Gegenwind-Gespräch: Christa Marxfeld-Paluszak
Nov 212000
 

Finissage

Galeristin Christa Marxfeld-Paluszak gibt nach 22 Jahren auf

(iz) Wilhelmshavener Kunstfreunde traf es wie eine Hiobsbotschaft, als Christa Marxfeld für Ende Oktober 2000 die Schließung der „Galerie M“ bekannt gab. Für uns und andere kam ihre Entscheidung nicht ganz unerwartet – weshalb, möchten wir an Hand eines Gespräches deutlich machen.

Gegenwind: Christa, ausgerechnet direkt nach der EXPO am Meer, die als allgemeiner Aufschwung für die Stadt bejubelt wird, wirfst du das Handtuch?
Christa: Die Entscheidung zu schließen hatte ich eigentlich schon im letzten Jahr gefällt, doch haben mich der Kulturdezernent und der Besitzer des Hauses dahingehend überzeugt, dass ein Teil der Besuchermassen sicherlich auch die Galerie besuchen würde und es kurzsichtig sei, vor einem solchen „Highlight“ die Türen schließen zu wollen.

Hat es sich denn für dich gelohnt?
Ganz im Gegenteil. Die Fetting-Ausstellung war mit etwa 1350 Leuten noch sehr gut besucht, aber seit der Lersch-Kruda-Wölbern-Ausstellung kamen maximal 5, 6 Besucher pro Tag. Trotzdem hatte ich konsequent jeden Tag geöffnet.

Wenn du von offizieller Seite zum Weitermachen überredet wurdest, hast du aber doch von dort sicher Unterstützung erhalten?
Eher nicht. Anfangs wurde die Galerie im EXPO-Programm einfach vergessen. Das Versprechen, ein „Mit-Hinweis-Schild“ für die Galerie aufzustellen, wurde nicht eingehalten, es wurde nicht einmal eine „Blechperson“ am Eingang installiert. Statt dessen hatte man sehr „sensibel“ kurz nach Beginn der EXPO eine Bühne vier Meter von unserem Wohnzimmer entfernt aufgebaut, die das Werbetransparent verdeckte, das ich selbst für 400.- DM anfertigen lassen hatte.
Einige Künstler wollten rund um die Galerie einen Skulpturengarten gestalten, der die Besucher erfreut und auf die Galerie aufmerksam gemacht hätte. Trotz Zusage der Künstler, Kosten und Risiken selbst zu übernehmen, wurde das nicht genehmigt. Zur „Sail and Steam“ hatte ich noch mal flächig plakatiert, ohne Resonanz.

Willst du mit der Schließung nun ein „Zeichen setzen“, das auch Trotz und Frust offenbart?
Überhaupt nicht. Es war ja eine lange Entwicklung, zu erkennen, dass die Förderung zeitgenössischer Kunst in Wilhelmshaven nicht angesagt ist, und nach der langen Zeit habe ich einfach keine Kraft mehr. Ehrlich gesagt bin ich auch froh, dass ich keine Einladungen mehr schreiben, kein Geld mehr erbetteln und um das Aufhängen von Plakaten bitten muss.
Was hier „angesagt“ ist, wurde ja spätestens deutlich, als die wirklich pfiffige Ausstellung von Lersch, Kruda, Wölbern, die sich konstruktiv-kritisch mit Wilhelmshaven und der EXPO beschäftigte, von offizieller Seite deutlich ignoriert wurde.

Wer dich kennt, kann sich aber kaum vorstellen, dass du jetzt einfach die Hände in den Schoß legst.
Das sicher nicht. Der Förderverein für Regionale Kunst wird weiter bestehen, wir werden Ausstellungen an anderen Orten organisieren. Außerdem habe ich schon neue, ganz andere Ideen (die wir hier nicht verraten).

Und was wird jetzt aus der Ausstellungshalle?
Mein Nachmieter ist ein Sitzmöbel-Designer, der seine Stücke hier präsentieren wird. Wir sind übereingekommen, dass ich für ihn die passende Kunst an den Wänden organisiere. Nur wird die eher dem breiten Publikum angepasst sein als experimentell. Vor allem habe ich ihm gesagt: Ich selbst möchte nie wieder eine Einladung schreiben…

Die „Perspektive“ hat sich ja schon seit längerem aus dem regelmäßigen Ausstellungsbetrieb zurückgezogen. Wie geht es anderen Galerien?
Wenn man sich bundesweit in der Kunstszene bzw. –zeitschriften umschaut, müssen auch in Großstädten viele renommierte Galerien dichtmachen. Hier, regional, dort, wo inklusive Wohnung geringe Mieten bezahlt wer- den, kann man den Betrieb ohne Risiko weiterlaufen lassen.

