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Nov 212000
 

Hafenschnipsel

Eine Betrachtung bekannt gewordener Zahlen und Fakten aus dem Berger/Planco-Gutachten

(hk) Es ist eine dumme Angewohnheit von Politik und Wirtschaft, das „gemeine Volk“ immer nur mit Brosamen abzuspeisen. Die Machbarkeitsstudie der Wilhelmshavener Hafenwirtschaft (WHV) wurde interessierten Bürgern erst zur Verfügung gestellt (und das auch nur lückenhaft), als die WHV durch massive Proteste in die Ecke gedrängt wurde. Wir können nur hoffen, dass es um das Berger/Planco-Gutachten nicht wieder einen solchen Eiertanz gibt – obwohl einige Äußerungen zu entsprechenden Befürchtungen Anlass geben.

Bis jetzt jedenfalls steht die Studie nur wenigen Auserwählten zur Verfügung. Also stürzt sich die Presse auf die Brocken, die bekannt gegeben werden; die Bürger stürzen sich auf die von der Presse servierten Berichte. Das Ergebnis sind Spekulationen und Sch…hausparolen. Wir haben versucht, das, was in der Presse zwischen Nordsee und Alpen erschienen ist, auszuwerten und können dennoch nur ein mageres Ergebnis dieser Recherche vorweisen. Die Quellen werden von uns nicht erwähnt, damit der Artikel nicht noch unlesbarer wird. Wer wissen will, was wann wo stand, möge sich mit der Redaktion in Verbindung setzen. Ausgelassen haben wir auch allgemein bekannte Aussagen (Vorteile für Wilhelmshaven u.ä.).

Kosten

Die Kosten für die erste Ausbaustufe werden für Wilhelmshaven mit 1,388 Milliarden angegeben, die für Cuxhaven mit 1,262 Milliarden. Bis zur Inbetriebnahme des Hafens spätestens im Jahr 2010 werden die Kosten allerdings mit drei Milliarden DM veranschlagt. Billig wird die Mega-Anlage für Niedersachsen nicht: Bis zur Endstufe des Baus – das ist etwa 2050 – rechnet Fiedler (vom Berger-Team) mit Kosten von 2,2 Milliarden Mark. Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur (Schiene und Autobahn) verschlinge noch mal die gleiche Summe.

Wer soll das bezahlen?

Roland Berger empfiehlt, angesichts des hohen Investitionsvolumens für einen neuen Hafen ein geeignetes Verfahren zur Gewinnung privater Partner für den Standort Wilhelmshaven auszuwählen und die Planung für Wilhelmshaven dahingehend voranzutreiben. Eine rein öffentliche Finanzierung hält Roland Berger angesichts der hohen wirtschaftlichen Risiken für die öffentliche Hand nicht für vertretbar. Gabriel äußerte die Erwartung, dass sich die Privatwirtschaft mit mindestens 50 Prozent beteiligt, „das ist jetzt der Praxistest für unsere Entscheidung“. In diesem Punkt unterstützen ihn auch die Gutachter, denn mit größeren Schiffen sinken auch die Kosten investitionswilliger Reeder um bis zu 20 Dollar (~50 DM) pro Container. Da gibt es auch noch jemanden, der mehr bietet: Die Kostenvorteile für ein Schiff mit 12 000 Containern, die für Transporte zwischen Asien und Nordeuropa eingesetzt werden, liegen gegenüber den derzeit eingesetzten 6.000-Container-Schiffen bei 150 DM (~60 Dollar) je Container.
Man solle – eine einstimmige politische Entscheidung für Wilhelmshaven vorausgesetzt – Investoren suchen. Wenn das nicht gelänge, so die Option der Gutachter, dann könne man immer noch Cuxhaven kurzfristig realisieren.. Bereits während der Raum- ordnungs- und Planfeststellungsverfahren sollen private Investoren für die Infrastruktur gewonnen werden.

