Küstenmuseum
Mrz 012001
 

Jeder gegen jeden

Jahnhalle und Küstenmuseum – eine teure Schlamperei

(iz) Seit vier Monaten schwebt die Zahl 40.000 wie ein Damoklesschwert über Rat, Verwaltung und der städtischen Projekt GmbH (WPG). Soviel Mark zahlt die WPG seit dem 1. Januar 2001 monatlich (!) an den Eigentümer der seit Ende der „Expo am Meer“ leer stehenden Jahnhalle, ohne dass ein Pfennig an Einnahmen durch die versprochene kulturelle Nachnutzung zu verbuchen wäre. Da die WPG eine städtische Tochtergesellschaft ist, sind natürlich auch die BürgerInnen interessiert, wo ihre Steuergelder begraben liegen. Im ersten Teil unserer Recherche fassen wir die Vorgeschichte noch einmal zusammen, im Anschluss stellen wir die aktuellen Entwicklungen dar.

Die Stadt macht zu – der Verein macht weiter

Das Küstenmuseum, eine städtische Einrichtung mit großem Potential für die Stadt- und Kulturgeschichte sowie als Besucher- und Tourismusmagnet, fristete seit langem ein Schattendasein im beengten Kellerraum des Cityhauses. Als die Stadt 1997 den Betrieb des Museums einstellte, gründete sich der „Verein zum Erhalt und zur Förderung des Küstenmuseums“. Zum ersten Vorstand zählten unter anderem die Gründungsmitglieder Rechtsanwalt Bolko Seifert, Küstenforscher Dr. Waldemar Reinhardt, der damalige Kulturdezernent Milger, Ratsfrau Haschke und Hartmut Büsing vom historischen Arbeitskreis des DGB. Durch ehrenamtliche Arbeit der Mitglieder konnte der Betrieb einschließlich Betreuung von Kasse und Besuchern, vertraglich gegenüber der Stadt abgesichert, aufrechterhalten werden. Neben dem Tagesgeschäft stellte der Verein regelmäßig Sonderausstellungen auf die Beine, wie die Ausstellung zu Tsingtau, über die 50er Jahre oder zuletzt zur Revolution in Wilhelmshaven.

Umzug? Ja, aber …

Um den Fortbestand des Museums langfristig zu sichern, wurde nicht nur seitens des Vereins ein Umzug in angemessene Räumlichkeiten gefordert. Im Gespräch waren kurzzeitig das jetzt von der Bundesausführungsbehörde für Unfallversicherung sanierte und genutzte Gebäude in der Weserstraße und später der Westflügel der Torpedowerft am Südstrand, als sinnvolle Ergänzung des in der anderen Hälfte entstehenden Wattenmeerhauses. Trotz akzeptabler Konzepte für letztere Variante wurden die Fördermittel des Landes von der Stadt nicht abgerufen. Statt dessen zog die Advance Bank am Südstrand ein, die zwar zahlungskräftig ist, aber thematisch zum Wattenmeerhaus so gut passt wie Gummistiefel zum Abendkleid.
jahnhalleIm Zuge der „Expo am Meer“ wurden dann erfreulicherweise die beiden verfallenden Gebäude der ehemaligen Kammgarnspinnerei Müller und Raschig an der Weserstraße / Bontekai saniert. An der Wasserseite entstand unter Eigentum der Sparkasse das Erlebniszentrum „Oceanis“. Die Jahnhalle an der Weserstraße wurde vom Immobilienkaufmann Bodo Behnke aufgekauft und behutsam und stilvoll saniert bzw. als Ausstellungshalle eingerichtet. Für die Dauer der Expo stellte Behnke das Gebäude kostenlos zur Verfügung, es war jedoch von vornherein klar, dass im Anschluss 40.000 DM monatliche Mietkosten anfallen würden. Zahlreiche, kreativ geprägte Verlautbarungen von Rat und Verwaltung ließen jedoch hoffen, dass eine wirtschaftlich, kulturell und ökologisch nachhaltige Nachnutzung – ein Oberziel jeder EXPO – gewährleistet sei. Ein Teil dieser Planungen war der Umzug des Küstenmuseums in die Halle, ergänzt durch weitere Ausstellungen.
Erste Zweifel kamen auf, als sich erst Anfang 2000, knapp fünf Monate vor Start der Weltausstellung, Aktivitäten zur inhaltlichen Füllung der Jahnhalle für die Expo abzeichneten. Durch außerordentliches Engagement des WPG-Mitarbeiters Rainer Beckershaus, in Zusammenarbeit mit den Wilhelmshavener Architektinnen Oda Griesemann und Imke Oltmanns und lokalen Institutionen wie dem Institut für Vogelforschung oder dem Institut für historische Küstenforschung, entstand doch noch das tatsächlich anspruchsvollste und sehenswerteste TeilEXPOnat in Wilhelmshaven. Über die vorbereitende Arbeit hinaus werden vielen die lebendigen Führungen von Beckershaus durch „seine“ Jahnhalle im Gedächtnis geblieben sein.
Zum Ende der Expo lief Beckershaus’ Vertrag jedoch aus, ohne dass die Nachfolge eines Koordinators für die groß angekündigte Nachnutzung gesichert wurde. Nach Ende der Sonderausstellung im Küstenmuseum zur Revolutionsgeschichte in Wilhelmshaven, die unter Federführung von Hartmut Büsing vom historischen Arbeitskreis des DGB entstanden war, wurde auf der Ratssitzung zum Jahresende der Vertrag zwischen der Stadt und dem Förderverein für das Küstenmuseum gekündigt und damit das Küstenmuseum am bisherigen Standort geschlossen. Die Ratsvertreter wollten damit den Weg freimachen für einen neuen Vertrag zwischen dem Förderverein und der WPG. Zahlreiche auf der Ratssitzung anwesende Mitglieder des Fördervereins machten allerdings deutlich, dass sie mit dieser schwebenden Situation nicht einverstanden waren.
Petra Gottschalk, CDU-Ratsfrau und jetzige engagierte Vorsitzende des Fördervereins für das Küstenmuseum, sieht in der Entscheidung bei allen Vorbehalten „eine Chance für einen Neuanfang“. Sie mag insofern Recht haben, als dass statt der bislang eher untätigen Verwaltung jetzt eine neue, von der WPG noch einzusetzende Geschäftsführung für das Küstenmuseum bzw. die Jahnhalle aktiv werden könnte. Wer nun in der Verwaltung jahrelang geschlampt hat, darüber scheiden sich die Geister. Vielen war der städtische Museumsdirektor Halpaap ein Dorn im Auge. Andere Meinungen gehen dahin, der Archäologe mit Beamtenstatus hätte durchaus ordentliche Arbeit geleistet, die aber dank seines vorgesetzten zuständigen Stadtrates Jens Graul in Aktenordnern verstaubt.

