Gasimport
Sep 012010
 

Wundertüte mit Risiken und Nebenwirkungen

Am Erdgasimport über die NWO hängt mehr dran als nur der Bau einer Pipeline nach Etzel

(jm) Die RWE Energy AG plant zwischen dem NWO-Terminal auf dem Heppenser Groden und Etzel den Bau einer Hochdruck-Erdgasleitung. Durch dieses Druckrohr soll von Gastankern herantransportiertes Flüssigerdgas (LNG) in regasifiziertem Zustand von Bord aus in das deutsche Ferngasnetz eingespeist werden. Der Durchmesser der Leitung wird nach derzeitiger Planung 80 cm bei einem zulässigen Betriebsdruck von 100 bar betragen.

Die Regierungsvertretung Oldenburg des Nds. Ministeriums für Landesentwicklung (u.v.m.) hat die landesplanerische Feststellung für eine raumverträgliche Trasse getroffen und damit das Raumordnungsverfahren für die Erdgasleitung abgeschlossen. Alternativvorschläge des Landesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz Niedersachsen (LBU) und des BUND LV Niedersachsen, wie z.B. den Umschlagort in den Bereich der landeseigenen Umschlaganlage Voslapper Groden (UVG) aus Gründen des Zivilschutzes und der Sicherheit des Schiffsverkehrs zu verlegen, wurden abgelehnt. Die lapidare Begründung: Auf Grund der geplanten zukünftigen Schiffsanlandungen ab 2010 ist nur am Pier der Nord-West-Ölleitung eine ausreichende Verfügbarkeit für die Anlandung und Gaseinspeisung von Großtankern gegeben. (sh. Gegenwind Nr. 248)

Mit den Schiffsanlandungen ab 2010 wird es ja nu’ nix mehr. Doch wie weit sind die Planungen für den Erdgasimport über die NWO-Umschlagbrücke und die Einspeisung in das Ferngasnetz vorangeschritten? Das möchte der LBU gerne von der NWO, dem Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt Oldenburg (GAA), dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) und dem Vorhabensträger RWE (voRWEggehen) wissen. Die Antworten sind unergiebig bzw. lassen noch auf sich warten…

Immerhin teilte das GAA mit, dass es nach seiner Rechtsauffassung keiner Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) bedürfe. Warum nicht, das wurde nicht erläutert – wär’ aber hilfreich gewesen: Zum einen soll das bei minus 161° C verflüssigte Erdgas an Bord der sog. „Energy Bridge Regasification Vessels“ (EBRV) mit Wasser aus der Jade wieder aufgewärmt werden. Durch die dadurch entzogene Wärmeenergie wird es danach um 7° C heruntergekühlt in die Jade zurückgepumpt. Das wäre ein Eingriff in den Wasserhaushalt, und dafür ist eigentlich der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) als Erlaubnisbehörde zuständig. Die werkelt zur Zeit noch an der wasserrechtlichen Erlaubnis für die beantragte Kühl- und Abwässereinleitung durch das in Bau befindliche Kohlekraftwerk des französischen GDF-SUEZ-Konzerns herum. Eine sinnvolle Präventivaufgabe wäre es für diese Behörde, mal zu untersuchen, wie steil der Temperaturgradient zwischen dem heruntergekühlten Wasser aus dem EBRV und dem erwärmten Wasser aus den Einleitstellen des E.ON- sowie des GDF-SUEZ-Kraftwerks ausfallen würde. Das könnte nämlich für den ökologischen Wasserhaushalt bedeutsam werden.

Auch der Bereich Immissionsschutz – eigentlich Aufgabenfeld des GAA – ist durch die Regasifizierung betroffen:

Bei einer Wassertemperatur unter +14,4° C muss ein Heizkessel zugeschaltet werden, der das Jadewasser weiter aufwärmt. Und bei einer Temperatur unter +7,2° C wird sogar ausschließlich der Heizkessel für die Verdampfung des Flüssiggases eingesetzt, weil dem Wasser aus der Jade dann nicht genug Wärmeenergie entzogen werden kann.

Im Einsatz sind zur Zeit drei EBRVs mit einer Ladekapazität von 138.000 m³ LNG und fünf mit 150.900 m³
(Quelle: http://www.excelerateenergy.com/energybridge.html).
Durch die Regasifizierung dehnt sich das Flüssiggas um das 600fache aus. Es können demnach pro Tanker bis zu 90 Mio. m³ Erdgas in die Druckrohrleitung gepumpt werden. Zum Vergleich: Das Fassungsvermögen der 40 in Betrieb befindlichen Kavernen im Feld bei Etzel beträgt 21 Mio. m³
(Quelle: http://www.ivg.de/de/1204875.htm).

Bei der Feuerung des Heizkessels werden Luftschadstoffe freigesetzt, die ganz erheblich sein können. Leider sind keine Angaben über die Feuerungswärmeleistung des Heizkessels auffindbar. Als Vergleich muss deshalb auf die Unterlagen des von der E.ON Ruhrgas stornierten LNG-Terminal-Projekts auf dem Voslapper Groden zurückgegriffen werden. In dieser Anlage war für die Regasifizierung ursprünglich ein 195 MW-Tauchflammverdampfer vorgesehen. Das ist nach BImSchG immerhin eine Großfeuerungsanlage, die strengsten Begrenzungen der Emissionen von Schwefeldioxiden, Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen, Schwermetallen und Organohalogenen unterliegt.