Schiffsgrößen

Der Tiefwasserhafen ist nötig, weil nach Prognosen die Containerfrachter größer werden: In den Konstruktionsbüros der Werften entstehen bereits Schiffe mit einer Kapazität von bis zu 12 000 Standardcontainern (TEU), heutige fassen bis zu 7000 TEU. Diese Riesen werden 54 Meter breit sein und einen Tiefgang bis zu 15,60 Meter haben.
„Wir haben uns intensiv in den asiatischen Häfen umgesehen und mussten feststellen, dass Singapur, Hongkong und andere Hafenstädte bereits Maß- nahmen getroffen haben, um Schiffe mit 12 000 TEU und 15,50 Meter Tiefgang und mehr abzufertigen“, betonte Planco-Gutachter Georg-Dietrich Jansen.
Nach Experten-Studien sind Container-Riesen mit 10000 bis 12000 TEU technisch machbar. Der niederländische Schiffbauexperte Niko Wijnolst (Uni Delft) hält sogar Container-Jumbos mit 18000 TEU und 21 Metern Tiefgang für möglich.
Der neue Tiefwasserhafen benötige eine stabile Wassertiefe von 16,50 Metern, um die Anlandung großer Schiffe zu ermöglichen. Derzeit könnten deutsche Häfen von Schiffen mit 12 000 Containern nur angelaufen werden, wenn die Kapazitätsauslastung bei maximal 70 Prozent liege.
Danach ist damit zu rechnen, dass in rund zehn Jahren Schiffe mit einer Transportfähigkeit von 12.000 Standardcontainern, einer Länge von 400 Metern und einem Tiefgang von 15,50 Metern auf den Weltmeeren kreuzen.

Bedarf

Roland Berger geht davon aus, dass angesichts der hohen Investitionskosten aus Sicht der öffentlichen Hand nur für einen weiteren großen Hafen in der Deutschen Bucht (Tiefwasserhafen) in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts Realisierungschancen bestehen.
Von den künftigen Kunden des Terminals, den Linienreedereien, ist bisher kein ausdrücklicher Bedarf signalisiert worden. Zwei der vier noch in Deutschland ansässigen großen Linienreedereien, Hamburg-Süd und Deutsche Afrika-Linien, schlossen aus, dass sie in absehbarer Zeit Schiffe mit Ladung über 8000 Standardcontainer (TEU) in Dienst stellen würden. Ähnliches gilt für die Hapag-Lloyd AG in Hamburg. Bei der Senator Line in Bremen hat man noch nicht den geplanten Tiefwasserhafen diskutiert und auch keine Pläne für Frachter, die Hamburg und Bremerhaven nicht mehr anlaufen könnten.
Nikolaus W. Schües, Präses der Handelskammer Hamburg: „Die komplexe Thematik erfordert eine sorgfältige Analyse des Gutachtens, an die wir nun gehen werden. Dabei wollen wir die Politik davor schützen, an den Märkten vorbei zu planen und im schifffahrtsmäßigen Niemandsland ein Milliardengrab zu schaufeln.“

Arbeitsplätze

Bei beiden Häfen ergeben sich allerdings durch den hohen Transshipment-Anteil geringere sekundäre Beschäftigungseffekte als bei Häfen in Ballungszentren und an Verkehrsknotenpunkten.
Etwas aus der Rolle fällt hier die Wilhelmshavener Zeitung, die mehr weiß als die anderen. Während das obige Zitat aus einer Mitteilung der niedersächsischen Staatskanzlei von „geringen sekundären Beschäftigungseffekten“ ausgeht, berichtet die WZ: „Berger prognostiziert in diesem Fall 4200 neue Arbeitsplätze, darüber hinaus sind Sekundärbeschäftigungseffekte mit einem Faktor 2 bis 4 möglich.“ Im Klartext heißt das, dass im Berger-Gutachten ausgesagt wird, dass hier durch den Hafen im Endausbau 8.400 bis 16.800 neue Arbeitsplätze entstehen. Alles klar?

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