Novemberrevolution
Dez 062000
 

Wilhelmshaven und Rüstringen machten 1918 Geschichte

(ft) Wilhelmshaven und Rüstringen waren 1918 Ausgangspunkt für den Aufstand der Matrosen und Werftarbeiter gegen Krieg und für Sozialismus. Die Revolution zog sich dann über das gesamte Deutsche Reich. Das Küstenmuseum im Cityhaus gedenkt dieses Ereignisses mit einer Ausstellung „Revolution in Wilhelmshaven und Rüstringen 1918/19 – anhand von Original-Dokumenten“. Konzipiert und erstellt wurde die Ausstellung vom Historischen Arbeitskreis des DGB Wilhelmshaven. Der Gegenwind nimmt die Ausstellung zum Anlass, den Zusammenhang der Novemberrevolution in Wilhelmshaven darzustellen.

Der 1. Weltkrieg

Am Anfang des Ersten Weltkrieges im August 1914 fegte noch ein wahrer nationaler Begeisterungssturm über das Deutsche Reich hinweg. Der deutsche Sieg wurde schon zum Ende des Jahres 1914 erwartet. Doch die kriegsbegeisterten Deutschen hatten sich geirrt. Die militärischen Erwartungen wurden enttäuscht. Der Krieg dauerte länger, es kam zu Versorgungsproblemen in Deutschland. Der Gegner war stärker als angenommen. Die Folge waren lange Schlangen vor Lebensmittelgeschäften, in denen es nur wenige Produkte zu überhöhten Preisen zu kaufen gab. Kinder mussten Sammlungen für alle möglichen Ersatzstoffe durchführen und Frauen in Munitionsfabriken arbeiten. Im Jahre 1915 gab es in der Bevölkerung erste Enttäuschungen über den langwierigen, verlustreichen Krieg. In der politischen Folge spaltet sich 1916 die SPD nach einer innerparteilichen Auseinandersetzung über den Krieg in die USPD und die MSPD. 1917 kam es zu ersten Arbeiter-Streiks in Hamburg und im Ruhrgebiet. Das Militär erklärte schon im Sommer 1918 mit dem militärischen Offenbarungseid den Krieg für verloren.

Die letzte Schlacht

Die Seeblockade der Alliierten war unüberwindbar für die Deutschen geworden. Seit dem 28. Oktober wurde die gesamte deutsche Kriegsflotte auf Schillig-Reede zusammengezogen. Die Militärführung wollte die in Wilhelmshaven stationierte Flotte zu einer letzten Schlacht gegen die überlegenen englischen Seestreitkräfte einsetzen und mit Ehre und wehenden Fahnen untergehen. Dieser Flottenvorstoß bedrohte das Leben von 80.000 Marinesoldaten. Schon tags zuvor, am 27. Oktober 1918, leisteten Matrosen und Heizer passiven Widerstand und verzögerten das Auslaufen der Schiffe. Zahlreiche Soldaten kehrten nach dem Landgang nicht an Bord zurück. Der Kreuzer „Straßburg“ beispielsweise war gefechtsunfähig, weil 45 Heizer an Land blieben. Auf vielen Schiffen löschten Marinesoldaten die Feuer unter den Kesseln und versuchten, die Schiffe durch Fluten der Ventile zu versenken.

Der Tag der Revolution

Als am Morgen des 30. Oktober der Befehl zum Auslaufen gegeben wird, verweigern die Mannschaften den Befehl zum Ankerlichten. Die Besatzungen der „Thüringen“ und der „Helgoland“ hissen die rote Fahne. Alle Versuche, die Befehlsgewalt der Offiziere wiederherzustellen, scheitern, so dass die Flottenaktion am 31.Oktober endgültig eingestellt werden muss.
Mit einigen Torpedo- und U-Booten gelingt es Regierungstruppen, den Aufstand für einige Tage gewaltsam zu unterdrücken. Mehr als 1.000 Soldaten werden verhaftet und eingekerkert. Währenddessen kommt es überall in Deutschland zu machtvollen Streiks. Erste Arbeiter- und Soldatenräte werden gebildet.

Demonstration

Am Morgen des 6. Novembers demonstrieren Zehntausende Matrosen und Soldaten durch Wilhelmshavens Straßen. Werftarbeiter schließen sich ihnen an. Die gefangenen Kameraden werden aus den Arrestanstalten befreit. Verstärkte Polizeitruppen und schwer bewaffnete Militärpersonen schaffen es nicht, die Demonstration zu verhindern. Auf der Massenkundgebung wählen die Arbeiter ihren Arbeiterrat, der sich mit dem vorher gewählten Soldatenrat zusammenschließt. Aus dem Arbeiter- und Soldatenrat wird der 21er-Rat (21 Mitglieder) als engerer Ausschuss gebildet. Dieser wird als oberste Behörde eingesetzt und übernimmt die gesamte vollziehende Gewalt. Als Vorsitzender wird Bernhard Kuhnt, ein ehemaliger Wilhelmshavener Heizer der Kriegsmarine, bestimmt.
Sozialistische Republik Ostfriesland
Auf einer Kundgebung am 10. November 1918 erklärt Bernhard Kuhnt den Oldenburgischen Großherzog für abgesetzt und ruft die „Sozialistische Republik Oldenburg/Ostfriesland“ aus.
Am 11.Januar 1919 putschen Wilhelmshavener Offiziere und Berufssoldaten der Marine. Zwei von revolutionären Kräften besetzte Zeitungshäuser müssen geräumt werden.
Am 27./28.1.1919 putschen die Spartakisten und besetzen alle wichtigen Gebäude und Ämter. Es finden spontane Demonstrationen und Kundgebungen gegen den Putsch der kommunistisch orientierten Arbeiter und Soldaten statt. Das Hauptquartier der Putschisten wird von Berufssoldaten mit Artilleriefeuer belegt. Am Morgen des 28. Januar ergeben sich Hunderte der Belagerten. Die blutige Bilanz: 8 Tote und 46 Verletzte. Danach kommt es zu weiteren Schusswechseln zwischen Berufssoldaten und Arbeitern, die weitere Opfer kosten.
Am 20. Februar 1919 schickt die Reichsregierung Truppen nach Rüstringen und Wilhelmshaven. Der 21er-Rat wird abgesetzt und Bernhard Kuhnt verhaftet. Paul Hug (MSPD) wird als Zivilgouverneur und Reichskommissar eingesetzt.

Die Arbeiter und Soldaten, die im November 1918 gegen Krieg, Imperialismus und Kapitalismus aufstanden, schufen Tatsachen, die bis heute und noch weit in die Zukunft wirken. Die Monarchie verschwand von der Bildfläche – es entstand eine bürgerlich-parlamentarische Demokratie. Demokratische Rechte und Freiheiten, wie z.B. das Recht der Arbeiter auf Betriebsräte, das allgemeine Wahlrecht – inkl. Frauenwahlrecht, Koalitions-, Versammlungs- und Pressefreiheit, der Acht-Stunden-Tag, Kündigungsschutz, Tarifautonomie, Arbeitsgerichtsbarkeit, die Beseitigung feudaler Ordnungen (Landarbeiter- und Gesindeordnung) – all das sind erkämpfte Errungenschaften, die durch die Novemberrevolution Gesetz wurden bzw. zumindest durch die Ereignisse befördert wurden.

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