Lohndumping
Feb 012005
 

Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe: Mit neuen Töchtern in den Billiglohnbereich

(hk) Die Stadt Wilhelmshaven überrascht ihre BürgerInnen beinahe täglich mit neuen Konstruktionen ihrer Betriebe. Da gibt es plötzlich Eigenbetriebe, Holdings, “ausgetöchterte“ Unternehmenszweige, Privatisierungen usw. usf. Kaum jemand blickt noch durch. Ein Ziel all dieser Schwindel erregenden Wirtschaftsakrobatik wird allerdings immer deutlicher: Es geht um Lohndumping.

web_logo Nachdem wir über das Sozial- und Lohndumping durch die Auslagerung der Verkehrsbetriebe schon mehrfach berichteten, geht es diesmal um die Zukunft der Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe (WEB).
Die WEB sind zuständig für die Reinhaltung der Stadt – also Abfallbeseitigung, Straßenreinigung, Sondermüll, Bio-Müll und Kanalbetrieb. Seit einiger Zeit ist man dabei, diesen Betrieb “abzufrühstücken“ (siehe Gegenwind 153).
Als Erstes wurde die Straßenreinigung aus den WEB herausgetrennt. Die ist jetzt beim neuen städtischen Betrieb “Straße und Grün“ angesiedelt – eine Maßnahme, über die es eigentlich nur Kopfschütteln gab.
Nun haben die Wilhelmshavener Entsorgungsbetriebe (Werksleiter Franz Neugebauer) zwei Töchter ins Leben geholt, die Abfallwirtschafts-GmbH (AWG) und die Wilhelmshavener Entsorgungs- und Logistik GmbH (WEL).
Die AWG (Geschäftsführer Franz Neugebauer) ist eine 51%ige Tochter der WEB, die restlichen 49% hat sich die GMA (Gesellschaft für Materialkreislauf und Abfallwirtschaft) gesichert. Bei der AWG sind der Containerdienst, die Sperrmüllabfuhr, der Gelbe Sack und die Gewerbemüllabfuhr angesiedelt – bis auf den Gelben Sack alles ehemalige Aufgaben der WEB.
Als 100%ige Tochter der WEB wurde mit Ratsbeschluss vom 24. März 2004 die Wilhelmshavener Entsorgungszentrum und Logistik GmbH (Geschäftsführer Franz Neugebauer) gegründet. Die WEL soll ab dem 1.6.2005 das neu gegründete Wilhelmshavener Entsorgungszentrum am Friesendamm betreiben. Dort wird der Müll gesammelt (von privat, Biomüll und Restmüll, momentan noch Aufgaben der WEB), verladen und zur Deponie nach Wiefels (GMA) verbracht, weiterverarbeitet – sortiert, wiederverwertet bzw. abgelagert. Überraschenderweise soll die WEL ab dem 1 März auch die Abfuhr des Biomülls in Wilhelmshaven übernehmen. Inzwischen wird offen darüber gesprochen, dass die WEL über kurz oder lang den gesamten Restmüllbereich von den WEB übernehmen wird.
Als Grund für diese Auslagerung werden von Werkleiter Neugebauer und Dezernent Dr. Graul die hohe Urlaubsquote, die Ausfallzeiten durch Krankheit und die zu hohen Löhne der WEB-Mitarbeiter angegeben. Das teilte uns auf Anfrage der Vorsitzende des Fachbereichs Entsorgungswirtschaft der Gewerkschaft ver.di, Herr Detlef Schue mit.gma_logo

Detlef Schue weiter zum Gegenwind:

