Olympia
Sep 141992
 

Das Herz der Region hört auf zu schlagen

Die soziale Absicherung muß erkämpft werden

(hk) Der fast das gesamte letzte Jahrzehnt die Region prägende Kampf der Olympia-Mitarbeiterlnnen, des Olympia-Betriebsrates und der Gewerkschaften neigt sich seinem Ende zu. Am 31.12.92 hat der Patient sein Leiden überstanden: Exitus!
Holger Ansmann, Betriebsratsvorsitzender der AEG Olympia, wäre mit dieser Diagnose sicherlich nicht einverstanden. Gibt es doch für den Großteil der verbliebenen MitarbeiterInnen zum 1.1.93 entweder einen neuen Arbeitsplatz oder zumindest eine realistische Perspektive, einen solchen kurzfristig zu erhalten.

Klar und unumstößlich ist, daß die AEG Olympia am 31.12.92 aufhört zu existieren. Für Betriebsrat und Gewerkschaft geht es jetzt darum, den Weg der verbliebenen 1.915 (Stand 1.9.) MitarbeiterInnen in neue Gesellschaften, in den Ruhestand oder in die Umschulung/Weiterbildung sozial und materiell abzusichern. Die Ablehnung der Sozialplan-Vorschläge des Betriebsrates durch die Geschäftsleitung wurde am 17.9. mit einer spontanen Arbeitsniederlegung beantwortet. Holger Ansmann zum GEGENWIND: „Eine solche Arbeitsniederlegung bringt natürlich heute keine Produktionsverluste, aber die Geschäftsleitung sieht, daß die Kollegen geschlossen zusammenstehen und sich nicht einfach abschieben lassen.“ Schon wenige Stunden nach der Arbeitsniederlegung signalisierte die Geschäftsleitung ihre Gesprächsbereitschaft.

Wie sieht die Zukunft aus?

1.915 Arbeiter und Angestellte sind heute noch bei AEG Olympia beschäftigt. Der Betriebsrat geht davon aus, daß bis zum 31.12.92 ca. 350 den Betrieb verlassen werden, entweder über Aufhebungsverträge oder über die Möglichkeit, mit 50 Jahren in Rente zu gehen.
Für den Rest von knapp 1.600 Arbeitern und Angestellten sieht der Betriebsrat gute Chancen, einen Job bei einem der 3 neuen Betriebe (im Olympia-Jargon: Investoren) der Elektronik- und Kunststoffverarbeitungsbranche zu finden, bzw. in der Umschulungs- und Weiterbildungsgesellschaft unterzukommen.
Vertraglich absicherbare Arbeitsplätze bei den Investoren, den AEG-Gesellschaften (Vertrieb, Service, zentrale Dienste) und in den Bereichen Betriebsmittel, Galvanik und Stanzerei, gibt es allerdings nur für gut 50 % der Arbeiter und für 80 % der Angestellten.
Für einen Teil der übrigbleibenden 575 Beschäftigten soll der Weg in die „Aus- und Weiterbildungsgesellschaft“ die drohende Arbeitslosigkeit verhindern. Diese Aus- und Weiterbildungsgesellschaft, die unter Trägerschaft der AEG betrieben wird, hat die Aufgabe, die verbliebenen Arbeitnehmer auf einen Job in einer der Firmen der Investoren vorzubereiten, zu qualifizieren.
Finanziert wird diese Aus- und Weiterbildungsgesellschaft von der AEG, die Bezahlung der „Umschüler“ erfolgt allerdings über das Arbeitsamt. Das Arbeitsamt bezahlt aber nur 68 % des Lohnes, womit ein sozialer Abstieg bis an die Grenze der Belastbarkeit verbunden wäre. Betriebsrat und Gewerkschaft wollen nun sowohl das Land als auch die AEG an ihre Versprechungen erinnern und fordern für diese Kollegen den Lohnausgleich auf l00 %!olympia_herz der region

Schwierige Entscheidungen stehen dem Betriebsrat bevor: Während auf der Angestelltenseite durch die neuen AEG-Gesellschaften relativ wenige Probleme entstehen, müssen bei den Arbeitern Entscheidungen getroffen werden, wer einen‘ Job bei einem der Investoren bekommt, wer in die Aus- und Weiterbildung geht und wer unter Umständen gar entlassen werden muß.

Auf seine eigenen Zukunftsaussichten angesprochen, antwortet Ansmann eher ausweichend. Natürlich gibt es da auch Überlegungen, aber erst einmal geht es für ihn darum, den langjährigen Arbeitskampf möglichst ohne Nachteile für die Beschäftigten zu beenden. Holger Ansmann: „Es besteht ein Konzept, mit dem praktisch alle zum 31.12.92 im Werk verbliebenen Arbeitnehmer eine Anschlußbeschäftigung finden können. Und wir werden den Galgen vor unserem Tor nicht eher abbauen, bis der letzte Olympianer untergebracht ist. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter soll sehen, daß wir bis zum letzten Tag ihre Interessen vertreten, soll sehen, dass wir da sind.“

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