Leserbriefe
Mrz 032004
 

 

Leserbriefe:

Zu den Artikeln „Hotelismus“ und „Finanzierung für Tiefwasserhafen ruinös“ (Gegenwind Nr. 195, Jan./Feb. 2004) 

Etwas aus der Ferne betrachtet mutet die Wilhelmshavener Wirtschafts- und Strukturpolitik abstrus an. Am Südstrand soll ein 70 Meter hohes Hotel gebaut und das Jugendhotel Seeräuber abgerissen werden. Die Strandpromenade am Südstrand ist eines der wenigen Ensembles der Stadt, die von Besuchern und Einwohnern gleichermaßen für einen kurzweiligen Bummel geschätzt werden. Weder wird das Mega-Hotel wirtschaftlich zu betreiben sein, noch kann davon ausgegangen werden, dass die Strandpromenade ihre Anziehungskraft behalten würde. Die Ansicht der Klinkerbauten aus der Zeit zwischen den Weltkriegen hat betriebswirtschaftlich gesprochen den Charakter eines Alleinstellungsmerkmales. Den Gestus dieser Terminologie sollten die Herrn der Stadtverwaltung doch eigentlich verstehen. Stattdessen gibt es seit den siebziger Jahren in Wilhelmshaven wiederkehrend den Versuch, Ideen und Trends, die anderenorts erfolgreich zu sein scheinen, eins zu eins auf Wilhelmshaven zu übertragen. Das wechselnde Personal im Rathaus hat meines Wissens nie versucht, für ihre Stadt an der bundesdeutschen Peripherie eigenständige, passende Ideen zu entwickeln. Diese erstaunliche destruktive Kontinuität hat vielleicht etwas mit einer Verfestigung der ökonomischen und damit auch der politischen Marginalisierung zu tun.
Insofern ist die Aussage in dem Artikel Hotelismus falsch, wonach „richtig ist, dass sich die Wilhelmshavener Politik nicht regelnd in die Wirtschaft einmischen sollte“. Gerade diese Einmischung ist die Aufgabe der Politik, weil sich das gesellschaftliche Ganze einer Stadt nicht automatisch aus wirtschaftlichen Einzelinteressen ergibt. Sonst könnten überall Hotelneubauten genehmigt werden, wenn sich nur ein Investor finden würde, der die Baufirmen bezahlt. Selbst eine konservative Stadtregierung, wie zur Zeit in Hamburg, betreibt eine aktive Wirtschaftspolitik, um in der Region einen spezifischen Mix an Handel, Dienstleistungen und Industrie zu erzeugen.
Damit komme ich zu dem Bericht über den hafenpolitischen Sprecher des Landtagsgrünen Janßen, der von der niedersächsischen Regierung fordert, die weitere Elbvertiefung zu verhindern und „Hamburg für einen gemeinsamen Tiefwasserhafen mit ins Boot zu holen“. Herr Janßen hätte auch den berühmten Sack Reis in China umschmeißen können. Die niedersächsische Regierung kann die Vertiefung höchstens verzögern, eine wirkliche rechtliche Handhabe dagegen besitzt sie nicht. Dies läge aber auch gar nicht in ihrem Interesse, da Nordostniedersachsen unmittelbar vom Wirtschaftswachstum in der Metropolregion Hamburg abhängig ist. Dieser Wirtschaftsraum ist für Niedersachsen außerdem wesentlich bedeutender als der in Wilhelmshaven.
Die hamburgische Regierung wird die Elbe vertiefen, wenn dies notwendig werden sollte. Denn der Hamburger Hafen hat zur Zeit höchste Wachstumsraten und schließt zu Rotterdam auf, weil die logistische Einbettung über vollautomatische Terminals, Schiene, Straße, Feederverkehr und Hafenkooperationen europaweit die beste ist. Es gibt deshalb für die Hafenwirtschaft in Hamburg keinen Grund, mit Niedersachsen Kooperationen einzugehen und etwas vom Kuchen abzugeben. Wenn der Containerhafen in Wilhelmshaven verwirklicht werden sollte, bleiben nur zwei Perspektiven: Günstigstenfalls könnte eine Nischenstruktur mit relativ wenigen Arbeitsplätzen entstehen. Wahrscheinlicher ist die Realisierung einer weiteren Investitionsruine, diesmal im Wilhelmshavener Norden.