Welches Konzept: Von unten gewachsen oder von oben aufgestülpt?

Als auf besagter Ratssitzung gesagt wurde, ein noch zu gründender Arbeitskreis solle sich erst mal durch Besichtigung diverser Museen schlau machen, kam deutliche Unruhe unter Gegnern der Vertragskündigung und vorläufigen Schließung bzw. unter Mitgliedern des Förderkreises auf. Es bestand die Befürchtung, dass noch weitere Zeit und Gelder verschwendet würden, ehe etwas Greifbares passiert.
Aktuell arbeiten nun verschiedene Gruppen mit z. T. deutlich verschiedenen Zielen an der inhaltlichen Füllung der Jahnhalle, die Bedingung für die Wiedereröffnung und Refinanzierung durch Eintrittsgelder ist:
Die Stadtverwaltung hat einen Auftrag an die auswärtige Firma Milla und Partner vergeben, die auch „Oceanis“ entwickelt hat und nun Ausstellungsteile für die Jahnhalle konzipieren soll. Das wäre das „top-down“-Prinzip, wo der Halle von oben herab ein Konzept aufgestülpt wird. Geplant ist die Wiedereröffnung Anfang April. Der Nutzungsvorschlag von Milla und Partner wurde inzwischen als „erheblich zu teuer“ abgelehnt.
Der DBG einschließlich seines historischen Arbeitskreises hat am 6. Februar der Presse ein Konzept vorgestellt, das lokale Gruppen von Bürgern, Betrieben und Institutionen einbezieht, die schon sehenswerte und maßgebliche Bestandteile der Jahnhalle für die EXPO geliefert haben. Teile dieser Beiträge, z. T. Schenkungen der Urheber für den weiteren Betrieb, stehen übrigens noch in der Halle herum und könnten problemlos in die Dauerausstellung integriert werden. Andere sind im Zuge des Missmanagements bereits verschwunden.
Der Förderverein für das Küstenmuseum schließlich wartet darauf, dass das noch nicht einmal in Kisten verpackte Inventar aus dem Kellermuseum endlich umziehen kann, und soll wie gehabt Sonderausstellungen beisteuern. Als erstes ist eine Ausstellung zum Thema Schreibmaschine geplant, die auch die Geschichte der Olympiawerke einbeziehen soll – was sich glänzend in das DGB-Konzept einfügen würde. Die Organisation wurde den berufsbildenden Schulen (BBS I) überlassen, die bereits die BürgerInnen zur Ausleihe historischer Schreibmaschinen aufgerufen hat. Frau Gottschalk hat sich zudem mit der Landesbühne in Verbindung gesetzt, die aktuell das inhaltlich passende Stück „Sekretärinnen“ inszeniert.
Das unstrukturierte Nebeneinander ist aktuell zu einem kämpferischen Gegeneinander eskaliert. Kaum hatte der DGB sein Konzept der Presse vorgestellt, das auch in der WZ ohne subjektive Meinungsmache der Öffentlichkeit weitergegeben wurde, beeilten sich ausgerechnet die Grünen, schwere Geschütze dagegen aufzufahren. „Scheinheiligkeit in großem Maße“ werfen Fraktion und Kreisverband den engagierten Gewerkschaftern in einer von Werner Biehl unterzeichneten Presseerklärung vor, die am 13.2. im Jeverschen Wochenblatt und tags drauf in der WZ zitiert wurde: Ein Museum moderner Konzeption könne nicht nur „die Belange und Bedürfnisse einiger Wilhelmshavener Gewerkschaftsführer widerspiegeln“. Zur Zeit würde „emsig und mit aller Kraft an einer akzeptablen Zwischenlösung gearbeitet“. Die Forderung des DGB „ein lebendiges, neues Küstenmuseum – sofort“ sei nicht haltbar. Die Konstruktion eines modernen Museums brauche einfach mehr Zeit.
Interessant ist dabei, dass keine/r der Grünen bei der Vorstellung des DGB-Konzeptes anwesend war oder sich anderweitig mit den Urhebern auseinandergesetzt hat. Und wer die schier unendliche Vorgeschichte von Küstenmuseum und Jahnhalle kennt bzw. oben nachgelesen hat, versteht, dass mit „sofort“ hier nichts übers Knie gebrochen werden soll, sondern einzig die versprochenen Lösungen für ein mittlerweile mehr als 10 Jahre altes Problem eingefordert werden. Wie die Grünen von dem vorgelegten integrativen, bürgernahen DGB-Konzept, das lokale Kräfte und Kreativität in den Mittelpunkt stellen und bündeln will, auf Profilneurosen Einzelner schließen können, wird das Geheimnis der ehemals basisorientierten Partei bleiben. Da drängt sich doch der Gedanke auf, dass gerade diese Kritiker auf jene persönliche Profilierung gehofft haben, die sie nun in unqualifizierter Form dem DGB unterstellen.

