Radio Jade
Nov 011997
 

Störfunk

Radio Jade auf Sendung – die WZ hat Bauchweh

(iz) Seit dem 30. August ist „Radio Jade“ auf Sendung. Der neue Lokalfunk wird von seinen Hörern zwischen Aurich und Butjadingen -passiv und aktiv – gut angenommen. Auf Wunsch des Publikums hin möchten die Radiomacher täglich in der Presse über das aktuelle Programm zu informieren, z. B. mit einer festen Rubrik im Lokalteil. Radio Jade auf dem Weg nach oben? Die ausjurierten Mitwerber um die Lizenz geben sich, so scheint es, noch lange nicht geschlagen.

Um den HörerInnen regelmäßige gedruckte Programminformation zu liefern, wandte sich Radio Jade an die Zeitungen im Sendebereich – und erhielt in fast allen Fällen eine Ablehnung. Einzig der „Friesländer Bote“ druckte das Programmschema ab.
Radio Jade hakte nach. Die WZ teilte mit, man solle sich erst einmal darüber unterhalten. Radio Jade betrachtete das als Angebot, und Ende September fand ein Treffen statt zwischen Michael Diers als Redakteur sowie Peter Merzhäuser und Tina Schindler vom Vorstand des Lokalsenders und den Herren Westerhoff, Adrian, Schmidt und Kolschen von der WZ. Doch auf die Kernfrage, warum die Zeitung das lokale Radioprogramm nicht abdrucken will, wurde nur entgegnet: „Das wird bei uns im Hause noch diskutiert.“
Die NWZ begründete ihre Ablehnung damit, dass der „Friesländer Bote“ vorab Informationen erhalten hätte. Dies war einmal mit Rücksicht auf den Redaktionsschluss der 14tägig erscheinenden Zeitung geschehen. Ein Gespräch mit dem Verleger des Jeverschen Wochenblattes steht noch aus.
Selbst Hinweise auf besondere Sendeereignisse, wie ein wissenschaftlicher Beitrag über den Oldenburger Kosmonauten Thomas Reiter, werden nicht abgedruckt. Und der K(r)ampf ums Meinungsmonopol reicht noch weiter. Die Wilhelmshavener Grünen schickten zum Wochenende eine Pressemitteilung zur Jugendsozialarbeit los. Das Lokalradio brachte sofort eine Nachricht dazu – die Montagszeitung schwieg. Der grüne Ratsherr Werner Biehl erfuhr von einem WZ-Redakteur, die Grünen müssten sich „überlegen, wen sie zuerst mit Informationen versorgen“. Und: Je öfter Radio Jade über ein Thema berichten würde, desto „unwichtiger“ würde dieses Thema für die WZ.
Bei der sympathieträchtigen Veranstaltung zum Weltkindertag im Pumpwerk wusste sich die WZ ihr Monopol zu sichern. Gelinde gesagt erstaunt war der Vorstand des Kinderschutzbundes, als dieser – als Hauptveranstalter – plötzlich in der Ankündigung nicht mehr auftauchten, stattdessen aber plötzlich die WZ im Mittelpunkt prangte. Die stellvertretende Vorsitzende des Vereins war kurz davor, ihre Teilnahme an der abendlichen Abschlussdiskussion abzusagen. Radio Jade, dessen Redaktion tagsüber mehrere Interviews geführt und übertragen hatte, wurde zur Abendveranstaltung gar nicht erst eingeladen.
Auf einem anderen Kinderfest sorgte Radio Jade für die Discomusik – die WZ kündigte „Musik vom (anonymen) DJ“ an.
Ungeachtet der Tot-Schweige-Taktik der alteingesessenen Medien rennen Vereine und Privatpersonen dem Lokalsender sprichwörtlich die Bude ein und nutzen die Möglichkeit, ihre Ziele und ihr Engagement der interessierten Hörerschaft vorzustellen. Dabei kennen noch lange nicht alle Hörer/innen im Sendebereich den neuen Sender. Wo soll das enden, wenn Radio Jade durch Mundpropaganda und Zufallshörer erst überall ankommt?


Kommentar

Wie erwartet
Seit knapp 2 Monaten ist Radio Jade auf Sendung, aber noch längst nicht zu einem festen Bestandteil der Wilhelmshavener Medienlandschaft geworden. Dafür ist der Informationsgehalt zu gering.
Positiv überrascht war ich allerdings vom Redakteur Rüdiger Schaarschmidt, dessen Sendungen wirklich Pep haben. Im Gegensatz zu den anderen (mit Ausnahme von Christa Evers) gelingt es Schaarschmidt, seine Sendungen lebendig und informativ zu gestalten. Da werden keine vorbereiteten Fragen stur durchgezogen – Schaarschmidt hört zu, geht auf die Antworten ein, hakt nach. Bei den anderen merkt man, dass sie froh sind, wenn endlich die nächste Musik eingespielt wird. Einige Sendungen quälen sich über Stunden hin. Da wird irgendjemand zu irgendwas befragt (Gehst du nach dem Spiel noch ein Bier trinken?) – nur interessieren tut’s kaum jemanden. Als Schlaf- mittel wären diese Sendungen rezeptpflichtig!
Die Musikauswahl gefällt mir gut – da gibt es wirklich Stücke zu hören, die man seit Jahren nicht mehr im Rundfunk hören konnte. Meine Schwiegermutter, die sehr an allem interessiert ist, was in und um Wilhelmshaven passiert, ist da allerdings ganz anderer Meinung. Sie schaltet schnell auf Radio Niedersachsen zurück. Doch diesen Spagat, es jeder und jedem musikalisch recht zu machen, hat noch kein Sender geschafft – weshalb ja die meisten Sendeanstalten drei, vier oder noch mehr Programme ausstrahlen.
So gut die Musikauswahl auch ist, die eindeutig die Handschrift des Palazzo-DJ’s Michael Diers trägt, wenn Diers einen Titel ansagt, dann läuft es einem kalt den Rücken runter, und zwar wegen der Art, wie er die Titel ansagt. Es interessiert wirklich niemanden, dass er den Sänger oder die Sängerin schon vor 15 Jahren live gesehen und hinter der Bühne mit ihm/ihr gesprochen hat und er das Lied auch in seiner Plattensammlung hat usw. usf.
Die Nachrichtensendungen offenbaren das (noch) größte Problem von Radio Jade: Es existiert keine Informationsstruktur zwischen dem Sender und den Vereinen, Verbänden, Parteien und anderen Gruppen. Würde es diese Struktur geben, bräuchte die Nachrichtensprecherin nicht zu melden, dass in Bockhorn ein Wintergarten gebrannt hat.
Einmal hatte ich das ‚Vergnügen‘, ein selbst gemachtes Hörspiel zu hören (ein Bauer wird Showmaster) – das war schon grauenhaft und erinnerte an Sketche, die ich als 10-jähriger in der Jugendgruppe von St. Marien zum Vortrag bringen musste.
Nachdem mein Wachwerden sonntags immer von Übertragungen irgendwelcher Gottesdienste begleitet wurde, habe ich Radio Jade zumindest von meinem Radiowecker verbannt.
Wer Radio Jade hört, kommt in den Genuss guter Musik, wer Radio Jade nicht hört, hat aber auch nichts versäumt.

Hannes Klöpper

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