Die Linke
Jun 262007
 

Vorhang auf

Es hat ein bisschen „gehakt“ in Wilhelmshaven

(noa) „Vorhang auf für ‚Die Linke’“, so hieß es am 18. Juni auf der „Brennpunkt“-Seite der „WZ“, und natürlich berichteten alle überregionalen Medien recht ausführlich über die Vereinigung von WASG und Linkspartei zur neuen Partei DIE LINKE. „Jubel auf Gründungskongress verdeckt tiefe Gräben zwischen Mitgliedern in Ost und West“, so lautete die Unterüberschrift des WZ-Artikels. Dass es nicht nur Gräben zwischen „Ossies“ und „Wessies“ gibt, zeigte sich in Wilhelmshaven.

Hier ging der Vorhang mit einigen Hindernissen auf.

Werner Dalichow, wohl das erste WASG-Mitglied in Wilhelmshaven, hat im Bundestagswahlkampf und bei anderen Gelegenheiten erläutert, warum er und viele andere WASG-Mitglieder es für nötig und richtig gefunden haben, eine linke Partei neben der (damals noch) PDS zu gründen, statt der PDS einfach beizutreten. Es waren nicht nur wahltaktische Gründe (viele Westdeutsche, die bei der letzten Bundestagswahl links gewählt haben, haben bewusst die Liste der Linkspartei mit den WASG-KandidatInnen darauf gewählt, hätten aber bestimmt ihre Stimme nicht der PDS gegeben). Es gab weitere Gründe: „Die PDS ist eine Kaderpartei“, sagte Dalichow z.B. damals, und damit meinte er, sie sei eine Partei, in der die Willensbildung „von oben nach unten“ stattfinde. Die Menschen aber, die sich damals vor drei Jahren aufgemacht haben, in Deutschland gegen den Abbau des Sozialstaates, gegen die Agenda 2010 zu kämpfen, waren eher basisdemokratisch orientiert und stellten sich eine Partei vor, in der die Willensbildung von unten nach oben stattfindet. Und inhaltlich-politische Unterschiede gab es auch: War z.B. die WASG u.a. mit dem Ziel der Abschaffung von Hartz IV angetreten, forderte die Linkspartei in ihrem Bundestagswahlprogramm lediglich eine Erhöhung des Alg II-Satzes.
Dass es irgendwann einmal zu einer Fusion von Linkspartei.PDS und WASG kommen würde, damit waren wohl alle WASG-Mitglieder einverstanden. Vielen ging dieser Parteibildungsprozess aber zu schnell. Eine erheblich längere Diskussionsphase bis hin zur Vereinigung würde, so war die Annahme, inhaltliche Unterschiede verkleinern und der Linken in den westlichen Bundesländern Zeit geben, sich zu vergrößern, stärker zu werden und sich in der Bevölkerung zu verankern.
Nun ging der Vereinigungsprozess aber schnell, und zahlreiche WASGler zogen sich frustriert wieder „aufs Sofa“ zurück. Ob sie frustriert über die ihrer Meinung nach zu schnell vorangetriebene Fusion („Wir werden geschluckt“) waren oder darüber, dass auf den Sitzungen mehr über die zu schnelle Fusion als über Politik geredet wurde, sei dahingestellt. In Wilhelmshaven jedenfalls blieb von der WASG fast nur noch der Vorstand übrig, und auch der hatte sich seit seiner Wahl erheblich verkleinert.
Inzwischen fanden in Niedersachsen auch Kommunalwahlen statt, und dazu traten in vielen Kommunen linke Bündnisse an. In Wilhelmshaven wurde die LAW (linke alternative wilhelmshaven) gegründet und brachte – unsere LeserInnen wissen es – zwei Mitglieder in den Rat der Stadt sowie einen Vertreter in den Ortsrat Sengwarden. In den Nachbargemeinden bildeten sich „Linksbündnisse“, die ebenfalls in Kommunalparlamente einziehen konnten.
