Leserbrief
Jul 011998
 

Nur Nörgler stören Glück und Frieden

Am 24./25. April wurde es eröffnet, das „Deutsche“ Marinemuseum. Planung, Finanzierung und Ausführung sind zweifellos Meisterleistungen des Managements – ermöglicht durch ein historisches Einvernehmen aller Stellen. Der Standort Wilhelmshaven ist auch „O.K.“, wenn es denn sein muss.

Die positiven Aspekte der Marine und ihres Museums wurden bisher ausgiebig belobt. Wie aber steht es mit dem sozialen Umfeld, wie mit dem geistigen Gehalt? Ist folgender Eindruck denn so falsch: „Denkmäler und Museen braucht die Vaterstadt, denn Arbeitslose haben wir genug! Ehrenwerte Bürger schaffen das Undenkbare: 94 des „Großen“ Kaisers Denkmal, 98 das Seekriegs-Museum der Deutschen.

Fehlt noch ein Hitlerdenkmal? (Der Mann war schließlich deutscher Kanzler, positiv gesehen; verdienter Mann, hat zur KÖLN-Taufe in Wilhelmshaven weitere Schiffe versprochen, also Arbeitsplätze.)
Dem Ruhm von Vaterstadt und –land darf auch die SPD sich nicht verschließen. Die Wendezeit (schon IV. Reich?) macht’s möglich. Nur Nörgler stören Glück und Frieden.

Eingeweiht durch Inspekteur und Marschmusik, Konsul, Kulturdezernent, Bankdirektor, Pensionäre, Drehorgelmann, Bürgermeister, Stadtdirektor – Kaleidoskop ehrenwerter Männer, dem Anlass angemessen: „mit Volldampf retour zur goldenen Kaiserzeit“. Totale Einvernehmlichkeit – wer denkt da schon an Schulterschluss und Gleichschritt?
4,5 Millionen – mit Spenden finanziert, das ist doch Spitze! Nicht für Soziales, Sinnhaftes, nicht mal für das Küstenmuseum, nein, fürs Denk-ein-Mal der so herrlich ungebrochenen Marinegeschichte – nach 150 Jahren! Das darf schon etwas kosten!

Und alles ganz privat und ohne öffentlich-rechtliche Pflicht – wie Pay-TV – zählt nur noch der Profit.“
Im Ernst. Seestreitkräfte waren und sind ein Instrument militärischer Gewalt, dazu bestimmt, Tod und Zerstörung anzudrohen und notfalls auszuführen.

Politisch sicher notwendig. Doch ist es deshalb schon erlaubt, sie anzupreisen wie TV-Werbung ein Waschmittel, als hätte es Leid und Unrecht beider Kriege nicht gegeben? Nicht dunkle Stellen ihrer Geschichte? Nicht völkerrechtswidrige Einsätze?
Zählt heute einzig nur der oberflächliche Nutzen für deutsche Seegeltung, Nachwuchswerbung, Profit, Touristen, Partei, persönliche Geltung?
Ist es Absicht? Fehlt das Konzept? Fehlt gar das Wissen? (Wen wundert’s – nach dem Rausschmiss der Historikerin Karin Schulz). Die Bedenken des Symposiums Marinemuseum vor ca. 10 Jahren jedenfalls wurden nicht beachtet.

Die Mehrheit schweigt. Weshalb? Ist es Bequemlichkeit? Angst vor schwarzer Wendezeit? Gar dankbare Zustimmung? Oder wird Kritisches nicht mehr veröffentlicht?
Wo bleiben die kritischen – die wahren – Bürger dieser Stadt? Soziale Demokraten? Bündnis90/Grüne? Christliche Demokraten? Gewerkschafter? Personalräte? Bundeswehrverband? Lehrer? Ärzte? Jugendliche? Sportvereine? Kriegsopfer? Rentner?
Wo bleiben Jugendamt (Jugendgefährdung) und Staatsanwalt (Verherrlichung von Kriegsgerät und Unterdrückung fremder Völker, Verschweigen wesentlicher Fakten)?

Ist ihnen wirklich gleichgültig, dass neben dem friedvollen Wattenmeerhaus ein Museum zur Verniedlichung und Verherrlichung des Seekrieges steht, Motto „Marine ist Not und macht auch Spaß“?
Ist ihnen das Unrecht der Kolonialzeit (Beispiel Tsingtau), der Unsinn der Skagerrakschlacht, die Härte der Militärjustiz, die Erschießungen in Libau, die Versenkung von Gefangenenschiffen, Gewalt und Brutalität des Krieges etc. Alles gleichgültig?

Haben wir Nachgeborenen nicht die Pflicht, gerade dies anzuschauen, damit es sich nicht wiederhole?
Ist Seekrieg nicht eine viel zu ernste Sache, um ihn zu glorifizieren oder zu verharmlosen?
Dürfen Seestreitkräfte dazu missbraucht werden, verquaste Vorstellungen von „goldener“ Kaiserzeit und „Stolz auf unsere Vaterstadt“ zu verbreiten, einfältige Träume einer rückwärts gewandten Wendezeit?
Es ist nicht Nörgelei, da irrt der Konsul. Es ist die Einseitigkeit der Darstellung, die das Marinemuseum zur unerträglichen Geschichtsfälschung macht.

Die 4,5 Millionen dienen einem miserablen Zweck. Das Museum ist überflüssig wie ein Kropf, doch leider nicht mehr abzuschaffen. Angesagt ist daher, das Konzept konsequent zu überprüfen und die inhaltliche Aussage umfassend zu korrigieren. An Geld wird es nicht fehlen.
Bis dahin ist das Museum zu schließen. Rat und Verwaltung sind jetzt in der Pflicht.

Ulrich Meyer, Fregattenkapitän a.D., Mitglied des Militärgeschichtlichen Arbeitskreises Wilhelmshaven, Unterdorfstr. 57, 66265 Heusweiler

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