Gegenwind-Gespräch: Ender und Homann
Dez 032004
 

Heckenschützen und Schleimspuren

Heftige Kritik zweier Ex-Christdemokraten an der CDU

(ub/noa) Axel Homann und Joachim Ender sind aus der CDU ausgetreten. Vorausgegangen war dem Austritt ein vom Kreisverband angestrengtes Parteiausschlussverfahren u.a. wegen „parteischädigenden Verhaltens“. Diesen Vorwurf wiesen Parteigerichte in zwei Instanzen zurück. Trotzdem wollen die beiden nicht mehr. Der Gegenwind sprach mit ihnen über ihre Gründe und ihre weiteren Pläne.

Gegenwind: Sie haben jetzt Ihr Recht bekommen und könnten in der CDU bleiben. Also: Sie dürfen – und wollen nicht mehr. Warum?
Ender: Weil wir keine Chance gesehen haben, in die Fraktion zurückzukehren. Als wir unseren Austritt aus der Fraktion vollzogen haben, waren wir uns beide darüber klar, dass wir nicht zurückkehren werden. Dafür sind wir von einigen Leuten zu sehr enttäuscht worden. Wir haben das durchgezogen, damit wir unser Recht bekommen. Das haben wir bekommen. Wenn wir vorher das Handtuch geworfen hätten, hätte ich – und andere auch – das Gefühl gehabt, dass die Gegenseite Recht gehabt hätte.
Homann: Das Tuch ist einfach zerschnitten. Die Art und Weise, wie man mit uns beiden umgegangen ist, wie wir damals 2003 die Einladung zur außerordentlichen Fraktionssitzung bekommen haben, uns überhaupt gar keine Möglichkeit gegeben wurde, uns mit den Leuten, die das angeschoben haben, auseinanderzusetzen…
Ender: …nicht mal eine Begründung haben wir bekommen. Nur am Donnerstag eine Einladung zur Fraktionssitzung am darauf folgenden Montag mit dem Antrag: Abwahl von mir als stellverstretender Fraktionsvorsitzender und von Axel Homann als Beisitzer. Dr. Biester wollte uns in der Fraktion mundtot machen.

Heckenschützen

Wann immer wir bisher mit CDUlern geredet haben, ging es um zwischenmenschliche Probleme. Aus der WZ hatten wir den Eindruck, bei Ihnen gehe vorrangig um politische Differenzen. Aber jetzt klingt es, als seien die zwischenmenschlichen Dinge auch sehr wichtig.
Ender: Ja, die spielen eine große Rolle. – Als ich damals den Kreisverband übernommen habe, hat Biester mir alle möglichen Knüppel zwischen die Beine geworfen und mich auch persönlich hintergangen. Wir haben z.B. einmal ein persönliches Gespräch geführt, und er legte das schriftlich nieder und gab das am Sonntag danach in einer Veranstaltung bekannt. Das hat mich damals schwer getroffen. Mit mir kann man über alles reden, aber Heckenschützen habe ich noch nie gemocht.
Homann: Meine Heimat ist ja nach wie vor die CDU. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was auf Landes- und Bundesebene passiert. Damit muss man sich kritisch auseinandersetzen. Aber die Richtung – meine politische Heimat wird die CDU bleiben.

Die soziale Komponente wird platt gemacht

Werden Sie die CDU wählen – z.B. bei der nächsten Bundestagswahl?
Ender: Nein. Was auf dem Parteitag jetzt im Dezember als Programm vorgestellt werden wird, strahlt eine derartige soziale Kälte aus. Gerade im sozialen Bereich – das hätte ich nie mitgetragen.