Als im Frühjahr 2007 dazu aufgerufen wurde, die Konstituierung der „Neuen Linken“ vor Ort vorzubereiten, blieb die Wilhelmshavener WASG diesen Verhandlungen fern. Der Vorstand trat, wie es der Fusionsvertrag zwischen WASG und Linkspartei.PDS vorsah, zurück, allerdings schon früher als nötig, und einige seiner Mitglieder traten schon einige Zeit vor dem Gründungsparteitag aus der WASG aus, um sich nicht „übernehmen“ zu lassen. Ihren Frust und ihre weiteren politischen Pläne drückten sie am Ende ihrer Rücktrittserklärung aus: „Ein Mitglied der WASG-Führung hat einmal gesagt, die, die den Weg der Fusion nicht mitgehen wollen, die müsse man halt am Wege stehen lassen. Wir werden nicht stehen bleiben. Wir werden einfach weitergehen auf dem Weg, den wir mit der WASG und ihrem Programm eingeschlagen haben, in Richtung auf eine konsequente politische Alternative, hin zu einer klaren und ehrlichen Politik für eine demokratische und sozial gerechte Gesellschaft. Links ist noch viel Platz frei.“
Das klingt nach einem Andauern der Zersplitterung der Linken – auf Landes- und Bundesebene jedenfalls. Auf kommunaler Ebene, hier in Wilhelmshaven, gibt es ja die LAW. Doch würde die sich bis zum Ende der Ratsperiode und darüber hinaus halten können, wenn mehrere ihrer Mitglieder sich so offen von der neuen Partei DIE LINKE abwenden, während andere LAWler dort organisiert sind? Würde die LAW-Fraktion im Rat bis zum Ende ihrer Amtszeit zusammenbleiben und –arbeiten können?
Die Diskussionen wurden womöglich noch grundsätzlicher. Kann man Mitglied in einer Partei sein, mit der man nicht zu 100 % übereinstimmt? Mindestens eines der ausgetretenen Mitglieder verneint für sich diese Frage ganz entschieden. Ist es tatsächlich ein Übernommen-Werden, wenn man mit dem Datum des Gründungskongresses auf einmal nicht mehr in der WASG, sondern in einer neuen Partei ist?
Am 1. Mai gab es am Pumpwerk zwei getrennte „linke“ Auftritte: Die LAW stand nur wenige Meter von der „LINKEN“ entfernt, die mit einer sehr kleinen Zahl von Mitgliedern vertreten war. Mehrere BesucherInnen der Maifeier fragten, warum die Linken mit zwei Ständen präsent seien. Wie schädlich mag allein schon diese Tatsache für beide Seiten gewesen sein? Wie groß sind die Differenzen denn tatsächlich?
Wenige Tage vor dem Gründungsdatum entschieden sich einige der Noch- und der Ex-WASGler sowie weitere Linke, die neue Partei mitzutragen, und traten der gerade noch existierenden WASG bei. Sie mussten vom Kreisverband Friesland aufgenommen werden, da der Kreisverband Wilhelmshaven keinen Vorstand mehr besaß, der sie hätte aufnehmen können.
Für die Gründung eines Kreisverbandes Wilhelmshaven war es zu diesem Zeitpunkt schon zu spät. Der Beschluss zur Gründung eines Kreisverbandes Wilhelmshaven/Friesland/Wittmund war da schon beschlossen. Doch diejenigen, die nun am 17. Juni Mitglieder der neuen Partei geworden sind, werden die Gründung dieses großen Kreisverbandes am 8.Juli mittragen. „Wir sind Linke, also sollten wir auch der Partei DIE LINKE angehören“, ist eines der Argumente. Die Gründung eigener Kreisverbände Wilhelmshaven, Friesland und Wittmund ist in etwa einem Jahr möglich.
Die Bekanntmachung z.B. des ZDF-Polit-Barometers gibt ihnen Recht: Wenn letzten Sonntag Bundestagswahl gewesen wäre, hätte DIE LINKE ihren Stimmenanteil gegenüber der letzten Umfrage davor um einen Prozentpunkt erhöhen können. Die linken Wähler und WählerInnen schauen offenbar mehr auf das Gemeinsame als auf das Trennende. Das werden die Alt-, die Neu- und die Wieder-Mitglieder der neuen Partei künftig auch üben müssen

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