Radio Jade
Apr 011998
 

Die Jungfräulichkeit verloren

Eine Bilanz nach gut einem halben Jahr Radio Jade: Der GEGENWIND sprach mit den Radiomachern

(ft/hk) Ende August 1997 ging Radio Jade zum ersten Mal auf Sendung. Wir sprachen mit dem Redaktionsleiter Michael Diers und dem Mitglied des Programmausschusses Wolfgang Willig unter anderem übers Verhältnis zur WZ, zur Stadtverwaltung und über die politische Ausrichtung des Senders.

radiojadeSeit einem guten halben Jahr gibt es Radio Jade. Wie ist es euch so ergangen? Gibt es Probleme? Wie reagieren die HörerInnen auf den Sender?
RADIO JADE: Ein halbes Jahr – das ist ja schon eine ziemlich lange Zeit. Wir haben festgestellt, dass die Akzeptanz von Radio Jade größer und größer wird, genauso wie unser Hörerkreis.

Habt ihr da genauere Zahlen?
RADIO JADE: Nein – eine genaue Untersuchung wird wohl erst zum Ende des Jahres vorliegen. An der Beteiligung unserer Hörer an den Sendungen, seien es Musikwünsche, Anrufe, wenn es Karten oder CDs zu gewinnen gibt, daran merken wir schon, dass wir einen recht großen Zuhörerkreis haben. Des Weiteren schreiben uns viele unserer Hörer. Man schlägt uns Themen vor, sendet uns Materialien zu. Da ist die Entwicklung sehr gut.

Ihr seid angetreten, um professionelles Radio zu machen. Doch manche Sendungen klingen ganz und gar nicht professionell.
RADIO JADE: Wir sind in einen Markt hineingeworfen worden, der von NDR, Radio Bremen und Antenne Niedersachsen bestimmt wurde. Damit steigen natürlich auch die Anforderungen. Wir haben ja leider nicht die Möglichkeit, alle MitarbeiterInnen so auszubilden, wie die anderen das können. Und da wirkt natürlich so manches etwas hilflos. Viele MitarbeiterInnen haben sich allerdings auch schon stark verbessert. Unsere Hörer sehen uns nicht als einen Laien- Regionalsender, sondern eher als einen professionellen Sender an. Wir versuchen, so professionell wie möglich Radio zu machen, was uns mit bestimmten Sendungen gelingt, mit anderen noch nicht.

Der nichtkommerzielle Rundfunk wurde in Niedersachsen installiert, um dem vielerorts vorhandenen Meinungsmonopol einer Zeitung etwas entgegenzusetzen. In Wilhelmshaven heißt dieses Monopol WZ. Versteht ihr euch als Ergänzung der WZ oder seid ihr ein Gegenpol?
RADIO JADE: Aufgabe von Radio Jade ist eigentlich, dem Monopol etwas entgegenzusetzen. Wir waren der Meinung, dass sich auch die WZ bewegen wird, wenn wir erst einmal auf Sendung sind. Das ist aber nicht geschehen. Der Stil der WZ hat sich eigentlich noch verschlimmert. Man sieht uns als Konkurrenz an. Wir setzten uns ja, zumindest anfangs, mit den selben Themen wie die WZ auseinander. Inzwischen fassen wir ganz andere Themen an.
Als wir die Sendung über den Wahlerfolg der Republikaner machten – da haben wir unsere Jungfräulichkeit verloren. Da sind wir an ein Thema rangegangen, das bisher, außer dem GEGENWIND, keiner angefasst hat. Diese Sendung hat in der Stadt breite Diskussionen ausgelöst. Und die WZ schweigt weiterhin! Es ist ein Skandal, wenn ein Republikaner in ein Mikrophon sagt, dass sein Hund auf Ausländer anschlägt, weil ‚die anders riechen‘, und er diesen Hund ‚Neonazi‘ nennt. Und dann noch offen ins Mikro sagt: „Wenn hier jemand Republikanerpolitik macht, dann sind das Bahr und Heger.“ Und diese Zeitung verschweigt das alles.

Wenn jemand Radio Jade eine Presseerklärung zuschickt und diese gleichzeitig der WZ zukommen lässt, dann verweigert die WZ die Behandlung des Themas. Das gilt nach unseren Informationen auch im umgekehrten Fall.
RADIO JADE: Falls so etwas in der Vergangenheit passiert sein sollte – in Zukunft wird es das nie wieder geben.

Versteht ihr euch eigentlich als bissiges Bürgerradio oder als Profisender, der eine bestimmte Region mit allen notwendigen Informationen versorgt?
RADIO JADE: Ein ‘bissiges Bürgerradio‘ kann nie die Qualität haben, die wir uns vorstellen. Wir wollen der regionale Sender sein, den man als Informationsmedium nutzt, der den Leuten, den Politikern, den Parteien auf die Finger schaut und die Dinge so benennt, wie sie benannt werden müssen.