Hast du jemals städtische Fördermittel erhalten?
Auf einer der letzten Ausstellungseröffnungen meinte Bürgermeister Focke Hofmann, ich müsse doch mal einen Scheck von der Stadt erhalten, und ob 10.000 DM jährlich ausreichen würden. Bei Fixkosten von monatlich 2.800 DM reicht es natürlich nicht, und wie es heißt, hat die Stadt selbst kein Geld. In all den Jahren hat die Stadt bei mir zwei Bilder für zusammen 430 DM gekauft.

Wie konntest du die Galerie dann überhaupt so lange halten?
Früher konnte ich die Unkosten aus meinem Modegeschäft gegenfinanzieren, viele Jahre wurde aus dem Familieneinkommen „gesponsert“, was seit langer Zeit nicht mehr möglich ist.

A propos „früher“: Siehst du auch bestimmte Trends, durch die ein Engagement, wie du es lange durchgehalten hast, „außer Mode kommt“? Wenn man sich so auf EXPO umschaut…
Tja, angefangen habe ich damals, inspiriert durch meinen Sohn und seine Freunde, mit der Anmietung einer preisgünstigen großen Fläche über meinem Geschäft, die sofort und ständig von jungen Künstlern in Beschlag genommen wurde und von selbst lief. Heute muss es eben immer was „Eventähnliches“ sein oder dem allgemeinen Trend und Geschmack entsprechen…

…und nun stirbt mit der Galerie M wieder ein Bollwerk gegen die „event“-orientierte“ Zeitströmung, was wir sehr schade finden. Deinen Entschluss können wir aber nachvollziehen und wünschen dir für dein neues Leben alles Gute. n die „event“-orientierte“ Zeitströmung, was wir sehr schade finden. Deinen Entschluss können wir aber nachvollziehen und wünschen dir für dein neues Leben alles Gute. n die „event“-orientierte“ Zeitströmung, was wir sehr schade finden. Deinen Entschluss können wir aber nachvollziehen und wünschen dir für dein neues Leben alles Gute. 


Kein Freund und Helfer

Zu der definitiv letzten Ausstellung in der Galerie M mit einem polnischen und drei russischen Künstlern kamen eines Tages zwei Männer, die sich zunächst über 2 DM Eintritt beschwerten, da sie doch ein Expo-Ticket hätten. Die Galeristin erließ ihnen den Eintritt, auch wenn sie an den Einnahmen aus den Expo-Tickets nicht beteiligt ist. Nach einem kurzen Rundblick mokierten sich die beiden Gäste über „den Scheiß“ (die Ausstellung) in dem Sinne „vor 60 Jahren war die Welt noch in Ordnung und auch die Kunst“. Ihre faschistoiden Bemerkungen krönten sie mit einem Spruch wie „vorne Polen – hinten Russen – alles klar.“ Christa Marxfeld bekam es mit der Angst zu tun um ihre Schützlinge, denn neben den russischen Künstlern im Hause der Galerie waren die Betreuer des polnischen EXPO-Pavillons im vorderen Gebäude an der Weserstraße untergebracht. Sicherheitshalber wollte sie die Polizei informieren, wohl wissend, dass diese ohne konkrete Vorfälle nicht einschreiten kann – trotzdem, angesichts zahlreicher Anschläge auf Ausländer auf jeden Fall der richtige Schritt.
Der diensthabende Beamte fragte Frau Marxfeld auf dem Revier jedoch nur, was diese Benachrichtigung solle. Nachdem sie eingesehen hatte, dass von dort kein Interesse zu erwarten war, wollte sie nur noch den Namen des Beamten wissen – was dieser ignorierte, obwohl er dazu verpflichtet ist. (iz)