Sie meinen, dass die CDU noch Schlimmeres als die Agenda 2010 will?
Ender: Was die CDU vorhat, dagegen ist Rot/Grün sozial! Leider wird vieles übernommen, was Friedrich Merz vorgestellt hat, der ja der Urheber von vielem ist, was im sozialen Bereich passieren soll. Und das trifft ja überwiegend den Arbeitnehmer. Dem geht es dann noch mehr an den Geldbeutel, als es heute schon passiert. Im neuen Programm der CDU wird der Abstand zwischen Arm und Reich immer größer.
Die Sozialversicherung ist einmal als Solidargemeinschaft gegründet worden. Wenn jemand, der 1500 Euro verdient, 109 Euro Krankenversicherung bezahlt, und jemand der 15000 Euro verdient, auch 109 Euro, das ist ungerecht. Ich bin wohl dafür, dass auch Selbständige in die gesetzliche Krankenkasse sollen. Aber dann auch einkommensbezogen! Alles andere ist Schwachsinn. Wie das finanziert werden soll, die Beiträge für die Kinder… Dafür müssen sie erst mal eine Steuer finden. Die Ökosteuer ist mal für die Rentenkasse gedacht gewesen, und heute wird sie für alle möglichen Sachen verplempert.

Da geht es an die Steuern.

Homann: Das gesamte Gesundheits- und Rentenkonzept passt nicht. Die soziale Komponente in der CDU wird regelrecht platt gemacht.

Freiheit, die ich meine…

Wir haben neulich in der Redaktion darüber nachgedacht, warum Sie beide nicht in die WASG gehen – die Kritik ist ja sehr ähnlich.
Ender: Wir machen uns über unsere Zukunft erst Anfang nächsten Jahres Gedanken. Wir beide haben Angebote von allen Parteien bekommen. Aber eine Partei kommt für mich nicht mehr in Frage. Ich habe es ja nun jahrelang erlebt, wie man meinungsmäßig an einer Leine geführt wird. In den anderthalb Jahren, in denen wir eine eigene Fraktion gebildet haben, habe ich zum ersten Mal das Gefühl, man kann seinen gesunden Menschenverstand walten lassen. Wenn in einer Fraktion 9:8 abgestimmt wird, und Sie müssen den Beschluss vertreten, obwohl Sie dagegen gestimmt haben…
Homann: …wenn man ganz genau weiß, das geht in die verkehrte Richtung – das ist nicht unser Ding. Jetzt sind wir beide in unseren Entscheidungen viel freier. Das macht einfach mehr Spaß. Wir werden im kommunalen Bereich tätig bleiben.

Das bedeutet ja auch, dass Sie mit einem Konzept an die Öffentlichkeit treten müssen, einen Wahlkampf führen müssen – gegen eine relativ starke Konkurrenz der kleinen Parteien. Haben Sie sich darüber schon Gedanken gemacht?
Ender: Wir werden den Dezember erst mal ins Land gehen lassen. Da kann man ohnehin nicht viel machen, da haben die Leute anderes im Sinn als Politik. Wir werden Anfang bis Mitte Januar entscheiden, wie wir weiter verfahren.

Kommunalwahl ist 2006, da haben Sie ein Jahr Zeit. Aber da müssten Sie ja schon ein paar mehr sein. Zu zweit, das ist ein bisschen wenig.
Ender: Dann wollen wir alle sechs Wahlbereiche in Wilhelmshaven abdecken.

Gibt es in der CDU noch andere Unzufriedene, die sich Ihnen anschließen werden?
Ender: Wir haben von mehreren gehört: Wenn ihr eine eigene Liste macht – unsere Stimme kriegt ihr.