Ben Diettrich, Hamburg

Zum Artikel zum Naziaufmarsch in Wilhelmshaven, Gegenwind 195
In Braunschweig konnten die Nazis erst mit gehöriger Verspätung losmarschieren. Das ist richtig. Aber die Polizeikontrollen – von wegen „Einhaltung der Auflagen“ – hatten damit nur zum Teil zu tun. Wesentlicher war, dass ein gutes Drittel der Nazis wegen „technischer Probleme“ des Zuges irgendwo auf der Strecke zwischen Hannover und Braunschweig aufgehalten worden ist. Zeitgleich waren auch an die hundert antifaschistische GegendemonstrantInnen im selben Zug. – Sollte es da einen Zusammenhang gegeben haben? Blockaden von Nazi-Aufmärschen können viele Gesichter haben …
Dass die Polizei in Lüneburg die Abschlusskundgebung der Nazis wegen dem Abspielen der „Deutschlandhymne“ in der von den Nazis favorisierten Version abbrachen, ist zwar ne feine Sache gewesen, machte aber auch deutlich, dass die Eigeninitiative von AntifaschistInnen bei mangelhafter Organisierung an ihre Grenzen stößt. Sich aber auf des Einschreiten der Polizei zu verlassen, halte ich für fatal.
Mein Opa wurde wegen Mitgliedschaft in der KPD ins KZ Neuengamme verschleppt und dort umgebracht. Mein Vater war irgendwann mal bei der DKP, inzwischen ist ihm aber alles scheißegal. Das kotzt mich an.
Ich bin Punk. Ich hasse Nazis. Ich finde den Staat verlogen. Und ich bin aus WHV abgehauen. Die ganzen Linken sind besserwisserische Spießer, die kein Rückrat haben. Die Nazis sind eine Sache, und ich diskutier auch nicht mit denen über „Deutsche Arbeitsplätze für Deutsche Arbeitslose“ oder so’n Scheiß. Aber wenn ich mir das Vertrauen in die Polizei angucke und das weitverbreitete Setzen auf das „antifaschistische Engagement“ der Stadtverwaltung, und wenn das die Linken in WHV sein sollen, weiß ich jetzt schon ganz genau, wie das Ganze ausgehen wird. Ich hoffe, ihr baut auf eure eigene Kraft! Viel Glück dabei!
Nazis raus! Die antifaschistische Selbsthilfe organisieren!
Nazis töten, der Staat schiebt ab – das ist das gleiche Rassistenpack!

Thomas Hank (Todde)

Zur Diskussion ums Pumpwerk
Lebt Wilhelmshaven auch im Pumpwerk?
Aida als Figur vergangener Kultur und Kleinschmidt als Synonym für den kleinen Schmidt. Diese unverträglichen Begrifflichkeiten zusammengeschmiedet zu einer Galionsfigur für das Flaggschiff des Wilhelmshavener Bürgerlebens. Nur ein Fehler ist den Konstrukteuren unterlaufen – sie haben die Galionsfigur auf der Brücke installiert. Auf die Brücke eines Schiffes – gleich welcher Bauart es ist – und gleich welchem Zweck es dient – gehört ein Kapitän – ein Kopf, der zu denken vermag, der fähig ist zu Weitsicht und Mut. Ein Kopf, in dem Raum ist für Verantwortung – Verantwortung für Mannschaft und Ladung. Ich habe viele Galionsfiguren betrachtet – auch ihre Köpfe – ich habe immer nur Holz gefunden. Holz, dass mit viel Aufwand vor dem Verfall geschützt werden muss.
Ich frage mich nun, wie es um die „Reeder“ des Schiffes Pumpwerk bestellt ist?

Ewald Eden, Schortens

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