Erklärt werden kann die von der GAA deklarierte Nichtzuständigkeit eigentlich nur damit, dass Seeschiffe nicht dem nationalen Recht unterliegen und deshalb weder vom Wasserhaushaltgesetz noch vom BImSchG erfasst werden. Sie unterliegen lediglich dem MARPOL-Übereinkommen der ‚International Maritime Organisation’ (IMO), das bezüglich des Gewässer- und Immissionsschutzes unterentwickelt ist. Besonderheiten wie der Kühlwasseraustausch und die Großfeuerungsanlagen an Bord dieses EBRV-Typs fallen dabei offensichtlich durch den Rost.

Das gilt auch für die Europäische Union, die ihre Richtlinien mit den IMO-Übereinkommen kompatibel ausgestaltet. So beschränkt sie sich in ihrer Richtlinie 2005/33/EG lediglich allgemein auf den maximal zulässigen Schwefelgehalt in Brennstoffen an Bord von in EU-Häfen liegenden Schiffen. Wenn nicht alles täuscht, könnte nach der Rechtslage ein am NWO-Jetty liegender EBRV für die Regasifizierung des LNG fast alle nur denkbaren Schadstoffe in unbegrenzter Menge in die Luft pusten. Zwar setzt die Richtlinie 2005/33/EG der Emission von Schwefeldioxid eine gewisse Grenze; doch für die Kesselfeuerung ist ein Brennstoff mit dem Hundertfachen des für Binnenschiffe bzw. Landfahrzeuge zugelassenen Schwefelgehalts in Brennstoffen zulässig. Nicht einmal bei Einsatz von Gasfeuerung dürften solche Luftverpester ohne Abgasfilter und -reinigung völlig harmlos sein:
Durch die relativ geringe Schornsteinhöhe der LNG-Tanker im Vergleich zu den Kraftwerks- und Raffinerieschornsteinen geht der abgeblasene Dreck größtenteils im Umkreis von nicht mehr als drei Kilometern nieder.“ (Gegenwind Nr. 244).

Landseitig bleibt abzuwarten, ob in das im Raume stehende Planfeststellungsverfahren über den Bau der Erdgasleitung auch der Anschluss an das Kavernenfeld bei Etzel einbezogen wird. Dass dort einige der genehmigten bzw. geplanten Kavernen für die Zwischenlagerung gebraucht werden, kann sich jeder an seinen fünf Fingern abzählen. Die sind nämlich für die Abpufferung des schubweise von den EBRV-Tankern in die Druckrohrleitung gepumpten Erdgases unerlässlich. Die Gasröhre soll auf eine Transportkapazität von 600.000 m³/h Erdgas ausgelegt werden. Es muss bei Realisierung des Vorhabens in den Kavernen von Etzel zudem ein gewisses Maß an Aufnahmekapazität zur Abfederung von Preisschwankungen am Markt sowie Importengpässen vorgehalten werden.

Gegen die Ausspülung weiterer Kavernen aus dem dortigen Salzstock sträuben sich jedoch die dort lebenden Menschen aus vielerlei Gründen, und sie trauen den Aussagen der Vorhabensträger nicht. Zwar sind mit importiertem Erdgas betriebene Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GUD) – also mit Strom- und Fernwärmeversorgung – als Brückentechnologie unproblematischer als Atom- bzw. Kohlekraftwerke. Dies muss aber – nicht nur in Etzel und umzu – noch lange nicht heißen, dass wir alles, was man uns mit PR-Kampagnen einzutrichtern sucht, auch unbesehen schlucken sollten. Im Übrigen will der Megawatt-Clan seine Oligopolstellung ja sowieso weiterhin mit seinen saurierhaften Atom- und Kohlemeilern absichern.

Auch an der Jade wächst die Aufmerksamkeit, seit sich herumspricht, dass die unter der Niedersachsenbrücke in die Jade fließende Sole aus den ausgespülten Kavernen (90 weitere Hohlräume im Salzstock sind bereits genehmigt) nicht aus reinem Salz besteht, sondern auch darin enthaltene nicht abbaubare Schadstoffbeimengungen enthalten kann.

Und wenn die weltvermüllende Chlorchemie schon nicht in absehbarer Zeit zu verhindern ist, dann wäre es zumindest sinnvoller, das Kavernensalz für die Chlor-/Natronlaugeproduktion der INEOS zu verwenden, statt die Sole über Jahrzehnte in die Jade zu pumpen. Doch der Multi importiert das Salz lieber per Schiff aus den Niederlanden und aus Irland und lässt es mit Lastwagen vom Lüneburgkai am Nordhafen zu seiner Chlorfabrik auf dem Rüstersieler Groden transportieren. Verschwenderische Marktwirtschaft, die von der Hand in den Mund lebt.

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