Ratssplitter
Mai 052009
 

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vom 22.4.2009
schleunigst ein- und ausgepackt von Imke Zwoch

„Beschleunigung“ war das Motto dieser Sitzung – nach weniger als einer halben Stunde war der öffentliche Teil abgefrühstückt. Bei einem Punkt ging es darum, Ausgaben (an Unternehmen) zu beschleunigen, bei einem anderen, Ausgaben (für Hilfebedürftige) auf die lange Bank zu schieben.

Gebt es den Reichen …

Das Konjunkturpaket 2 verschafft auch unserer Stadt unverhoffte Investitionszuschüsse von rund 6 Millionen Euro, die an Betriebe weiterfließen sollen. Die Hälfte davon muss bis zum Jahresende verschlickert werden. Öffentliche Ausschreibungsverfahren können solche Vorhaben ausbremsen: Jeder, der sich angesprochen fühlt, kann ein Angebot abgeben. Die Angebote dürfen erst zum sogenannten Submissionstermin geöffnet werden, bei dem alle Bieter anwesend sein dürfen. Da achten natürlich alle Beteiligten drauf, dass es auch mit rechten Dingen zugeht, und so wird jeglicher Korruption (z. B. Nachverhandlungen mit bevorzugten Bietern) vorgebeugt.
So ein offenes Verfahren ist allerdings zeit- und arbeitsaufwändiger. Deshalb hat das Niedersächsische Ministerium für Wirtschaft den Kommunen per Runderlass ermöglicht, innerhalb bestimmter Wertgrenzen das Vergabeverfahren zu vereinfachen: Bauleistungen bis zu 100.000 Euro können freihändig, also ohne jede Ausschreibung, an eine ausgesuchte Firma vergeben werden; bis zu 1 Mio. Euro reicht eine beschränkte Ausschreibung unter einer begrenzten Anzahl ausgewählter Betriebe. Für sonstige Leistungen (Lieferungen, Dienstleistungen) können Aufträge bis zu 100.000 Euro im beschränkten oder freihändigen Verfahren vergeben werden. Allerdings gilt der Grundsatz, jeweils mindestens drei geeignete Unternehmen zu einem Angebot aufzufordern.
Der FDP, die auf die freien Kräfte des freien Marktes baut, reicht das allerdings nicht aus – sie stimmte gegen den Beschlussvorschlag, die Investitionsvorhaben gemäß oben genanntem Runderlass zu beschleunigen. Sie glaubt nicht an die beschleunigende Wirkung, wittert hinter dem Beschluss „die übliche Unterdrucksetzung“ und fürchtet, dass durch beschränkte oder freihändige Verfahren doch bestimmte Betriebe bevorzugt werden könnten. Sprecher Michael von Teichman warnte davor, ortsansässige Betriebe zu bevorzugen – „die waren in der Vergangenheit häufig zu teuer“.
SPD-Sprecher Siegfried Neumann beklagte, dass Konjunkturmaßnahmen, wie die Verschrottungsprämie oder das verlängerte Kurzarbeitergeld, bislang fast erfolglos geblieben seien. Doch stünden durch die kommenden Ferien weitere Zeitverluste an, und es sei das Ziel, den Menschen „Arbeitslosigkeit zu ersparen“ – seine Fraktion stimmte für die Beschleunigung. Auch die CDU stimmte „frohen Herzens“ zu – schließlich, so ihr Sprecher Günther Reuter, habe die (CDU-geführte) Landesregierung das so empfohlen.
Oberbürgermeister Eberhard Menzel lästerte ein wenig, dass die lokale FDP einen Erlass des FDP-geführten Wirtschaftsministeriums ablehnt. Er versicherte, dass der Korruption trotz Beschleunigung vorgebeugt sei – für Aufträge ab 25.000 Euro würde „nachträgliche Transparenz“ geschaffen nach den „Ex-Post-Transparenz-Kriterien“. Aha. (Im Runderlass des Wirtschaftsministers heißt das übersetzt: Zur effektiven Vorbeugung gegen mögliche Unregelmäßigkeiten (z. B. Korruption, ungerechtfertigte Bevorzugung ortsansässiger/ortsnaher Unternehmen) sind im Anschluss an ein durchgeführtes Vergabeverfahren vom Auftraggeber folgende Informationen im Sinne einer nachträglichen Transparenz unverzüglich (im Internet, Tageszeitung o.ä.) zu veröffentlichen, sofern das jeweilige Auftragsvolumen (ohne Umsatzsteuer) einen Wert von 25.000 EUR überschreitet: Name und Anschrift des Auftraggebers, Ort der Auftragsausführung, Auftragsgegenstand, Name und Anschrift des Auftragnehmers, Auftragsvolumen (ohne Umsatzsteuer)).Er stimmte mit der Mehrheit für dieses „sportliche Verfahren“.

