Die Tafel
Sep 082009
 

Mahlzeit!

Über Lebensmittelknappheit und Lebensmittelvernichtung

(noa/mt) Wenn Sie demnächst auf der Straße einen Lieferwagen mit der Aufschrift „Glücksbringer“ sehen, dann brauchen Sie nicht darüber nachzudenken, was da wohl drin sein mag. Es ist der neue Kühlwagen, den die Wilhelmshavener Tafel in der letzten Augustwoche in Betrieb genommen hat.

Mit dem Kühlwagen ist es der Tafel möglich, auch aus größerer Entfernung frische Lebensmittel heranzutransportieren, und dafür sie dankbar.„An erster Stelle der Unterstützer steht der Hersteller des Fahrzeugs, die Firma Ford, des weiteren die überregional tätige Stiftunglife, die hiesigen Lions Clubs Wilhelmshaven und Wilhelmshaven-Jade, Gerd-Möller-Stiftung, Ja-Wir-Stiftung (Karl-Neumann und Helmut- Böttger-Stiftung). Weiterhin haben wir viele größere und kleinere Spenden von Unterstützern und Mitgliedern des Vereins erhalten. U. a. auch von den Lesern der Nordwest-Zeitung, den Firmen arvato und arvamed, sowie den Auszubildenden des Marinearsenals. Beim Ausbau des Kellerraums haben uns die Firmen EMU- Einrichtungssysteme GmbH, Klempnerei Plohr und der Bauunternehmer Rykena sehr geholfen“, schreibt  der Vorstand der Tafel in seiner Pressemitteilung zur Einweihung des Kühlwagens. Außer dem neuen Fahrzeug gibt es eine weitere Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Die Tafel hat einen weiteren Raum dazugemietet, wodurch der Arbeitsablauf optimiert werden konnte. Über vierzig ehrenamtliche HelferInnen und zehn Erwerbslose mit AHG (Arbeitsgelegenheit, auch Ein-Euro-Job genannt) arbeiten bei der Wilhelmshavener Tafel, holen Lebensmittel, die in Geschäften übrig sind (jährlich über 100 Tonnen), sortieren aus, sorgen für ihre sachgerechte Lagerung und bieten sie in den Ausgabestellen im Textilhof und in der Außenstelle Sande an. Die Kosten für diesen Betrieb sind schon längst nicht mehr ausschließlich aus den Mitgliedsbeiträgen allein aufzubringen. Außer den Mitgliedern des Tafel-Vereins helfen zahlreiche weitere Firmen, Gruppen und Einzelpersonen mit. Seit einigen Jahren schon beteiligen sich auch die „Kunden“ der Tafel an den Betriebskosten, die sich auf ca. 3000 Euro im Monat belaufen: Wer eine Tüte Lebensmittel abholt, zahlt einen Euro. Vier Ausgabetage in der Woche sind es inzwischen in Wilhelmshaven, an denen 1250 Bedürftige sich mit Backwaren, Konserven, Obst, Salat und Gemüse sowie Milchprodukten versorgen können, die die Tafel zuvor von mehr als vierzig Spendern eingesammelt hat. Die Spender, das sind Lebensmittelmärkte in ganz Wilhelmshaven und Umgebung. Sie stellen die Lebensmittel zur Verfügung, die nicht mehr verkäuflich sind, weil ihr Mindesthaltbarkeitsdatum fast erreicht ist. Aber nicht alle Lebensmittelmärkte spenden diese Waren der Tafel, Aldi Nord z.B. mit der Behauptung, dass alle Lebensmittel verkauft würden. Da fragt sich, was in den Müllcontainern landet, die, z.T. gut verschlossen, hinter den Supermärkten stehen. Das ist kein Müll, auch keine verdorbenen Waren, sondern Berge von frischen genießbaren Lebensmitteln. So stößt man auf Säcke voller Kartoffeln, verpackte Wurst- und Käsewaren, die oftmals erst viele Tage später ihr Mindesthaltbarkeitsdatum erreichen, Süßwaren, Getränke jeglicher Art und zum Teil noch unreifes Gemüse bzw. Obst wie z.B. grüne Bananen. Aus einigen Großstädten, z.B. aus Berlin, hört man vom „Containern“: Junge Leute ziehen nachts hinter die Supermärkte und holen für sich und ihre Nachbarn gute Lebensmittel aus dem Müll; angeblich gibt es Leute, die sich ausschließlich aus Müllcontainern ernähren. Warum geschieht so eine Verschwendung? Wir haben eine gewaltige Überproduktion an Lebensmitteln; manche Quellen gehen von bis zu 90 % Produktion für den Müll aus. Bei den Lebensmittelketten ist der „Ausschuss“ einkalkuliert und wird von der Steuer abgeschrieben. Warum dann geben diese Geschäfte den Überschuss nicht auch den Tafeln? Die könnten ihn ohne Problem an Bedürftige weitergeben. So musste die Wilhelmshavener Tafel eine Zeitlang Wartelisten führen, und nicht alle Bedürftigen bekamen eine Berechtigungskarte. Dass dieser unerträgliche Zustand nicht mehr besteht, wurde erreicht, indem man einen vierten Ausgabetag eingerichtet und die Abgabemenge pro Person reduziert hat. „Wir geben einer Familie seither eben nicht sechs, sondern nur drei Äpfel“, erklärte uns Frau Brost auf unsere Frage. Das oben beschriebene „Containern“ ist eine Straftat. Ein ehemaliger Beschäftigter eines Lebensmittelmarktes in Wilhelmshaven berichtete uns, dass er miterlebt hat, wie eine Kollegin eine alte Frau, die sich eine Steckrübe aus dem „Müll“ holte, vertrieb. Aus der Sicht des Supermarktbetreibers ist das vielleicht ganz verständlich: Viele Leute würden keine Lebensmittel mehr kaufen, wenn sie stattdessen nach Feierabend dieselben Waren kostenlos aus dem Container holen könnten. Und während einerseits tagtäglich tonnenweise Lebensmittel vernichtet werden, berichtet die Tafel von „steigender Tendenz“ bei der Zahl der Bedürftigen.

Die Tafel kann noch jede Menge Unterstützung brauchen. Hilfe ist möglich durch Spenden (Sparkasse Wilhelmshaven, Bankleitzahl 282 50 110, Konto- Nr. 32 908 030) oder durch eine Vereinsmitgliedschaft (Monatsbeitrag 3,00 Euro Einzelperson / 5,00 Euro Eheleute). Telefon: 69 91 26 / email: tafelwhv@freenet.de

 

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