden. Wir und andere Ideengeber wollen die Arbeit des hiesigen Tierschutzes nicht „herunterputzen“, sondern Wege aus einer Sackgasse aufzeigen, in der weder Tiere noch Betreuer glücklich sind. Wenn die Reaktion nur neuerliche Grabenkämpfe sind, wenn die Botschaft immer noch nicht ankommt, wäre es schade um den Platz, den wir dem Thema eingeräumt haben.

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