Irak 4
Apr 032003
 

Kommentar:

Staatstragender Protest
Das ist schon merkwürdig: 400 Menschen finden sich, teils durch mündliche Absprachen, teils spontan, zu einer Kundgebung zusammen. Sie ist ebenso wenig angemeldet und genehmigt wie der nachfolgende Demonstrationszug. Der bewegt sich über befahrene Straßen, doch kein Polizist schreitet ein, um die Teilnehmer auf den Bürgersteig zu nötigen oder das Ganze aufzulösen. Die Beamten regeln in stillem Einvernehmen den Verkehr. Auch während der Kundgebung stehen nur kurzfristig einige Uniformierte und Mitarbeiter des Staatsschutzes am Rande.Sie müssen es gewusst haben, unsere Ordnungshüter. Auf der ganzen Welt haben sich an diesem Tag, diesem Abend Millionen von Menschen zusammengefunden, um ihrer Ablehnung gegen den Kriegstreiber Bush Ausdruck zu verleihen. Und die Polizei schaut zu und ist ganz Freund und Helfer. Nicht überall. In den USA, der selbst ernannten Wiege von „Freiheit“ und „Demokratie“, erwarten friedliche Demonstranten staatliche Repressalien.
Aber in Wilhelmshaven und vermutlich auch vielen anderen deutschen Städten lässt die Polizei die Menschen gewähren. Das macht misstrauisch. Da ist man auf Dutzenden von angemeldeten Demos gewesen, gegen Atomkraftwerke, gegen Rüstung, für Arbeitnehmerrechte, für den Frieden. Ist weggedrängt, eingekesselt, an den Haaren weggeschleift, aus Hubschraubern und mit Wasserwerfern angegriffen worden. Und nun das. Wir dürfen endlich mal das tun, was uns das Grundgesetz zubilligt. Aus der Gewohnheit schwer zu verkraften. Andersrum: Warum kann es nicht immer so sein? Warum können wir zunehmend unsere Meinung nur noch bei Wahlen kund tun, ohne dass die Staatsgewalt auf uns los geht?
Ehe wir anfangen, von einer besseren Welt mehr als zu träumen, müssen wir uns bewusst machen: Im Moment vertreten wir auf der Straße außer unserer Meinung auch die unseres Staatsoberhauptes Gerhard Schröder und seiner Gefolgsleute. Die Beweggründe mögen verschieden sein, gemeinsam ist uns die Ablehnung des US-Feldzuges gegen den Irak. Unsere Demonstrationen sind also, wenn auch ungewollt, staatstragend.
In unsere Überraschung könnte sich etwas Freude mischen, wüssten wir nicht, dass die Repressalien diesmal von nicht uniformierter Seite kamen, sondern von Lehrkräften, die aus Angst um die Karriere oder zumindest in vorauseilendem, nicht reflektiertem Gehorsam ihre Schüler/innen daran hindern wollen, ihre Meinung, ihre Gefühle, ihre Ängste kundzutun. Formalismus und Kuschverhalten ersetzen den besten Knüppel. Die Freiheit bleibt auf der Strecke.

Imke Zwoch

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