Hartz-Papier
Mrz 052003
 

Abrechnung mit Hartz

Manfred Klöpper zeigte sich kämpferisch auf der Februar-Versammlung der ALI

(noa) Eigentlich sollte Ralf Pollmann (Geschäftsführer von ver.di Ostfriesland-Wilhelmshaven) zum Thema „Umgestaltung des Arbeitsamtes in Job-Center – Was wird aus den Tarifverträgen mit der PSA?“ sprechen, als sich am Dienstag, 11. Februar, die Arbeitsloseninitiative Wilhelmshaven/Friesland zu ihrer Monatsversammlung traf.

Pollmann war verhindert. So kamen die zahlreichen BesucherInnen (der Wilhelm-Krökel-Saal im Gewerkschaftshaus war bis auf den letzten Platz besetzt) wieder einmal in den Genuss, Manfred Klöpper zu erleben. In kämpferischem Ton, wie wir ihn von ihm kennen, knöpfte er sich nicht nur das Thema Personal-Service-Agenturen (PSA), sondern auch die anderen Bestandteile der Konzeption „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ vor, wie das 343 Seiten dicke Produkt der Hartz-Kommission heißt.
Bevor Klöpper die einzelnen Neuerungen aus dem Hartz-Papier erläuterte, stellte er einleitend fest, dass es wieder einmal die ArbeitnehmerInnen und die Arbeitslosen sein werden, die draufzahlen: Die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit sollen gesenkt werden; der Vorstoß von Sigmar Gabriel, die Vermögenssteuer wieder einzuführen und damit also von den Reichen zu nehmen, blieb erfolglos; die Riester-Rente bedeutet, dass nur die Arbeitnehmer in die Rentenkasse einzahlen; und bei der Gesundheits„reform“ soll es auch darauf hinauslaufen, dass die Versicherten mehr selber zahlen sollen.
Die Bundesregierung hat im vergangenen Jahr die Hartz-Kommission eingerichtet, weil die Vermittlungszahlen der Bundesanstalt für Arbeit nicht stimmten. Nur – was wäre anders gekommen, wenn die Zahlen der Arbeitsämter nicht geschönt gewesen wären? Dass es schwer ist, Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln, ist bekannt. Die Neuerungen aus dem Hartz-Konzept ändern an dieser Tatsache nichts und schaffen keine Arbeitsplätze.

Personal-Service-Agenturen…

Sie sollen schwer Vermittelbare über Verleih in Arbeit bringen. Im Arbeitsamtsbezirk Oldenburg, wo Klöpper Einblick hat, sollen 250 dieser Arbeitslosen – Schwerbehinderte, Langzeitarbeitslose, Ungelernte, ältere Arbeitslose – in insgesamt fünf PSA (zwei in Oldenburg und je eine in Delmenhorst, Wesermarsch und Bad Zwischenahn) „beschäftigt“ werden. Die PSA sollen nicht vom Arbeitsamt selber, sondern von schon bestehenden Verleihfirmen betrieben werden. Nur wenn das nicht zustande kommt, sollen Arbeitsämter in Zusammenarbeit mit Kommunen sie betreiben. Die PSA bzw. Verleihfirma bekommt 1000 Euro pro „Fall“ vom Arbeitsamt und die Verleihgebühr von Firmen, denen sie Arbeitskräfte überlässt. Wie viel die bei der PSA angestellten Arbeitskräfte bekommen, wird sich zeigen. Das Konzept sieht „equal pay“ vor, doch gewerkschaftliche Vorstöße, dann doch bitte Tarifverträge abzuschließen, wurden abgelehnt mit der Begründung, er müsse eine Einarbeitungszeit vorgeschaltet werden.

…„Sklavenhaltung“?

Die DGB-Gewerkschaften sind alles andere als glücklich über dieses Konzept, aber da es nun einmal Gesetz ist, müssen und wollen sie sich darum kümmern, und sie hoffen, dass DGB-Mitglieder in PSA gehen und Betriebsräte gründen. Immerhin bieten PSA für ein Jahr oder vielleicht auch nur für neun Monate einen sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplatz – wenn Klöpper sie auch als „Sklavenhaltung“ bezeichnet.
Eine große Rolle werden die Personal-Service-Agenturen aber nicht spielen, da bundesweit nur für 40000 Beschäftigte (das entspricht ca. 1 % der Arbeitslosen) PSA vorgesehen sind. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern wird es in Deutschland auch mit den PSA wenig „Sklaven“ geben: Gegenwärtig sind hier 0,7 % der Beschäftigten bei Verleihfirmen gegenüber bis zu 4 % in anderen Ländern.
Der DGB, so Klöpper, hat ein großes Interesse an Tarifverträgen in diesem Bereich, um die in Personal-Service-Agenturen und andern Verleihfirmen Beschäftigten zu sichern und zu schützen.