Die Schleimspur kann nicht dicker werden

Homann: Um das noch einmal deutlich zu machen: Unser Austritt richtet sich ja nicht direkt gegen die Partei, nicht gegen die Richtlinien. Es ist ja nur eine Handvoll Leute. Wir hatten einen Kreisvorsitzenden Biester. Er ist angetreten, um den Graben zu schließen, um die zwei Lager, die ja vorher da waren, zusammenzuführen. Das hat er nicht geschafft. Da war eine Handvoll Leute, die damals die Liste unterschrieben haben, um den Kreisvorstand abzuwählen. Die Querelen sind ja nur durch Dr. Biester entstanden, durch die Nichtzahlung seiner Mandatsgelder, die vorher vereinbart war, und in vielen anderen Fragen, wo er glaubte, keine Mehrheit zu haben, wo er den ganzen Kreisvorstand düpiert hat. Da ist keiner aufgestanden aus dem Kreisvorstand. Und dann sind die ganzen Querelen eskaliert. Als du, Achim, dann zurückgetreten bist. Und aus Solidarität sind wir anderen dann mit zurückgetreten. Und dieser handverlesene Vorstand, das sind genau die Leute, die vorher gegen Biester votiert haben. Die sitzen genau da wieder drin. Die Schleimspur kann nicht dicker werden! Die haben heute das Sagen in der CDU. In den Ortsverbänden findet heute kaum noch eine Veranstaltung statt.
Ender: Die einzige aktive Seite in der CDU ist die Frauenunion, und da hat die Familie Biester das Sagen.

Und nun?

Zurück zu der Frage nach der eigenen Liste, einer Wählergemeinschaft. Ist damit zu rechnen, dass sich Ihnen weitere Parteifreunde aus der CDU anschließen werden aus Unzufriedenheit mit der CDU-Bundespolitik?
Ender: Die Leute sind ja nicht doof. Die kommen auch aus dem Arbeitnehmerlager, viele sind Rentner, sie sehen tagtäglich, wie es ihnen an den Geldbeutel geht, jetzt schon und hinterher genauso.

Wie war Ihre Situation in den anderthalb Jahren nach dem Austritt aus der Fraktion? Wie ist Ihre Beziehung zur Fraktion gewesen?
Ender: Zu Teilen der Fraktion wie vorher auch. Wir haben uns verstanden wie immer. Probleme gibt es mit einigen aus der jetzigen Fraktionsspitze, die Angst hatten, dass wir wieder zurückkommen und sie Posten abgeben müssten.

CDU – Politik nach Gutsherrenart

Homann: Es gab ja nie ein Programm oder eine Linie, das war alles Biester.
Ender: Ein ehemaliges Fraktionsmitglied sagt: Ich bin mit meiner Meinung in die Fraktionssitzung gegangen und mit Biesters Meinung wieder rausgekommen. Es gibt keinen roten Faden, sondern es ist Politik nach Gutsherrenart. Das erlebt man immer wieder: Da wird eine Sache vertreten, im Rat oder in Ausschüssen, und dann gibt es Druck von außen und alles wird zurückgefahren. Z.B. die Nordseesporthalle. Die CDU hat sie angeschoben, es gab eine Sondersitzung des Sportausschusses, und im Rat hat sie nicht mehr zugestimmt, weil sie dem Druck der Bevölkerung nachgegeben hat, die zu Recht gesagt hat, da verbratet ihr eine Million, während die Schulgebäude vergammeln.

Welche weiteren Unterschiede gibt es zwischen Ihnen und der Wilhelmshavener CDU?
Homann: Vor allem im Sozialbereich. Wir haben einen Antrag gestellt, dass das FZN eigene Räume bekommt. Im Jugendhilfeausschuss wurde das vorher ein halbes Jahr lang jeden Monat behandelt, ohne dass die Verwaltung einen Auftrag bekam. Damit endlich etwas in Gang kam, stellten wir den Antrag, so dass die Verwaltung einen offiziellen Auftrag hatte, und dann musste etwas passieren. Der Antrag ging mit breiter Mehrheit durch. Da wurde uns Populismus vorgeworfen. Kurze Zeit später machte die CDU mit einem einen Artikel in der WZ Druck, damit das FZN endlich aus der Schule Nogatstraße rauskam.