Interessensverschränkungen

Neben der inhaltlichen Arbeit, die der DGB angesichts der Bewegungslosigkeit von Stadt und WPG in Angriff genommen hat, weist er auch bewusst provokativ und öffentlichkeitswirksam auf die Verschwendung von Steuergeldern hin, die das planlose Aussitzen der eigentlich Verantwortlichen kostet. Beginnend im Januar, wird zu jedem Monatsende eine Kleinanzeige zu den 40.000, 80.000, … DM geschaltet, die die Jahnhalle kostet, ohne dass Einnahmen erwirtschaftet werden. In diesem Zusammenhang stellt sich noch ein Rätsel: Es ist ja nachvollziehbar, dass Eigentümer Behnke, der 6,5 Mio DM in die gelungene Restaurierung gesteckt hat, sich im Nachgang zur „Expo am Meer“ seine Investitionen wiederholt. Bemerkenswert ist daran, dass die zahlungspflichtige WPG zwischenzeitlich nur noch zu etwa 2/3 der Stadt und zum Rest der Volksbank – und Herrn Behnke gehört, der also als Zahlungsempfänger ein Mitspracherecht beim Zahlungspflichtigen besitzt, was wiederum mehrheitlich die Wilhelmshavener SteuerzahlerInnen sind.
Solcherlei Interessensverschränkungen, die in Wilhelmshaven keine Seltenheit sind, mal hintangestellt, wäre es nun, im Sinne der Sache, an der Zeit, die noch offene Position der Jahnhallen-Geschäftsführung bei der WPG schnell und vor allem kompetent zu besetzen, um die Ideen und Ansätze von DGB, Förderverein sowie Milla und Partner konstruktiv zusammenzuführen. Der Förderverein allein kann mit ehrenamtlicher Arbeit die Versäumnisse von Stadt und WPG nicht wett machen; Milla und Partner allein erstellt unter Umständen ein abgehobenes Konzept wie für Oceanis, in dem seit Ende der EXPO am Meer gähnende Leere herrscht. Und ob die Mitglieder des Fördervereins bereit wären, ihre Freizeit für ein Projekt zu opfern, das ihnen von oben oktroyiert wurde, ist fraglich …

Kontakte: Verein zur Erhaltung und Förderung des Küstenmuseums, Petra Gottschalk, Parkstr. 24. Spendenkonto: Sparkasse Wilhelmshaven, BLZ 282 501 10, Kontonummer 32111999. DGB / Historischer Arbeitskreis: Gewerkschaftshaus, Kieler Str. 63, Tel. 18010.

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