Kunst ohne Künstlerin

Die jetzt für Ausstellungen umgebaute Jahnhalle hat bekanntlich eine traurige Vergangenheit: In der Reichspogromnacht wurden dort die männlichen Wilhelmshavener Juden für die Deportation zusammengetrieben. Eine kleine Gedenktafel an der Gebäudeecke Neckarstraße war vor der Sanierung entfernt und seitdem nicht wieder angebracht worden. Vergangene Woche verschickte die Stadt eine Einladung zur Einweihung eines Wandreliefs in der Jahnhalle (am 9. November um 18 Uhr), das an eben diese traurige Begebenheit erinnern soll. Genannt waren nur die Sponsoren, aber kein/e Künstler/in.
Die Vorgeschichte: Das Relief stammt von Traud’l Knoess, die sich schon in der Vergangenheit – gemeinsam mit Christa Marxfeld – künstlerisch mit der Geschichte der Halle auseinandergesetzt hat. Ursprünglich hatte sie ein freistehendes Objekt für den Außenbereich konzipiert. Auf Veranlassung von Stadtrat Jens Graul, der Anschläge von Neonazis auf das Kunstwerk fürchtete, arbeitete sie den gedanklichen Ansatz auf ein Wandrelief für den Innenraum um. Mit den Sponsoren (Behnke Immobilien und Raffineriechef Johan van Weelden) war vereinbart, es rechtzeitig zur EXPO zu installieren. Bis heute hat die Stadt nicht erklärt, weshalb sie dies versäumte. Wir können nur vermuten, dass man die fröhlichen Besucher der fröhlichen EXPO am Meer mit diesem dunkelbraunen Kapitel Wilhelmshavener Geschichte nicht belasten wollte.
Ende August erklärte Kulturamtsleiter Harald Witte Frau Knoess auf Anfrage, man müsse die Zustimmung des Kulturausschusses abwarten. Erst Sponsor van Weelden konnte in Erfahrung bringen, dass am 9. November die Einweihung erfolgen soll. Bis zur Wiedereröffnung der Jahnhalle, die nach der EXPO bis zur Klärung der Nachnutzung auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt, wird das Mahnmal dort ein unbeachtetes Dasein fristen. Dass die Urheberin dieses geschichtlichen „Stolpersteins“, Traud’l Knoess, in der oben genannten Einladung unerwähnt bleibt, fügt sich ins peinliche Gesamtbild gut ein. (iz) Kulturausschusses abwarten. Erst Sponsor van Weelden konnte in Erfahrung bringen, dass am 9. November die Einweihung erfolgen soll. Bis zur Wiedereröffnung der Jahnhalle, die nach der EXPO bis zur Klärung der Nachnutzung auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt, wird das Mahnmal dort ein unbeachtetes Dasein fristen. Dass die Urheberin dieses geschichtlichen „Stolpersteins“, Traud’l Knoess, in der oben genannten Einladung unerwähnt bleibt, fügt sich ins peinliche Gesamtbild gut ein. (iz) Kulturausschusses abwarten. Erst Sponsor van Weelden konnte in Erfahrung bringen, dass am 9. November die Einweihung erfolgen soll. Bis zur Wiedereröffnung der Jahnhalle, die nach der EXPO bis zur Klärung der Nachnutzung auf unbestimmte Zeit geschlossen bleibt, wird das Mahnmal dort ein unbeachtetes Dasein fristen. Dass die Urheberin dieses geschichtlichen „Stolpersteins“, Traud’l Knoess, in der oben genannten Einladung unerwähnt bleibt, fügt sich ins peinliche Gesamtbild gut ein. (iz)


Offene Worte

sprach Christa-Marxfeld am 27.10. auf der letzten Finissage vor der endgültigen Schließung der Galerie M. Hatte sie bislang gegen- über Rat und Verwaltung, trotz deren ignoranter Haltung, stets auf Diplomatie gesetzt, so wagte sie an diesem Abend endlich eine klare Abrechnung, indem sie offen „aus dem Nähkästchen plauderte“: So hatte z. B. der in Flensburg lebende Wilhelmshavener Künstler Uwe Appold seiner Heimatstadt seinen gesamten künstlerischen Nachlass vermachen wollen – bis heute hat die Stadt auf das Angebot nicht reagiert. Auch der Stifter der „Welle“ nördlich der Garnisonkirche wartet seit Jahren vergeblich auf ein Dankschreiben. Die zahlreichen Gäste empfanden die Direktheit, mit der die sonst so sanftmütige Galeristin diese und weitere Beispiele städtischen „Engagements“ zum besten gab, als sehr er- frischend – nur Stadtrat Klaus-Dieter Kottek und Baurat Ingo Sommer zogen säuerliche Mienen bzw. sollen Gerüchten zufolge den Saal solange verlassen haben. (iz)

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