Wie sehen Sie die Landespolitik?
Homann: Es war eine zentrale Aussage der Landes-CDU, nicht ans Blindengeld zu gehen. Und jetzt streichen sie es.
Ender: Und wenn das Blindengeld dann über die Sozialhilfe läuft, trifft es die Kommunen. Das Land wälzt immer mehr auf die Kommunen ab, ohne den entsprechenden Ausgleich zu zahlen. So ist es auch bei den Kindergärten und bei der Schülerbeförderung, wo das Land ein Pauschalpaket geschnürt hat. Früher bekamen die Kommunen ja die Kosten für die Schülerbeförderung und den Lohnkostenzuschuss für die Kindergärten erstattet; heute ist das in einer Pauschale, mit der Kommunen klarkommen müssen. – Ich halte auch die Auflösung der Bezirksregierungen für einen ganz großen Fehler. Dass man in den Bezirksregierungen durch Umschichtungen doppelte Arbeit und damit Geld hätte einsparen können, ist klar. Aber was da jetzt geschaffen wurde, ist nicht Fisch und nicht Fleisch. Das ist gar nichts. Es zentralisiert sich jetzt alles zu stark in Hannover. Für uns hier war die Bezirksregierung in Oldenburg ein guter Ansprechpartner, egal wer dort als Regierungspräsident gesessen hat, das hat immer gut funktioniert. Jetzt ist dort nur noch diese Art Agentur, und alles andere spielt sich in Hannover ab. Unser Raum hier wird immer mehr abgekoppelt.

Und immer wieder Biester

Homann: Wir haben eben einfach einen zu schwachen Landtagsabgeordneten…
Ender: …z.B. der Bereich Soziale Stadt. Wenn ich da höre: Ja, Dr. Biester hat auch schon einen Brief geschrieben… Von einem Landtagsabgeordneten erwarte ich nicht, dass er Briefe schreibt, von dem erwarte ich, dass er hinfährt! Er hätte in Hannover im Sozialministerium auf dem Teppich stehen müssen. Aber das kann man nur machen, wenn man sich vorher Beziehungen geschaffen hat. Da muss man nicht zur Ministerin, sondern man muss Leute aus der Ministerialbürokratie kennen. Gerade im Sozialministerium kenne ich einige Leute, von denen ich höre, dass Biester da nie war. Da muss ich ehrlich sagen, Wilfrid Adam konnte das.

Der hatte ja auch viele Jahre Zeit, sich diese Beziehungen zu schaffen, und Biester ist da relativ neu.
Ender: Er ist jetzt in der zweiten Legislaturperiode im Landtag! Wie lange will er denn drin bleiben, um sich Beziehungen zu schaffen?! Ich kenne ihn ja. Biester kann nicht mit Menschen umgehen und nicht auf Menschen zugehen. Deshalb wird er auch nie die wichtigen Kontakte bekommen.

Dass Wilhelmshaven vom Programm Soziale Stadt jetzt abgekoppelt ist, liegt also an mangelnder Intervention von Dr. Biester?
Homann: Er hätte mehr tun müssen.
Ender: Bei den Haushaltseinsparungen, die Hannover macht, glaube ich nicht, dass wir nächstes Jahr die Millionen nachbekommen werden, auch wenn die Stadt jetzt in Vorleistung tritt.

Politik zum Anfassen

Homann: Es gibt so viele Unzufriedene. Da könnte eine Wählergemeinschaft entstehen. Man könnte Politik zum Anfassen machen, mit den Leuten reden, ohne Kungelei.
Ender: Dass man sich mit mehreren zu einer Fraktion zusammentun muss – das ist nötig, um eine gewisse Stärke zu haben. Aber ich würde nie mehr einer Fraktion angehören wollen, in der ich Entscheidungen vertreten muss, die ich nicht mittrage. Auch wenn wir eine Wählergemeinschaft aufmachen, bin ich dafür, eine Fraktion zu bilden, in der jeder nach seinem gesunden Menschenverstand abstimmen kann. Ich lasse mich nicht mehr in einen Zwang einbinden.

Wir danken Ihnen für das Gespräch.

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