Ich-AG

Auch die Ich-AG ist ein Modell aus dem Hartz-Papier. Sie soll einen Weg aus der Schwarzarbeit darstellen. Arbeitslose, die gelegentlich in ihrem erlernten Beruf tätig werden, z.B. gegen Geld eine Wohnungsrenovierung durchführen, Leuten zu Hause die Haare schneiden und legen oder Umzüge organisieren, ohne dafür Steuern zu zahlen und womöglich sogar Arbeitslosengeld oder sonstige Leistungen in Anspruch nehmen, machen sich strafbar. Wenn sie mit dieser Tätigkeit aber eine Ich-AG anmelden, sind sie damit aus der Schwarzarbeit raus.
Manfred Klöpper lehnt dieses Modell ohne Einschränkung ab. Seiner Meinung nach wird es genau den gegenteiligen Effekt haben, da es eine Einkommensgrenze gibt: 25000 Euro darf eine Ich-AG jährlich nur verdienen, und durch diese Einschränkung führe die Ich-AG direkt in die Schwarzarbeit.

Mini-Jobs

400 Euro werden nicht angerechnet auf andere Arbeitsverhältnisse, dürfen also nebenher verdient werden. Dieses neue Modell betrifft sehr viel mehr Leute als die PSA, und zwar vor allem Frauen. Laut Klöpper stellt diese Variante des „geringfügigen Arbeitsverhältnisses“ einen großen Einbruch in das Sozialgefüge dar, da durch sie den Krankenkassen und den Rentenkassen Geld entzogen wird.
Außerdem ist die 15-Stunden-Begrenzung aufgehoben worden.

Qualifizierung

Auch die Hartz-Ideen zur Qualifizierung lehnt der DGB ab. Die Neuerung hier besteht zum einen im „Bildungsgutschein“: Statt vom Arbeitsamt in eine Qualifizierungsmaßnahme geschickt zu werden, bekommt der/die Arbeitslose einen Bildungsgutschein, den er/sie einlösen kann, wo er will. Dies wird die Konkurrenz unter den Bildungsträgern anheizen. Klöpper befürchtet, dass kleine Institute vom Markt verschwinden werden. Die Arbeitsämter werden mehr als bisher auf die Effizienz von Bildungsmaßnahmen achten. Nur wenn 70 % der Teilnehmer einer Maßnahme anschließend in ein Arbeitsverhältnis vermittelt werden, wird sie neu aufgelegt. Durch diese enge Festlegung wird es künftig hauptsächlich um Anpassungsqualifikation gehen, und Umschulungen werden weniger werden.
Klöpper traf die Stimmung der Anwesenden mit seiner Einschätzung der PSA und der „Arbeitnehmerüberlassung“ als „Sklavenhaltung“ offenbar recht gut. Es gab viele zustimmende Redebeiträge. Doch auch eine ganz andere Stimme erhob sich. Eine Kollegin mochte die „Hetzparolen“ nicht mehr hören. Sie kenne Statistiken seriöser Verleihfirmen, nach denen über die Hälfte der dort Beschäftigten durch den Verleih einen festen Arbeitsplatz finden. Die Arbeitsloseninitiative hielt dieser Kollegin entgegen, dass sie ungünstigere Zahlen kenne, und dabei blieb es dann…
Wind von vorn bekam Manfred Klöpper stellvertretend für den DGB auch aus einer ganz anderen Richtung. Ein Zuhörer fragte ihn, wann der DGB sich endlich von den Sozialdemokraten trennen werde – „euch werden die Leute weglaufen wie der SPD!“
Das ist ein Problem für den DGB: An der „Kungelrunde im Bundeskanzleramt“ (so nannte Klöpper das Bündnis für Arbeit) teilzunehmen und sich gegen Hartz stellen!

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