Will Radio Jade ein politischer Sender sein?
RADIO JADE: Wir sind dabei, unsere politischen Konturen zu finden. Wir verstehen uns dabei als journalistisches Radio. Wir können als Sender z.B. nicht alles, was die Grünen machen, richtig, und alles, was die CDU macht, falsch finden. Wir müssen genau schauen: Was hilft der Region? Und das geht nur überparteilich. Wir gehen jetzt mit Themen um, die keiner anpacken mag, wozu sich keiner äußert. Um das richtig machen zu können, brauchen wir gute Journalisten, die sich mit dem politischen Geschehen in dieser Stadt, in dieser Region auseinander setzen. Wir brauchen keine Leute mehr, die mal ihre CD-Sammlung über den Sender bringen wollen. Radio Jade zeigt endlich Profil – darum brauchen wir gute ausgebildete MitarbeiterInnen.

Du hast eben gesagt, dass eure politische Richtung lautet: Was hilft der Region? Wer bestimmt denn, was der Region nützt? Ist das John Niemann von der Hafenwirtschaft? Ist das die viel zitierte Wilhelmshaven-Fraktion? Wer entscheidet bei euch, ob z.B. der Jade-Port der Region hilft?
RADIO JADE: Das ist natürlich alles vielschichtig – wie beim Hornbach-Projekt. Wir müssen in der Redaktion zu diesen Fragen eine klare Position beziehen. Wir müssen uns über alle Seiten informieren, und dann muss die Redaktion eine Entscheidung treffen.

Müsst ihr denn überhaupt klar Stellung beziehen? Kann Radio Jade nicht einfach ein Diskussionsforum sein und die Hörerinnen und Hörer bilden sich selbst ihre Meinung?
RADIO JADE: Es ist natürlich manchmal hilfreich, wenn man Pro und Contra gegeneinander zu Wort kommen lässt, und der Hörer bildet sich seine eigene Meinung. Wir haben uns vorgenommen, solche Themen wie z.B. Hornbach und Jade-Port auch zu kommentieren, so wie wir es auch bei der Sendung um das Wahlergebnis der Republikaner gemacht haben.

Habt ihr denn bei Radio Jade überhaupt das Fachwissen, um Entscheidungen wie ‚Was hilft der Region?‘ zu fällen? Könnt ihr beurteilen, was wirtschaftlich gut für die Region ist?
RADIO JADE: Wir diskutieren in den täglichen Redaktionssitzungen über solche Themen auch mit anderen Leuten. Die Kompetenz, solche Entscheidungen zu fällen, die ist bei uns schon da. Wir haben ja auch noch die Fachgruppen, in denen Leute aus allen möglichen Bereichen mitarbeiten. In diesen Fachgruppen werden alle Themen sehr intensiv diskutiert. Letztendlich muss dann der jeweils verantwortliche Redakteur entscheiden.

Und diese Fachgruppen gibt es noch, und die arbeiten auch noch?
RADIO JADE: Nicht alle. Die Fachgruppen Ausländer und Frauenthemen arbeiten momentan nicht mehr so intensiv – die müssen wir wieder aktivieren. Andere Gruppen, wie Maritimes und Politik und Wirtschaft arbeiten dagegen sehr intensiv. Und da ist auch Kompetenz vorhanden.
Um eine Entscheidung treffen zu können, ist die Vorarbeit sehr wichtig – dass man Leute zusammenholt, die zu einem Thema etwas sagen können. Im Vorfeld müssen wir informationsmäßig in die Breite gehen und die richtigen Quellen zur Verfügung haben. Das ist in der Praxis, gerade hier in Wilhelmshaven, gar nicht so einfach.

Wie ist euer Verhältnis zur Stadtverwaltung, zum Stadtrat?
RADIO JADE: Bislang noch ganz gut. Ich habe das Gefühl, dass die sich mehr und mehr mit Radio Jade arrangieren.

Zu Anfang sah es doch so aus, dass die Stadt nicht gerade zu den Unterstützern von Radio Jade gehörte.
RADIO JADE: Das ist sie auch nach wie vor nicht. Man sieht uns wie jeden anderen Radiosender. Dass Radio Jade ein Projekt ist, das der Stadt auch dienlich sein könnte, sieht man in der Stadtverwaltung noch nicht. Welche Stadt kann schon sagen, dass sie einen Radiosender hat? Das ist doch ein Imagewert! Bisher haben wir noch keinen Hinweis darauf, dass man in der Stadt darüber froh ist.
Die Politiker kommen natürlich zu uns in den Sender, sie nehmen sich die Zeit für das Radio. Aber Unterstützung, dass dieser Sender auch noch nach dem Jahre 2002 weiter besteht – da gibt es kein Signal.

Wir danken euch für dieses Gespräch.

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