… und nehmt es den Armen

Wilhelmshavener BürgerInnen, die von Sozialleistungen leben, können noch lange darauf warten, Geld zu bekommen, das ihnen zusteht, aber von der Stadt durch eigenmächtige Kürzung vorenthalten wird. Das Sozialgericht hatte entschieden, dass Hilfebedürftige (nach Sozialgesetzbuch – SGB) die ihnen zustehenden Miet- und Heizkosten (auch rückwirkend) auch erhalten. Bislang müssen sie die Mehrkosten für eine (warme) Wohnung von dem ohnehin knappen Budget für Lebensmittel etc. abzwacken. Der Verwaltungsausschuss hatte aber entschieden, gegen das Gerichtsurteil Revision einzulegen. Das Verfahren kann sich nun hinziehen.
Die LAW stellte im Rat folgenden Antrag:

  • Der Antrag auf Revision der Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 11. Dezember 2008 (Az: L 13 AS 128/07 und L 13 AS210/08) wird zurückgezogen,
  • die Mieten der Hilfebedürftigen nach dem SGB II und dem SGB XII werden bis zu der in den Urteilen als angemessen erkannten Höhe erstattet
  • und die Heizkosten des betreffenden Personenkreises werden in tatsächlicher Höhe gezahlt.

Begründung:

  1. Die SPD hat sich gegen diesen Revisionsantrag ausgesprochen, und ich hoffe, dass sie folgerichtig meinem Antrag heute folgt und vielleicht noch der eine oder andere aus anderen Parteien des Rates.
  2. Die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg. Es entstehen durch die Revision weitere Kosten: Neben den Gerichtskosten, die anfallen, können die Betroffenen 4 % Zinsen geltend machen. wenn sie die ihnen zustehenden Beträge nachgezahlt bekommen.
  3. Für die Betroffenen wäre es eine unzumutbare Härte, noch weitere zwei oder mehr Jahre – mit dieser Dauer ist bei der Revision zu rechnen – Teile ihrer Miete und der Heizkosten aus dem Regelsatz bestreiten zu müssen. In den beiden Fällen, die am 11.12.08 beim LSG Niedersachsen-Bremen abgeschlossen wurden, erlitten die Kläger faktisch eine 25%ige Regelsatzkürzung. Zum Kreis der Betroffenen gehören außerdem zahlreiche Kinder, die durch eine Fortsetzung der bisher geübten Praxis weiterhin unter der Armutsgrenze leben müssen.

Nachdem LAW-Ratsherr Johann Janssen den Antrag verlesen hatte, erklärte OB Menzel, was viele vorher schon wussten: Ein Ratsbeschluss über diesen Antrag wäre gar nicht zulässig, denn in diesem Fall hat der Verwaltungsausschuss (VA) sozusagen das Vorkaufsrecht. Die Zuständigkeiten sind in der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) geregelt (Rat §40, VA §57). Über solche Rechtsangelegenheiten entscheidet der VA, es sei denn, er überträgt diese Entscheidung an den Rat. Hat er aber nicht, sondern bereits abschließend mehrheitlich für die Revision entschieden. Hätte nun der Rat zu Janssens Antrag einen Beschluss gefasst, hätte, so Menzel, „ein unzuständiges Organ“ entschieden, wogegen wiederum er als OB nach §65 NGO hätte Einspruch einlegen müssen.
Von soviel Paragrafen wird den Armen auch nicht wärmer. Aber immerhin durfte Janssen das Problem trotzdem im Rat thematisieren, und immerhin hielt der OB dem Rat offen, den Antrag trotzdem zu diskutieren. Leider nutzte nicht einmal die SPD die Gelegenheit, ihre Ablehnung der Revision noch einmal zu bekräftigen. Statt dessen stellte CDU-Reuter den Antrag auf Nichtbefassung, der bei 3 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen angenommen wurde.
Übrigens spart die Stadt so (bis zum abschließenden Gerichtsurteil) Millionen. Wieso gibt es eigentlich kein Konjunkturprogramm für höhere Regelsätze nach SGB, Geld, das die Betroffenen für anständige Lebensmittel, Kleidung etc. wieder in die Wirtschaft fließen lassen???

Sonne, Salat & Suppe

Abschließend beschloss der Rat den Wirtschaftsplan für das Reinhard-Nieter-Krankenhaus. Der enthält übrigens Einnahmen von jährlich über 25.000 Euro aus der Solarstromeinspeisung. Schade, dass noch nicht mehr öffentliche Gebäude solch eine klimaschonende Gelddruckmaschine auf dem Dach haben. Den einzigen Diskussionsbeitrag lieferte Ursula Aljets (SPD), die bestätigte, die Speisepläne der dem RNK angeschlossenen Altenheime geprüft zu haben, und die würden ausreichend Salat und Suppe enthalten. Da stand einem einstimmigen Beschluss nichts mehr entgegen.
Wie sagte schon Janis Joplin: „That’s it“.
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