“Zunächst sollen 9 Arbeitsplätze bei den WEB gestrichen werden. Der Abbau geschieht durch Ruhestand, Auslauf von Zeitverträgen und durch Umsetzungen. Bei den WEB soll keiner mehr eingestellt werden.
Bei der WEL sollen neue Mitarbeiter für rund 8 Euro/Std. beschäftigt werden. Ein 8-Euro-Job – das liegt ungefähr auf dem Niveau eines Empfängers von Arbeitslosengeld II mit einem 1-Euro-Job. Die WEL ist zwar eine 100%ige Tochter der WEB – aber dort wird dann eben kein Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes mehr angewendet – da wird ein vollkommen anderes Tarifwesen aufgebaut werden.“
Man lässt also die kommunale Abfallsammlung in Wilhelmshaven sterben, weil man auf den Trichter gekommen ist, dass man als 100%iges Tochterunternehmen gut Lohn- und Sozialdumping betreiben kann. Bei der hohen Arbeitslosigkeit und den neuen Zumutbarkeitsregelungen wird man wohl auch entsprechende Mitarbeiter bekommen.
Hier wird also ein funktionierender Bereich kaputtgemacht, um die Arbeiten unter schlechteren Bedingungen für die Beschäftigten in einem neuen Betrieb zu erledigen.
Nochmals Detlef Schue: “Es gibt genügend Menschen, die gezwungen sind, für jedes Geld jede Tätigkeit anzunehmen. Im Bereich des Öffentlichen Dienstes gibt es einheitliche Tarifverträge – und die Beschäftig- ten verdienen angemessen. Das ist wohl einigen Leute zu viel. Und der Geschäftsführer der WEL hat natürlich Interesse daran, möglichst viele Aufgaben in diesen neuen Betrieb zu bekommen – das geht nur auf Kosten eines anderen Betriebes – eben der WEB – zusätzliche Aufgaben gibt es nicht.“
Das ist zwar, so Schue weiter, politisch noch nicht entschieden, aber sowohl Oberbürgermeister Eberhard Menzel als auch die Dezernenten stehen wohl hinter diesem Konzept.
Wir fragten Detlef Schue nach der Stichhaltigkeit der Begründung für die Auslagerung der Arbeiten: “Der hohe Krankenstand ist natürlich auch Ausdruck der Arbeitsbedingungen – es gibt z.B. kaum eine Möglichkeit, bei Ausfällen auszugleichen – das wird auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen – und durch diese Mehrbelastung erhöht sich zwangsläufig wieder der Krankenstand. Verfehlte Geschäftspolitik – wohin man auch schaut. Die Werksleitung hat nichts getan, um hier etwas zu ändern – und das wird jetzt als Argument für die Auslagerung der Arbeiten angeführt. Wie sehen denn die Arbeitsbedingungen aus? Bei Wind und Wetter – die Tonnen müssen teilweise aus Kellern herausgewuchtet werden – die Zuwegungen sind z.T. katastrophal, und das geht ja schon um 6 Uhr in der Frühe los – da ist es in den Wintermonaten noch stockdunkel. Die Kolonnen sind zeitweise auch unterbesetzt. Es gibt dadurch eben einen hohen Anteil an Arbeitsunfällen in diesem Bereich. Und das macht man den Mitarbeitern jetzt zum Vorwurf.
Zuviel Urlaub? Die Mitarbeiter der WEB bekommen nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes ihren Urlaub, haben als Müllwerker noch Zusatzurlaubstage, weil diese Tätigkeit ja sehr belastend ist. Und das wird es dann in der WEL nicht mehr geben. Das sind ‚veraltete Verhältnisse‘, die angeblich nicht mehr in die moderne Arbeitswelt passen.
Bei der Gründung der AWG 1998 wurde vereinbart, dass der Tarifvertrag des Bundesverbandes der deutschen Entsorgungswirtschaft (BDE) angewendet wird – dieser Tarifvertrag ist zwischenzeitlich gekündigt worden – das deutet darauf hin, dass man auch hier massiv in die Vergütung der Mitarbeiter eingreifen will.
So etwas darf man in Wilhelmshaven nicht zulassen. So kann man keine Wirtschaft ankurbeln – alle jaulen über den Rückgang des privaten Konsums – und dann macht man solche Geschichten – wo sollen die Leute denn das Geld hernehmen?“
Die Arbeit der Entsorgungsbetriebe muss gemacht werden und man kann nicht, wie z.B. Torde, die Arbeit ins Ausland verlagern. Darum will man hier Verhältnisse schaffen, die denen der Billiglohnländer ähneln.

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