Zum Artikel „Schattenlicht“, Gegenwind Nr. 114, Mai 93
Zu begrüßen zunächst, daß es in Wilhelmshaven eine Selbsthilfegruppe für vergewaltigte Mädchen und Frauen namens Schattenlicht gibt. Fälschlicherweise wird die sich individuell zeigende gesellschaftliche Gewalt gegen Frauen und Mädchen immer wieder als „Mißbrauch“ bezeichnet.„Sexueller Mißbrauch“ beinhaltet ausdrücklich nicht das gesellschaftliche Gewaltverhältnis und ist deshalb in diesem Zusammenhang tatsachenverschleiernd und gleichzeitig verharmlosend. Beim sogenannten „sexuellen Mißbrauch“ handelt es sich um den gleichen Tatbestand wie bei der Vergewaltigung, insofern ist dieser Akt auch so zu benennen.
„Mißbrauch“ beinhaltet die Möglichkeit des Gebrauchens und degradiert Mädchen und Frauen zu Objekten männlicher Begierde.
Das Theaterstück „Kalte Hände“ bricht zwar mit einem gesellschaftlichen Tabu – ganz im Sinne der gegenwärtigen Tendenz in gesellschaftlichen Medien – liefert jedoch gleichzeitig eine anerkannte Sichtweise der Position der Mutter, der die Verantwortlichkeit für die Beendigung der Situation für ihre Tochter obliegt. Nicht der Täter ist verachtungswürdig, ja vielmehr eigentlich wieder einmal die Mutter.
Die Message: Mütter erziehen nicht nur gewalttätige Jungen, nein, sie liefern ihre Töchter auch noch männlicher Gewalt aus. Eigentlich leben wir gar nicht im Patriarchat, nein, die Mütter – sie allein haben die Macht! Ha, Ha.
Frauen und Mädchen, die Vergewaltigungserlebnisse anders als die Autorin des besagten Artikels verarbeiten und sich zum Beispiel auch aus diesem Grund für ein Leben ausschließlich in Frauenzusammenhängen entschieden haben, können dann wohl, so verstehe ich die Autorin, ihre Erlebnisse nicht „richtig“ verarbeitet haben. Als „gesund“, „heil“ und vor allem „erwachsen“ gelten nur die Frauen und Mädchen, die weiterhin ihre persönlichen Vergewaltigungserfahrungen individualisieren und vergessen zu realisieren, dass Vergewaltigung letztlich nichts anderes ist als der drastische Ausdruck einer lebensfeindlichen, frauenfeindlichen Gesellschaft, und Gewaltverhältnisse manifestieren soll.
Dieser Krieg gegen Weiblichkeit ist ein alter und doch immer wieder neuentflammter Krieg, besonders stark ausgeprägt dann, wenn Frauen ihren Autonomie- und Unabhängigkeitsbestrebungen aktiv nachgehen.
Antje
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